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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
lernen, fährt er fort: "Ihre Kleidung war weit und meist leinen,
wie sie die Angelsachsen tragen, zum Schmuck mit breiten Strei-
fen von anderer Farbe besetzt. Ihre Schuhe waren oben fast bis
zur großen Zehe offen und mit herübergezogenen ledernen Nesteln
zusammengehalten. Nachher aber fingen sie an Hosen zu tragen,
über die sie beim Reiten wollene Gamaschen zogen; diese Tracht
haben sie indeß erst von den Römern angenommen." Das muß
aber nicht lange darnach geschehen sein, denn es wird von König
Adelwald, dem Sohne Agilulfs und der Theudelinde (616[--]626),
versichert, daß er es gewesen sei, der zuerst Hosen getragen. Fer-
ner geschieht noch im 7. Jahrhundert der Hose bei den Lango-
barden ausdrückliche Erwähnung, indem erzählt wird, daß ein
Geistlicher, der Diaconus Thomas, einst zum Tyrannen Alahis,
welcher keineswegs der Geistlichkeit freundlich gesinnt war, ge-
kommen sei und um eine Audienz gebeten; dieser aber habe ihn
nur dann vorlassen wollen, wenn er saubere Hosen anhabe, und
erst auf die Versicherung, am Morgen frischgewaschene angezogen
zu haben, sei er wirklich vorgelassen worden. Aus dieser Erzäh-
lung können wir zugleich schließen, daß der Stoff Leinwand war.

In der obigen Beschreibung des Paulus tritt der langobar-
dische Rock als ein weiter in Gegensatz zu dem engen altgermani-
schen; er erscheint dadurch völlig der römischen Tunica ähnlich,
und nicht ohne Grund wird man auf italische Einflüsse, die das
Klima begünstigte, schließen können. Freilich wird auch dasselbe
von den Angelsachsen ausgesagt, und anderswo werden die alten
Sachsen aus demselben Grunde den Franken gegenüber gestellt.
So scheint es in der That, als ob bei diesem Stamme eine grö-
ßere Weite der Kleidung eine nationale Eigenthümlichkeit gewe-
sen sei. In den illustrirten Handschriften der Angelsachsen, die
fast gleichzeitigen oder doch nicht viel späteren Ursprungs sind,
trägt das gewöhnliche Volk eine kurze, mäßig weite Aermeltunica
mit kurzem Mantel, der Vornehme aber bei feierlichen Gelegen-
heiten Unter- und Oberkleid lang, weit und wallend. Als die
Sachsen in der Geschichte auftreten, sollen sie, späteren Nach-
richten zufolge, eine weite, doch kurze Tunica getragen haben,

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
lernen, fährt er fort: „Ihre Kleidung war weit und meiſt leinen,
wie ſie die Angelſachſen tragen, zum Schmuck mit breiten Strei-
fen von anderer Farbe beſetzt. Ihre Schuhe waren oben faſt bis
zur großen Zehe offen und mit herübergezogenen ledernen Neſteln
zuſammengehalten. Nachher aber fingen ſie an Hoſen zu tragen,
über die ſie beim Reiten wollene Gamaſchen zogen; dieſe Tracht
haben ſie indeß erſt von den Römern angenommen.“ Das muß
aber nicht lange darnach geſchehen ſein, denn es wird von König
Adelwald, dem Sohne Agilulfs und der Theudelinde (616[—]626),
verſichert, daß er es geweſen ſei, der zuerſt Hoſen getragen. Fer-
ner geſchieht noch im 7. Jahrhundert der Hoſe bei den Lango-
barden ausdrückliche Erwähnung, indem erzählt wird, daß ein
Geiſtlicher, der Diaconus Thomas, einſt zum Tyrannen Alahis,
welcher keineswegs der Geiſtlichkeit freundlich geſinnt war, ge-
kommen ſei und um eine Audienz gebeten; dieſer aber habe ihn
nur dann vorlaſſen wollen, wenn er ſaubere Hoſen anhabe, und
erſt auf die Verſicherung, am Morgen friſchgewaſchene angezogen
zu haben, ſei er wirklich vorgelaſſen worden. Aus dieſer Erzäh-
lung können wir zugleich ſchließen, daß der Stoff Leinwand war.

In der obigen Beſchreibung des Paulus tritt der langobar-
diſche Rock als ein weiter in Gegenſatz zu dem engen altgermani-
ſchen; er erſcheint dadurch völlig der römiſchen Tunica ähnlich,
und nicht ohne Grund wird man auf italiſche Einflüſſe, die das
Klima begünſtigte, ſchließen können. Freilich wird auch daſſelbe
von den Angelſachſen ausgeſagt, und anderswo werden die alten
Sachſen aus demſelben Grunde den Franken gegenüber geſtellt.
So ſcheint es in der That, als ob bei dieſem Stamme eine grö-
ßere Weite der Kleidung eine nationale Eigenthümlichkeit gewe-
ſen ſei. In den illuſtrirten Handſchriften der Angelſachſen, die
faſt gleichzeitigen oder doch nicht viel ſpäteren Urſprungs ſind,
trägt das gewöhnliche Volk eine kurze, mäßig weite Aermeltunica
mit kurzem Mantel, der Vornehme aber bei feierlichen Gelegen-
heiten Unter- und Oberkleid lang, weit und wallend. Als die
Sachſen in der Geſchichte auftreten, ſollen ſie, ſpäteren Nach-
richten zufolge, eine weite, doch kurze Tunica getragen haben,

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[24/0042] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. lernen, fährt er fort: „Ihre Kleidung war weit und meiſt leinen, wie ſie die Angelſachſen tragen, zum Schmuck mit breiten Strei- fen von anderer Farbe beſetzt. Ihre Schuhe waren oben faſt bis zur großen Zehe offen und mit herübergezogenen ledernen Neſteln zuſammengehalten. Nachher aber fingen ſie an Hoſen zu tragen, über die ſie beim Reiten wollene Gamaſchen zogen; dieſe Tracht haben ſie indeß erſt von den Römern angenommen.“ Das muß aber nicht lange darnach geſchehen ſein, denn es wird von König Adelwald, dem Sohne Agilulfs und der Theudelinde (616—626), verſichert, daß er es geweſen ſei, der zuerſt Hoſen getragen. Fer- ner geſchieht noch im 7. Jahrhundert der Hoſe bei den Lango- barden ausdrückliche Erwähnung, indem erzählt wird, daß ein Geiſtlicher, der Diaconus Thomas, einſt zum Tyrannen Alahis, welcher keineswegs der Geiſtlichkeit freundlich geſinnt war, ge- kommen ſei und um eine Audienz gebeten; dieſer aber habe ihn nur dann vorlaſſen wollen, wenn er ſaubere Hoſen anhabe, und erſt auf die Verſicherung, am Morgen friſchgewaſchene angezogen zu haben, ſei er wirklich vorgelaſſen worden. Aus dieſer Erzäh- lung können wir zugleich ſchließen, daß der Stoff Leinwand war. In der obigen Beſchreibung des Paulus tritt der langobar- diſche Rock als ein weiter in Gegenſatz zu dem engen altgermani- ſchen; er erſcheint dadurch völlig der römiſchen Tunica ähnlich, und nicht ohne Grund wird man auf italiſche Einflüſſe, die das Klima begünſtigte, ſchließen können. Freilich wird auch daſſelbe von den Angelſachſen ausgeſagt, und anderswo werden die alten Sachſen aus demſelben Grunde den Franken gegenüber geſtellt. So ſcheint es in der That, als ob bei dieſem Stamme eine grö- ßere Weite der Kleidung eine nationale Eigenthümlichkeit gewe- ſen ſei. In den illuſtrirten Handſchriften der Angelſachſen, die faſt gleichzeitigen oder doch nicht viel ſpäteren Urſprungs ſind, trägt das gewöhnliche Volk eine kurze, mäßig weite Aermeltunica mit kurzem Mantel, der Vornehme aber bei feierlichen Gelegen- heiten Unter- und Oberkleid lang, weit und wallend. Als die Sachſen in der Geſchichte auftreten, ſollen ſie, ſpäteren Nach- richten zufolge, eine weite, doch kurze Tunica getragen haben,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/42>, abgerufen am 28.03.2024.