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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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3. Die Verschmelzung der verschiedenartigen Elemente.
solche Menge von Strohhüten, welche er ihm darbieten könne,
wie weder er noch sein Vater je gesehen. Und wirklich fand sich,
obgleich das Heer sehr stark war, nämlich 32 Legionen, niemand,
der nicht eine solche Kopfbedeckung trug, einige wenige ausge-
nommen." Es soll diese Ausnahme der Abt von Corvey mit
dreien seiner Begleiter gemacht haben. Wir wollen uns nicht die
Mühe geben, das Räthselhafte dieser Geschichte aufzulösen; wir
werden den sächsischen Strohhüten später wieder begegnen. --
Im elften Jahrhundert geben einzelne Bilder Beispiele von Kopf-
bedeckungen. Krieger sowohl wie Leute des Friedens tragen zu-
weilen eine Mütze, welche dem Kopfe eng anliegt und mit einer
umgebogenen Spitze völlig der bekannten phrygischen gleicht, doch
von festerem Stoffe zu sein scheint und auch, mit Eisen beschla-
gen, in dieser Zeit wirklich als Helm dient, --

Es scheint nicht, als ob unter den späteren Ottonen die
mannigfachen Beziehungen, in welchen sie mit dem griechischen
Reiche standen, und durch deren Einfluß man in andern Zwei-
gen der Cultur mancherlei Erscheinungen zu erklären versucht,
auf die höfischen oder vornehmen Trachten in Deutschland von
erheblicher Wirkung gewesen seien. Denn wie wir dieselben aus
dem Stuttgarter Psalterium haben kennen lernen, so finden wir
sie funfzig Jahr später in einem Evangelienbuche, welches Otto III.
etwa ums Jahr 1000 dem Domschatz zu Aachen schenkte, fast un-
verändert wieder. Nur den Edelsteinbesatz vermissen wir, der
übrigens noch keineswegs aus der Zeit verschwunden war. Auf
einem Miniaturbilde dieser Handschrift sitzt Otto III., der Sohn
der griechischen Theophanie, auf dem Thron, mit kurzem Haar
und jugendlich bartlosem Gesicht, einen goldenen, mit Perlen be-
setzten Kronenreif auf dem Haupt, angethan mit einer bis auf die
Füße herabfallenden Tunica, die nicht enger und nicht weiter ist,
als wir sie bisher haben kennen lernen; sie ist von blauer Farbe,
einfach und ungegürtet; ein rother Mantel ist auf der rechten
Schulter befestigt, und nach hinten zurückgeschlagen; die engen
braunen Beinkleider stecken in blaßrothen, nicht hoch hinaufrei-
chenden Stiefeln, an welchen eine Reihe weißer Punkte, vielleicht

3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente.
ſolche Menge von Strohhüten, welche er ihm darbieten könne,
wie weder er noch ſein Vater je geſehen. Und wirklich fand ſich,
obgleich das Heer ſehr ſtark war, nämlich 32 Legionen, niemand,
der nicht eine ſolche Kopfbedeckung trug, einige wenige ausge-
nommen.“ Es ſoll dieſe Ausnahme der Abt von Corvey mit
dreien ſeiner Begleiter gemacht haben. Wir wollen uns nicht die
Mühe geben, das Räthſelhafte dieſer Geſchichte aufzulöſen; wir
werden den ſächſiſchen Strohhüten ſpäter wieder begegnen. —
Im elften Jahrhundert geben einzelne Bilder Beiſpiele von Kopf-
bedeckungen. Krieger ſowohl wie Leute des Friedens tragen zu-
weilen eine Mütze, welche dem Kopfe eng anliegt und mit einer
umgebogenen Spitze völlig der bekannten phrygiſchen gleicht, doch
von feſterem Stoffe zu ſein ſcheint und auch, mit Eiſen beſchla-
gen, in dieſer Zeit wirklich als Helm dient, —

Es ſcheint nicht, als ob unter den ſpäteren Ottonen die
mannigfachen Beziehungen, in welchen ſie mit dem griechiſchen
Reiche ſtanden, und durch deren Einfluß man in andern Zwei-
gen der Cultur mancherlei Erſcheinungen zu erklären verſucht,
auf die höfiſchen oder vornehmen Trachten in Deutſchland von
erheblicher Wirkung geweſen ſeien. Denn wie wir dieſelben aus
dem Stuttgarter Pſalterium haben kennen lernen, ſo finden wir
ſie funfzig Jahr ſpäter in einem Evangelienbuche, welches Otto III.
etwa ums Jahr 1000 dem Domſchatz zu Aachen ſchenkte, faſt un-
verändert wieder. Nur den Edelſteinbeſatz vermiſſen wir, der
übrigens noch keineswegs aus der Zeit verſchwunden war. Auf
einem Miniaturbilde dieſer Handſchrift ſitzt Otto III., der Sohn
der griechiſchen Theophanie, auf dem Thron, mit kurzem Haar
und jugendlich bartloſem Geſicht, einen goldenen, mit Perlen be-
ſetzten Kronenreif auf dem Haupt, angethan mit einer bis auf die
Füße herabfallenden Tunica, die nicht enger und nicht weiter iſt,
als wir ſie bisher haben kennen lernen; ſie iſt von blauer Farbe,
einfach und ungegürtet; ein rother Mantel iſt auf der rechten
Schulter befeſtigt, und nach hinten zurückgeſchlagen; die engen
braunen Beinkleider ſtecken in blaßrothen, nicht hoch hinaufrei-
chenden Stiefeln, an welchen eine Reihe weißer Punkte, vielleicht

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[61/0079] 3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente. ſolche Menge von Strohhüten, welche er ihm darbieten könne, wie weder er noch ſein Vater je geſehen. Und wirklich fand ſich, obgleich das Heer ſehr ſtark war, nämlich 32 Legionen, niemand, der nicht eine ſolche Kopfbedeckung trug, einige wenige ausge- nommen.“ Es ſoll dieſe Ausnahme der Abt von Corvey mit dreien ſeiner Begleiter gemacht haben. Wir wollen uns nicht die Mühe geben, das Räthſelhafte dieſer Geſchichte aufzulöſen; wir werden den ſächſiſchen Strohhüten ſpäter wieder begegnen. — Im elften Jahrhundert geben einzelne Bilder Beiſpiele von Kopf- bedeckungen. Krieger ſowohl wie Leute des Friedens tragen zu- weilen eine Mütze, welche dem Kopfe eng anliegt und mit einer umgebogenen Spitze völlig der bekannten phrygiſchen gleicht, doch von feſterem Stoffe zu ſein ſcheint und auch, mit Eiſen beſchla- gen, in dieſer Zeit wirklich als Helm dient, — Es ſcheint nicht, als ob unter den ſpäteren Ottonen die mannigfachen Beziehungen, in welchen ſie mit dem griechiſchen Reiche ſtanden, und durch deren Einfluß man in andern Zwei- gen der Cultur mancherlei Erſcheinungen zu erklären verſucht, auf die höfiſchen oder vornehmen Trachten in Deutſchland von erheblicher Wirkung geweſen ſeien. Denn wie wir dieſelben aus dem Stuttgarter Pſalterium haben kennen lernen, ſo finden wir ſie funfzig Jahr ſpäter in einem Evangelienbuche, welches Otto III. etwa ums Jahr 1000 dem Domſchatz zu Aachen ſchenkte, faſt un- verändert wieder. Nur den Edelſteinbeſatz vermiſſen wir, der übrigens noch keineswegs aus der Zeit verſchwunden war. Auf einem Miniaturbilde dieſer Handſchrift ſitzt Otto III., der Sohn der griechiſchen Theophanie, auf dem Thron, mit kurzem Haar und jugendlich bartloſem Geſicht, einen goldenen, mit Perlen be- ſetzten Kronenreif auf dem Haupt, angethan mit einer bis auf die Füße herabfallenden Tunica, die nicht enger und nicht weiter iſt, als wir ſie bisher haben kennen lernen; ſie iſt von blauer Farbe, einfach und ungegürtet; ein rother Mantel iſt auf der rechten Schulter befeſtigt, und nach hinten zurückgeſchlagen; die engen braunen Beinkleider ſtecken in blaßrothen, nicht hoch hinaufrei- chenden Stiefeln, an welchen eine Reihe weißer Punkte, vielleicht

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/79>, abgerufen am 24.04.2024.