Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. durch alle Stände hindurch der herrschenden Mode, und wurdenur in Einzelheiten, in Form und Schnitt, selbstständig. Wenn wir zunächst die städtisch bürgerliche Welt in's Auge fassen, so bietet der Mann so gut wie gar keine Eigenthümlichkeiten dar; bis auf den Handwerker nnd seinen Gesellen, selbst bis auf den Bauer sucht er sich der laufenden Mode nach Kräften wenigstens anzunähern. Er kürzt das Haar, wo er der Sitte des funfzehn- ten Jahrhunderts gefolgt war, und läßt sich den Bart wachsen; er trägt das Federbarett, soweit es ihm erlaubt ist, und später das steife verkleinerte, und da es in Mißkredit kommt, holt er wieder den alten Filzhut hervor, der in den Tiefen der Gesell- schaft nie verschwunden war. Auch mit dem Hemd folgt er den Wandlungen, läßt die Jacke oder das Wamms wieder herauf- wachsen über die nackten gebräunten Schultern, Nacken und Hals, und legt selbst die eingebrannte Krause unter Kinn und Ohr heraus, soweit das Gesetz oder die Armuth ihm nicht ein Hemm- niß waren. Man konnte damals um das Jahr 1560 und 1570 den Zimmermann mit der Axt und den Tischler mit der Säge in der großen landsknechtischen Pluderhose bei der Arbeit sehen, und als die theure Lust verging, stopften sie nunmehr die unge- schlitzte Pumphose aus mit Werg und Kleie von der Hüfte bis zum Knie. Der Bauer freilich mit seiner harten Arbeit auf freiem Felde wollte nicht viel davon wissen. Um das Jahr 1580 reichte auch das eigentlich spanische Beinkleid neben dem deutschen tief in den Bürgerstand hinab; tiefer noch die gespitzten und feinge- schlitzten oder buntbenähten Schuhe, welche jeder Handwerks- mann bei der Arbeit trug. Nur das grauhaarige Alter hielt, wie an den Erinnerungen der Jugend, so auch an der Tracht seines Blüthenalters fest, ohne daß dieselbe auf größere Ehrbarkeit An- spruch machen konnte. Etwas anderes schon ist es mit der Frau. Zwar folgt auch III. Die Neuzeit. durch alle Stände hindurch der herrſchenden Mode, und wurdenur in Einzelheiten, in Form und Schnitt, ſelbſtſtändig. Wenn wir zunächſt die ſtädtiſch bürgerliche Welt in’s Auge faſſen, ſo bietet der Mann ſo gut wie gar keine Eigenthümlichkeiten dar; bis auf den Handwerker nnd ſeinen Geſellen, ſelbſt bis auf den Bauer ſucht er ſich der laufenden Mode nach Kräften wenigſtens anzunähern. Er kürzt das Haar, wo er der Sitte des funfzehn- ten Jahrhunderts gefolgt war, und läßt ſich den Bart wachſen; er trägt das Federbarett, ſoweit es ihm erlaubt iſt, und ſpäter das ſteife verkleinerte, und da es in Mißkredit kommt, holt er wieder den alten Filzhut hervor, der in den Tiefen der Geſell- ſchaft nie verſchwunden war. Auch mit dem Hemd folgt er den Wandlungen, läßt die Jacke oder das Wamms wieder herauf- wachſen über die nackten gebräunten Schultern, Nacken und Hals, und legt ſelbſt die eingebrannte Krauſe unter Kinn und Ohr heraus, ſoweit das Geſetz oder die Armuth ihm nicht ein Hemm- niß waren. Man konnte damals um das Jahr 1560 und 1570 den Zimmermann mit der Axt und den Tiſchler mit der Säge in der großen landsknechtiſchen Pluderhoſe bei der Arbeit ſehen, und als die theure Luſt verging, ſtopften ſie nunmehr die unge- ſchlitzte Pumphoſe aus mit Werg und Kleie von der Hüfte bis zum Knie. Der Bauer freilich mit ſeiner harten Arbeit auf freiem Felde wollte nicht viel davon wiſſen. Um das Jahr 1580 reichte auch das eigentlich ſpaniſche Beinkleid neben dem deutſchen tief in den Bürgerſtand hinab; tiefer noch die geſpitzten und feinge- ſchlitzten oder buntbenähten Schuhe, welche jeder Handwerks- mann bei der Arbeit trug. Nur das grauhaarige Alter hielt, wie an den Erinnerungen der Jugend, ſo auch an der Tracht ſeines Blüthenalters feſt, ohne daß dieſelbe auf größere Ehrbarkeit An- ſpruch machen konnte. Etwas anderes ſchon iſt es mit der Frau. Zwar folgt auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0172" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> durch alle Stände hindurch der herrſchenden Mode, und wurde<lb/> nur in Einzelheiten, in Form und Schnitt, ſelbſtſtändig. Wenn<lb/> wir zunächſt die ſtädtiſch bürgerliche Welt in’s Auge faſſen, ſo<lb/> bietet der Mann ſo gut wie gar keine Eigenthümlichkeiten dar;<lb/> bis auf den Handwerker nnd ſeinen Geſellen, ſelbſt bis auf den<lb/> Bauer ſucht er ſich der laufenden Mode nach Kräften wenigſtens<lb/> anzunähern. 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III. Die Neuzeit.
durch alle Stände hindurch der herrſchenden Mode, und wurde
nur in Einzelheiten, in Form und Schnitt, ſelbſtſtändig. Wenn
wir zunächſt die ſtädtiſch bürgerliche Welt in’s Auge faſſen, ſo
bietet der Mann ſo gut wie gar keine Eigenthümlichkeiten dar;
bis auf den Handwerker nnd ſeinen Geſellen, ſelbſt bis auf den
Bauer ſucht er ſich der laufenden Mode nach Kräften wenigſtens
anzunähern. Er kürzt das Haar, wo er der Sitte des funfzehn-
ten Jahrhunderts gefolgt war, und läßt ſich den Bart wachſen;
er trägt das Federbarett, ſoweit es ihm erlaubt iſt, und ſpäter
das ſteife verkleinerte, und da es in Mißkredit kommt, holt er
wieder den alten Filzhut hervor, der in den Tiefen der Geſell-
ſchaft nie verſchwunden war. Auch mit dem Hemd folgt er den
Wandlungen, läßt die Jacke oder das Wamms wieder herauf-
wachſen über die nackten gebräunten Schultern, Nacken und Hals,
und legt ſelbſt die eingebrannte Krauſe unter Kinn und Ohr
heraus, ſoweit das Geſetz oder die Armuth ihm nicht ein Hemm-
niß waren. Man konnte damals um das Jahr 1560 und 1570
den Zimmermann mit der Axt und den Tiſchler mit der Säge in
der großen landsknechtiſchen Pluderhoſe bei der Arbeit ſehen,
und als die theure Luſt verging, ſtopften ſie nunmehr die unge-
ſchlitzte Pumphoſe aus mit Werg und Kleie von der Hüfte bis
zum Knie. Der Bauer freilich mit ſeiner harten Arbeit auf freiem
Felde wollte nicht viel davon wiſſen. Um das Jahr 1580 reichte
auch das eigentlich ſpaniſche Beinkleid neben dem deutſchen tief
in den Bürgerſtand hinab; tiefer noch die geſpitzten und feinge-
ſchlitzten oder buntbenähten Schuhe, welche jeder Handwerks-
mann bei der Arbeit trug. Nur das grauhaarige Alter hielt, wie
an den Erinnerungen der Jugend, ſo auch an der Tracht ſeines
Blüthenalters feſt, ohne daß dieſelbe auf größere Ehrbarkeit An-
ſpruch machen konnte.
Etwas anderes ſchon iſt es mit der Frau. Zwar folgt auch
ſie mit enger Taille und weit geſpanntem Rock, mit Steife und
Verhüllung der modiſchen Weiſe, doch ſtellen ſich auch mannig-
fach verſchiedene Beſonderheiten ein, die ſich local feſtzuſetzen
ſuchen. Das Kleid zwar hat nichts Eigenthümliches: mit Wülſten
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