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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
teriums bildet die enge, anschließende Hose, welche entweder auch
die Füße bedeckt, oder, was gewöhnlicher ist, in Stiefeln steckt,
die bis zur halben Wade hinaufgehen, wo der Rand ein wenig
umgelegt oder zur Zierde ausgezackt ist. Nur der König und die
Frauen tragen Schuhe, jener goldene. Die Stiefeln sind von sehr
mannigfacher und lebhafter Farbe, z. B. roth, grün, blau, ohne
im Uebrigen geschmückt zu sein, ja was noch merkwürdiger ist, es
zeigt sich hier schon an den Stiefeln wie überhaupt an der Bein-
bekleidung die später so beliebte getheilte Anwendung zweier Far-
ben, das s. g. mi-parti, wonach die vordere oder die hintere,
die rechte oder die linke Seite eine verschiedene Farbe tragen. So
sind die Stiefel eines Kriegers vorn roth und hinten violett;
König David, der auf diesen Bildern die Harfe spielend in der
Tracht der Zeit erscheint, trägt die Bekleidung des rechten Beines
vorne roth und hinten blau, und die des linken umgekehrt, eine
Theilung, welche sich, da der König keine Stiefeln trägt, bis auf
die Fußspitzen fortsetzt. Auch ein anderer König trägt sich also;
sein rechtes Bein ist vorne roth und hinten grün, das linke um-
gekehrt.

Das Haar ist auf denselben Bildern bei Männern hohen
und niedern Standes auf gleiche Weise in mäßiger Kürze gehal-
ten, daß es nie auf die Schultern oder über den Nacken fällt.
Der Kopf ist übrigens, die gekrönten Häupter ausgenommen,
unbedeckt. Wir wissen aber aus Liutprand, daß Kaiser Otto I.
einen Hut trägt, und er wird auch beim Volke keine Seltenheit
gewesen sein, wenn es auch immerhin bemerkenswerth bleibt, daß
auf allen Bildern sich keine andere männliche Kopfbedeckung fin-
det als Kronen und Helme. Auch die schriftlichen Quellen geben
keine Anhaltspunkte, nur Widukind weiß von den Strohhüten
seiner Sachsen eine wunderliche Geschichte zu erzählen. Als Kö-
nig Otto I. -- es war im Jahr 946 -- gegen Frankreich zog,
verhöhnte der Herzog Hugo ihn und die Sachsen, "daß sie un-
kriegerisch seien, und daß er leicht mit einem einzigen Zuge sieben
Speere der Sachsen verschlucken könne. Darob gab der König,"
so erzählt Widukind weiter, "die berühmte Antwort: er habe eine

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
teriums bildet die enge, anſchließende Hoſe, welche entweder auch
die Füße bedeckt, oder, was gewöhnlicher iſt, in Stiefeln ſteckt,
die bis zur halben Wade hinaufgehen, wo der Rand ein wenig
umgelegt oder zur Zierde ausgezackt iſt. Nur der König und die
Frauen tragen Schuhe, jener goldene. Die Stiefeln ſind von ſehr
mannigfacher und lebhafter Farbe, z. B. roth, grün, blau, ohne
im Uebrigen geſchmückt zu ſein, ja was noch merkwürdiger iſt, es
zeigt ſich hier ſchon an den Stiefeln wie überhaupt an der Bein-
bekleidung die ſpäter ſo beliebte getheilte Anwendung zweier Far-
ben, das ſ. g. mi-parti, wonach die vordere oder die hintere,
die rechte oder die linke Seite eine verſchiedene Farbe tragen. So
ſind die Stiefel eines Kriegers vorn roth und hinten violett;
König David, der auf dieſen Bildern die Harfe ſpielend in der
Tracht der Zeit erſcheint, trägt die Bekleidung des rechten Beines
vorne roth und hinten blau, und die des linken umgekehrt, eine
Theilung, welche ſich, da der König keine Stiefeln trägt, bis auf
die Fußſpitzen fortſetzt. Auch ein anderer König trägt ſich alſo;
ſein rechtes Bein iſt vorne roth und hinten grün, das linke um-
gekehrt.

Das Haar iſt auf denſelben Bildern bei Männern hohen
und niedern Standes auf gleiche Weiſe in mäßiger Kürze gehal-
ten, daß es nie auf die Schultern oder über den Nacken fällt.
Der Kopf iſt übrigens, die gekrönten Häupter ausgenommen,
unbedeckt. Wir wiſſen aber aus Liutprand, daß Kaiſer Otto I.
einen Hut trägt, und er wird auch beim Volke keine Seltenheit
geweſen ſein, wenn es auch immerhin bemerkenswerth bleibt, daß
auf allen Bildern ſich keine andere männliche Kopfbedeckung fin-
det als Kronen und Helme. Auch die ſchriftlichen Quellen geben
keine Anhaltspunkte, nur Widukind weiß von den Strohhüten
ſeiner Sachſen eine wunderliche Geſchichte zu erzählen. Als Kö-
nig Otto I. — es war im Jahr 946 — gegen Frankreich zog,
verhöhnte der Herzog Hugo ihn und die Sachſen, „daß ſie un-
kriegeriſch ſeien, und daß er leicht mit einem einzigen Zuge ſieben
Speere der Sachſen verſchlucken könne. Darob gab der König,“
ſo erzählt Widukind weiter, „die berühmte Antwort: er habe eine

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[60/0078] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. teriums bildet die enge, anſchließende Hoſe, welche entweder auch die Füße bedeckt, oder, was gewöhnlicher iſt, in Stiefeln ſteckt, die bis zur halben Wade hinaufgehen, wo der Rand ein wenig umgelegt oder zur Zierde ausgezackt iſt. Nur der König und die Frauen tragen Schuhe, jener goldene. Die Stiefeln ſind von ſehr mannigfacher und lebhafter Farbe, z. B. roth, grün, blau, ohne im Uebrigen geſchmückt zu ſein, ja was noch merkwürdiger iſt, es zeigt ſich hier ſchon an den Stiefeln wie überhaupt an der Bein- bekleidung die ſpäter ſo beliebte getheilte Anwendung zweier Far- ben, das ſ. g. mi-parti, wonach die vordere oder die hintere, die rechte oder die linke Seite eine verſchiedene Farbe tragen. So ſind die Stiefel eines Kriegers vorn roth und hinten violett; König David, der auf dieſen Bildern die Harfe ſpielend in der Tracht der Zeit erſcheint, trägt die Bekleidung des rechten Beines vorne roth und hinten blau, und die des linken umgekehrt, eine Theilung, welche ſich, da der König keine Stiefeln trägt, bis auf die Fußſpitzen fortſetzt. Auch ein anderer König trägt ſich alſo; ſein rechtes Bein iſt vorne roth und hinten grün, das linke um- gekehrt. Das Haar iſt auf denſelben Bildern bei Männern hohen und niedern Standes auf gleiche Weiſe in mäßiger Kürze gehal- ten, daß es nie auf die Schultern oder über den Nacken fällt. Der Kopf iſt übrigens, die gekrönten Häupter ausgenommen, unbedeckt. Wir wiſſen aber aus Liutprand, daß Kaiſer Otto I. einen Hut trägt, und er wird auch beim Volke keine Seltenheit geweſen ſein, wenn es auch immerhin bemerkenswerth bleibt, daß auf allen Bildern ſich keine andere männliche Kopfbedeckung fin- det als Kronen und Helme. Auch die ſchriftlichen Quellen geben keine Anhaltspunkte, nur Widukind weiß von den Strohhüten ſeiner Sachſen eine wunderliche Geſchichte zu erzählen. Als Kö- nig Otto I. — es war im Jahr 946 — gegen Frankreich zog, verhöhnte der Herzog Hugo ihn und die Sachſen, „daß ſie un- kriegeriſch ſeien, und daß er leicht mit einem einzigen Zuge ſieben Speere der Sachſen verſchlucken könne. Darob gab der König,“ ſo erzählt Widukind weiter, „die berühmte Antwort: er habe eine

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/78>, abgerufen am 24.04.2024.