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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Perlen oder Schmelz, von oben über den Fuß herunterläuft. Zu
den Seiten des Thrones stehen zwei deutsche Fürsten, wie ihre
kronenartige Kopfbedeckung erkennen läßt, welche mit Fähnlein
geschmückte Lanzen in den Händen halten; weiter unten befinden
sich noch zwei Krieger mit Lanze und Schild. In der Tracht glei-
chen alle vier den oben beschriebenen Waffenträgern Karls des
Kahlen ohne irgend einen erheblichen Unterschied. Nur ihre blauen
Stiefel sind kürzer und zeigen dicke Sohlen.

Die längere Tunica, welche wir bisher vorzugsweise bei
Königen, wie Karl dem Kahlen und Otto III., angetroffen ha-
ben, geht im 11. Jahrhundert vom Herrscher auf den ganzen
Adel über, während bei der Menge des niedern Volks der alte
Rock, weiter und faltiger geworden und über den Hüften aufge-
bunden, völlig erstarrt und hier und da beim Landvolk oder über-
haupt beim Arbeiter in der Form der Blouse oder des Polhemdes
sich durch alle Jahrhunderte erhalten hat, um im neunzehnten
selbst noch eine Rolle zu spielen. Schon zu den Zeiten Kaiser
Heinrichs II. (1002--1024) ist in der Friedenstracht die längere
Tunica vorherrschend. Er selbst trägt sie durchgängig. Es existi-
ren mehrere Miniaturbilder von ihm, von denen zwei, in einem
Missale befindlich, welches er selbst dem Domschatz zu Aachen ge-
schenkt hat, wie nach der Natur gemacht sind. Beide Darstellun-
gen zeigen zwar manche Verschiedenheiten, aber in leicht erklärli-
cher Weise. Die eine, welche ihn auf dem Throne sitzend in höch-
stem Ornat darstellt, ahmt in der Verzierung die Auszeichnung der
griechischen Kaiserfamilie nach, deren Kleidung mit großen, farbig
verzierten goldenen Scheiben geschmückt war, ein Vorrecht, dessen
schon oben gedacht wurde. Diese Scheiben sehen wir auch beim
Kaiser Heinrich auf den Schultern und beiden Knieen. Sonst
sind Tunica und Purpurmantel von breiten, mit Edelsteinen be-
setzten Streifen umsäumt, und gleiche Vorstöße haben auch die
Aermel an den Händen. Die Schuhe sind ebenfalls golden, mit
Edelsteinen besetzt und mit einem goldenen Riemen gehalten. Die
enge rothe Beinbekleidung ist mit dunkelrothen Linien carrirt.
Auf dem Haupt ruht eine breite, reich verzierte Krone mit vierfa-

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Perlen oder Schmelz, von oben über den Fuß herunterläuft. Zu
den Seiten des Thrones ſtehen zwei deutſche Fürſten, wie ihre
kronenartige Kopfbedeckung erkennen läßt, welche mit Fähnlein
geſchmückte Lanzen in den Händen halten; weiter unten befinden
ſich noch zwei Krieger mit Lanze und Schild. In der Tracht glei-
chen alle vier den oben beſchriebenen Waffenträgern Karls des
Kahlen ohne irgend einen erheblichen Unterſchied. Nur ihre blauen
Stiefel ſind kürzer und zeigen dicke Sohlen.

Die längere Tunica, welche wir bisher vorzugsweiſe bei
Königen, wie Karl dem Kahlen und Otto III., angetroffen ha-
ben, geht im 11. Jahrhundert vom Herrſcher auf den ganzen
Adel über, während bei der Menge des niedern Volks der alte
Rock, weiter und faltiger geworden und über den Hüften aufge-
bunden, völlig erſtarrt und hier und da beim Landvolk oder über-
haupt beim Arbeiter in der Form der Blouſe oder des Polhemdes
ſich durch alle Jahrhunderte erhalten hat, um im neunzehnten
ſelbſt noch eine Rolle zu ſpielen. Schon zu den Zeiten Kaiſer
Heinrichs II. (1002—1024) iſt in der Friedenstracht die längere
Tunica vorherrſchend. Er ſelbſt trägt ſie durchgängig. Es exiſti-
ren mehrere Miniaturbilder von ihm, von denen zwei, in einem
Miſſale befindlich, welches er ſelbſt dem Domſchatz zu Aachen ge-
ſchenkt hat, wie nach der Natur gemacht ſind. Beide Darſtellun-
gen zeigen zwar manche Verſchiedenheiten, aber in leicht erklärli-
cher Weiſe. Die eine, welche ihn auf dem Throne ſitzend in höch-
ſtem Ornat darſtellt, ahmt in der Verzierung die Auszeichnung der
griechiſchen Kaiſerfamilie nach, deren Kleidung mit großen, farbig
verzierten goldenen Scheiben geſchmückt war, ein Vorrecht, deſſen
ſchon oben gedacht wurde. Dieſe Scheiben ſehen wir auch beim
Kaiſer Heinrich auf den Schultern und beiden Knieen. Sonſt
ſind Tunica und Purpurmantel von breiten, mit Edelſteinen be-
ſetzten Streifen umſäumt, und gleiche Vorſtöße haben auch die
Aermel an den Händen. Die Schuhe ſind ebenfalls golden, mit
Edelſteinen beſetzt und mit einem goldenen Riemen gehalten. Die
enge rothe Beinbekleidung iſt mit dunkelrothen Linien carrirt.
Auf dem Haupt ruht eine breite, reich verzierte Krone mit vierfa-

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[62/0080] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. Perlen oder Schmelz, von oben über den Fuß herunterläuft. Zu den Seiten des Thrones ſtehen zwei deutſche Fürſten, wie ihre kronenartige Kopfbedeckung erkennen läßt, welche mit Fähnlein geſchmückte Lanzen in den Händen halten; weiter unten befinden ſich noch zwei Krieger mit Lanze und Schild. In der Tracht glei- chen alle vier den oben beſchriebenen Waffenträgern Karls des Kahlen ohne irgend einen erheblichen Unterſchied. Nur ihre blauen Stiefel ſind kürzer und zeigen dicke Sohlen. Die längere Tunica, welche wir bisher vorzugsweiſe bei Königen, wie Karl dem Kahlen und Otto III., angetroffen ha- ben, geht im 11. Jahrhundert vom Herrſcher auf den ganzen Adel über, während bei der Menge des niedern Volks der alte Rock, weiter und faltiger geworden und über den Hüften aufge- bunden, völlig erſtarrt und hier und da beim Landvolk oder über- haupt beim Arbeiter in der Form der Blouſe oder des Polhemdes ſich durch alle Jahrhunderte erhalten hat, um im neunzehnten ſelbſt noch eine Rolle zu ſpielen. Schon zu den Zeiten Kaiſer Heinrichs II. (1002—1024) iſt in der Friedenstracht die längere Tunica vorherrſchend. Er ſelbſt trägt ſie durchgängig. Es exiſti- ren mehrere Miniaturbilder von ihm, von denen zwei, in einem Miſſale befindlich, welches er ſelbſt dem Domſchatz zu Aachen ge- ſchenkt hat, wie nach der Natur gemacht ſind. Beide Darſtellun- gen zeigen zwar manche Verſchiedenheiten, aber in leicht erklärli- cher Weiſe. Die eine, welche ihn auf dem Throne ſitzend in höch- ſtem Ornat darſtellt, ahmt in der Verzierung die Auszeichnung der griechiſchen Kaiſerfamilie nach, deren Kleidung mit großen, farbig verzierten goldenen Scheiben geſchmückt war, ein Vorrecht, deſſen ſchon oben gedacht wurde. Dieſe Scheiben ſehen wir auch beim Kaiſer Heinrich auf den Schultern und beiden Knieen. Sonſt ſind Tunica und Purpurmantel von breiten, mit Edelſteinen be- ſetzten Streifen umſäumt, und gleiche Vorſtöße haben auch die Aermel an den Händen. Die Schuhe ſind ebenfalls golden, mit Edelſteinen beſetzt und mit einem goldenen Riemen gehalten. Die enge rothe Beinbekleidung iſt mit dunkelrothen Linien carrirt. Auf dem Haupt ruht eine breite, reich verzierte Krone mit vierfa-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/80>, abgerufen am 26.11.2024.