die Spitzen an die Manschetten und auch die Stuarthaube um- zogen sie. Um das Jahr 1600 gab es auch farbige Spitzen und solche, in welche feine Gold- und Silberfäden hineingeflochten waren. Bei weitem luxuriöser, und das namentlich in der männlichen Welt, wurde ihr Gebrauch in der nächstfolgenden Periode.
Nichts gleicht aber dem außerordentlichen Luxus, welcher mit Schmuck aller Art, mit Perlen, Edelsteinen und kostbar gefaßtem Geschmeide getrieben wurde. Aus dieser Zeit, der Blüthe deutscher Renaissance, stammen die reichsten und wunder- barsten Arbeiten der Goldschmiedekunst, welche, ursprünglich be- stimmt, Haus und Tafel prunkvoll zu verzieren, nunmehr die kostbarsten Raritäten der Kunstkabinette sind. Zu keiner Zeit leistete dieses Gewerbe in technischer Beziehung Höheres, aber auch zu keiner Zeit hatte es zahlreichere und werthvollere Auf- träge auszuführen. Die Anwendung von Juwelen und edlen Metallen wuchs in jeder Weise zum Schmuck des Hauses wie des Menschen; man überzog die Kleider damit, band ihn ins Haar oder flocht ihn um die Stirn; man hing ihn ins Ohr, legte ihn um Hals, Arm, Hand und Finger, man ließ die rei- chen Gürtel mit Taschen und Messern herabhängen und bestickte auch die Schuhe mit Perlen und Edelsteinen und heftete Gold und Silber daran. Nicht ohne Einfluß auf diese übertriebene Lust war die Entdeckung der neuen Welt und die Eröffnung sei- ner Schätze. Es machte daher auch Spanien den Anfang, an dessen Geschmack sich Frankreich anschloß, während sich, wie wir oben gesehen haben, die Italiener einer edleren Maßhaltigkeit rühmten. Ein Spanier ist entzückt, wenn er von den Kleidern der Damen in seinem hochtrabenden Pathos rühmen kann: "Hier fanden ihren Mittelpunkt die Edelsteine des Orients und die edlen Metalle des Occidents in solcher Menge, daß sie das Geheimniß der Kleider bewachten, ohne die ihnen untergelegten Farben zu verrathen." Fast möchte man geneigt sein, diese Worte buchstäblich zu nehmen, wenn man lieset, daß die Königin Maria Medicis bei der Taufe ihres Sohnes einen Rock mit 32,000
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
die Spitzen an die Manſchetten und auch die Stuarthaube um- zogen ſie. Um das Jahr 1600 gab es auch farbige Spitzen und ſolche, in welche feine Gold- und Silberfäden hineingeflochten waren. Bei weitem luxuriöſer, und das namentlich in der männlichen Welt, wurde ihr Gebrauch in der nächſtfolgenden Periode.
Nichts gleicht aber dem außerordentlichen Luxus, welcher mit Schmuck aller Art, mit Perlen, Edelſteinen und koſtbar gefaßtem Geſchmeide getrieben wurde. Aus dieſer Zeit, der Blüthe deutſcher Renaiſſance, ſtammen die reichſten und wunder- barſten Arbeiten der Goldſchmiedekunſt, welche, urſprünglich be- ſtimmt, Haus und Tafel prunkvoll zu verzieren, nunmehr die koſtbarſten Raritäten der Kunſtkabinette ſind. Zu keiner Zeit leiſtete dieſes Gewerbe in techniſcher Beziehung Höheres, aber auch zu keiner Zeit hatte es zahlreichere und werthvollere Auf- träge auszuführen. Die Anwendung von Juwelen und edlen Metallen wuchs in jeder Weiſe zum Schmuck des Hauſes wie des Menſchen; man überzog die Kleider damit, band ihn ins Haar oder flocht ihn um die Stirn; man hing ihn ins Ohr, legte ihn um Hals, Arm, Hand und Finger, man ließ die rei- chen Gürtel mit Taſchen und Meſſern herabhängen und beſtickte auch die Schuhe mit Perlen und Edelſteinen und heftete Gold und Silber daran. Nicht ohne Einfluß auf dieſe übertriebene Luſt war die Entdeckung der neuen Welt und die Eröffnung ſei- ner Schätze. Es machte daher auch Spanien den Anfang, an deſſen Geſchmack ſich Frankreich anſchloß, während ſich, wie wir oben geſehen haben, die Italiener einer edleren Maßhaltigkeit rühmten. Ein Spanier iſt entzückt, wenn er von den Kleidern der Damen in ſeinem hochtrabenden Pathos rühmen kann: „Hier fanden ihren Mittelpunkt die Edelſteine des Orients und die edlen Metalle des Occidents in ſolcher Menge, daß ſie das Geheimniß der Kleider bewachten, ohne die ihnen untergelegten Farben zu verrathen.“ Faſt möchte man geneigt ſein, dieſe Worte buchſtäblich zu nehmen, wenn man lieſet, daß die Königin Maria Medicis bei der Taufe ihres Sohnes einen Rock mit 32,000
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
die Spitzen an die Manſchetten und auch die Stuarthaube um-
zogen ſie. Um das Jahr 1600 gab es auch farbige Spitzen und
ſolche, in welche feine Gold- und Silberfäden hineingeflochten
waren. Bei weitem luxuriöſer, und das namentlich in der
männlichen Welt, wurde ihr Gebrauch in der nächſtfolgenden
Periode.
Nichts gleicht aber dem außerordentlichen Luxus, welcher
mit Schmuck aller Art, mit Perlen, Edelſteinen und koſtbar
gefaßtem Geſchmeide getrieben wurde. Aus dieſer Zeit, der
Blüthe deutſcher Renaiſſance, ſtammen die reichſten und wunder-
barſten Arbeiten der Goldſchmiedekunſt, welche, urſprünglich be-
ſtimmt, Haus und Tafel prunkvoll zu verzieren, nunmehr die
koſtbarſten Raritäten der Kunſtkabinette ſind. Zu keiner Zeit
leiſtete dieſes Gewerbe in techniſcher Beziehung Höheres, aber
auch zu keiner Zeit hatte es zahlreichere und werthvollere Auf-
träge auszuführen. Die Anwendung von Juwelen und edlen
Metallen wuchs in jeder Weiſe zum Schmuck des Hauſes wie
des Menſchen; man überzog die Kleider damit, band ihn ins
Haar oder flocht ihn um die Stirn; man hing ihn ins Ohr,
legte ihn um Hals, Arm, Hand und Finger, man ließ die rei-
chen Gürtel mit Taſchen und Meſſern herabhängen und beſtickte
auch die Schuhe mit Perlen und Edelſteinen und heftete Gold
und Silber daran. Nicht ohne Einfluß auf dieſe übertriebene
Luſt war die Entdeckung der neuen Welt und die Eröffnung ſei-
ner Schätze. Es machte daher auch Spanien den Anfang, an
deſſen Geſchmack ſich Frankreich anſchloß, während ſich, wie wir
oben geſehen haben, die Italiener einer edleren Maßhaltigkeit
rühmten. Ein Spanier iſt entzückt, wenn er von den Kleidern
der Damen in ſeinem hochtrabenden Pathos rühmen kann:
„Hier fanden ihren Mittelpunkt die Edelſteine des Orients und
die edlen Metalle des Occidents in ſolcher Menge, daß ſie das
Geheimniß der Kleider bewachten, ohne die ihnen untergelegten
Farben zu verrathen.“ Faſt möchte man geneigt ſein, dieſe Worte
buchſtäblich zu nehmen, wenn man lieſet, daß die Königin Maria
Medicis bei der Taufe ihres Sohnes einen Rock mit 32,000
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/163>, abgerufen am 01.08.2024.
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