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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
am Hofe des frommen Ludwig nichts Seltnes war. Seine
Güte wurde aber arg mißbraucht, denn die Dänen, durch die
reichen Geschenke und kostbaren Gewänder gelockt, kamen in gan-
zen Schaaren und unterzogen sich, dieselben Personen, alljährlich
einmal der Ceremonie. Einer von ihnen hatte das schon zwanzig
Jahre getrieben, da ereignete es sich einmal, daß die Zahl der
Täuflinge zu stark war, und der Vorrath der Gewänder nicht
mehr zureichte; man zerschnitt nun beliebigen Stoff und fügte
daraus in aller Eile die Kleider grob zusammen. Da ein solches
auch jenem Dänen umgelegt wurde, betrachtete er es lange und
sprach dann zum Kaiser: "Schon zwanzig Mal bin ich hier geba-
det und jedes Mal mit den besten weißen Gewändern angethan,
und da erhalte ich jetzt einen solchen Sack, der sich nicht für Rit-
ter, sondern für Sauhirten paßt, und schämte ich mich nicht mei-
ner Blöße, wenn ich, meiner Kleider beraubt, mich mit den von
dir gegebenen nicht bedecken wollte, so würde ich dein Gewand
dir und deinem Christus überlassen." -- Zur Taufkleidung ge-
hörte stets ein weißes leinenes Kleid, für Männer wie für
Frauen, welches der Pathe oder die Pathin dem Täufling nicht
bloß schenkte, sondern auch selbst anlegte. Nach der Taufe aber
erfolgte im Palaste die eigentliche Bescherung, welche Hermoldus
Nigellus in seinem Lobgedicht auf Ludwig den Frommen bei Ge-
legenheit der Taufe des Dänenfürsten Herold und seiner Ge-
mahlin in einer für uns sehr interessanten Weise beschreibt. Wir
theilen darum die Stelle mit:

Herold, in weißem Gewand und im Inneren wiedergeboren,
Geht in das stattliche Haus, seines Gevatters Palast;
Und der erhabene Kaiser beschenkt ihn mit herrlichen Gaben,
Wie sie das fränkische Land nur zu erzeugen vermag,
Schenkt ihm den Mantel, geschmückt mit Edelgestein und mit Purpur,
Welchen im Kreise herum golden die Borten umziehn,
Hänget das leuchtende Schwert, das er selber, der Kaiser, getragen,
Ihm an die Seite, geschmückt fürstlich mit goldnem Gehenk.
Goldene Spangen darauf umstricken beide die Arme,
Um die Hüften der Gurt leuchtet von edlem Gestein.
Setzt auf das Haupt ihm auch, wie sich ziemt, die goldene Krone,
Und an die Füße sodann legt er den goldenen Sporn.

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
am Hofe des frommen Ludwig nichts Seltnes war. Seine
Güte wurde aber arg mißbraucht, denn die Dänen, durch die
reichen Geſchenke und koſtbaren Gewänder gelockt, kamen in gan-
zen Schaaren und unterzogen ſich, dieſelben Perſonen, alljährlich
einmal der Ceremonie. Einer von ihnen hatte das ſchon zwanzig
Jahre getrieben, da ereignete es ſich einmal, daß die Zahl der
Täuflinge zu ſtark war, und der Vorrath der Gewänder nicht
mehr zureichte; man zerſchnitt nun beliebigen Stoff und fügte
daraus in aller Eile die Kleider grob zuſammen. Da ein ſolches
auch jenem Dänen umgelegt wurde, betrachtete er es lange und
ſprach dann zum Kaiſer: „Schon zwanzig Mal bin ich hier geba-
det und jedes Mal mit den beſten weißen Gewändern angethan,
und da erhalte ich jetzt einen ſolchen Sack, der ſich nicht für Rit-
ter, ſondern für Sauhirten paßt, und ſchämte ich mich nicht mei-
ner Blöße, wenn ich, meiner Kleider beraubt, mich mit den von
dir gegebenen nicht bedecken wollte, ſo würde ich dein Gewand
dir und deinem Chriſtus überlaſſen.“ — Zur Taufkleidung ge-
hörte ſtets ein weißes leinenes Kleid, für Männer wie für
Frauen, welches der Pathe oder die Pathin dem Täufling nicht
bloß ſchenkte, ſondern auch ſelbſt anlegte. Nach der Taufe aber
erfolgte im Palaſte die eigentliche Beſcherung, welche Hermoldus
Nigellus in ſeinem Lobgedicht auf Ludwig den Frommen bei Ge-
legenheit der Taufe des Dänenfürſten Herold und ſeiner Ge-
mahlin in einer für uns ſehr intereſſanten Weiſe beſchreibt. Wir
theilen darum die Stelle mit:

Herold, in weißem Gewand und im Inneren wiedergeboren,
Geht in das ſtattliche Haus, ſeines Gevatters Palaſt;
Und der erhabene Kaiſer beſchenkt ihn mit herrlichen Gaben,
Wie ſie das fränkiſche Land nur zu erzeugen vermag,
Schenkt ihm den Mantel, geſchmückt mit Edelgeſtein und mit Purpur,
Welchen im Kreiſe herum golden die Borten umziehn,
Hänget das leuchtende Schwert, das er ſelber, der Kaiſer, getragen,
Ihm an die Seite, geſchmückt fürſtlich mit goldnem Gehenk.
Goldene Spangen darauf umſtricken beide die Arme,
Um die Hüften der Gurt leuchtet von edlem Geſtein.
Setzt auf das Haupt ihm auch, wie ſich ziemt, die goldene Krone,
Und an die Füße ſodann legt er den goldenen Sporn.
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[42/0060] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. am Hofe des frommen Ludwig nichts Seltnes war. Seine Güte wurde aber arg mißbraucht, denn die Dänen, durch die reichen Geſchenke und koſtbaren Gewänder gelockt, kamen in gan- zen Schaaren und unterzogen ſich, dieſelben Perſonen, alljährlich einmal der Ceremonie. Einer von ihnen hatte das ſchon zwanzig Jahre getrieben, da ereignete es ſich einmal, daß die Zahl der Täuflinge zu ſtark war, und der Vorrath der Gewänder nicht mehr zureichte; man zerſchnitt nun beliebigen Stoff und fügte daraus in aller Eile die Kleider grob zuſammen. Da ein ſolches auch jenem Dänen umgelegt wurde, betrachtete er es lange und ſprach dann zum Kaiſer: „Schon zwanzig Mal bin ich hier geba- det und jedes Mal mit den beſten weißen Gewändern angethan, und da erhalte ich jetzt einen ſolchen Sack, der ſich nicht für Rit- ter, ſondern für Sauhirten paßt, und ſchämte ich mich nicht mei- ner Blöße, wenn ich, meiner Kleider beraubt, mich mit den von dir gegebenen nicht bedecken wollte, ſo würde ich dein Gewand dir und deinem Chriſtus überlaſſen.“ — Zur Taufkleidung ge- hörte ſtets ein weißes leinenes Kleid, für Männer wie für Frauen, welches der Pathe oder die Pathin dem Täufling nicht bloß ſchenkte, ſondern auch ſelbſt anlegte. Nach der Taufe aber erfolgte im Palaſte die eigentliche Beſcherung, welche Hermoldus Nigellus in ſeinem Lobgedicht auf Ludwig den Frommen bei Ge- legenheit der Taufe des Dänenfürſten Herold und ſeiner Ge- mahlin in einer für uns ſehr intereſſanten Weiſe beſchreibt. Wir theilen darum die Stelle mit: Herold, in weißem Gewand und im Inneren wiedergeboren, Geht in das ſtattliche Haus, ſeines Gevatters Palaſt; Und der erhabene Kaiſer beſchenkt ihn mit herrlichen Gaben, Wie ſie das fränkiſche Land nur zu erzeugen vermag, Schenkt ihm den Mantel, geſchmückt mit Edelgeſtein und mit Purpur, Welchen im Kreiſe herum golden die Borten umziehn, Hänget das leuchtende Schwert, das er ſelber, der Kaiſer, getragen, Ihm an die Seite, geſchmückt fürſtlich mit goldnem Gehenk. Goldene Spangen darauf umſtricken beide die Arme, Um die Hüften der Gurt leuchtet von edlem Geſtein. Setzt auf das Haupt ihm auch, wie ſich ziemt, die goldene Krone, Und an die Füße ſodann legt er den goldenen Sporn.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/60>, abgerufen am 27.04.2024.