2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen.
die Burgunder noch völlig in altnationaler Tracht, nur der Kö- nigssohn kann mit seinem weißseidenen Mantel den fremden Ein- fluß nicht verleugnen.
Derselbe Bischof Sidonius beschreibt an einer andern Stelle die Westgothen, wie sie in ihrer gewöhnlichen Kleidung zur Volksversammlung kommen, in schmutzigen leinenen Kleidern, über welche Pelze bis zur Wade herabfallen, mit nackten Beinen und Schuhen von Pferdeleder, die ein ärmlicher Knoten festbin- det. Ihre Kleidung hat also noch nichts Fremdes, doch ist der leinene Rock, den Tacitus als die besondere Tracht des Reichen kennt, allgemein geworden.
Ungefähr ein Jahrhundert später unterscheidet sich die Tracht der Langobarden von den ursprünglichen Grundzügen in mehrfach auffallender Weise. In der Zeit, als sie nach Italien kamen, trugen sie weiße Strümpfe, die bis zum Knie reichten. Denn als der junge Alboin, des Königs Sohn, nach der großen Schlacht auf der Asfeldheide, wo er den ältesten Sohn des Ge- pidenkönigs getödtet hatte, zu diesem seinem Feinde gekommen war, um sich von ihm, wie es der langobardische Brauch for- derte, als von einem fremden Fürsten die Waffen anlegen zu las- sen, da spottete, während sie beim Mahle saßen, des Erschlagenen Bruder der Langobarden und rief: "das sind die fruchtbarsten Stuten, denen ihr gleicht." Er meinte aber diejenigen Stuten, die bis zum Beine weiße Füße haben, weil die Langobarden von den Waden abwärts weiße Strümpfe trugen. -- Ein wenig spä- ter, als jedoch die Langobarden bereits eine Zeit in Italien an- sessig waren, giebt Paulus Diaconus der Unterschiede noch meh- rere. Die Königin Theudelinde baute als Gemahlin Agilulfs im Beginn des 7. Jahrhunderts einen Palast zu Monza und ließ ihn mit Gegenständen aus der langobardischen Geschichte aus- malen. Leider sind dieselben nicht mehr im alten Zustand vor- handen. "Auf diesen Gemälden sieht man deutlich," sagt Pau- lus, "wie sich die Langobarden zu der Zeit das Haupthaar scho- ren und wie ihre Tracht und ihr Aussehen war." Nachdem er das Haar beschrieben, welche Stelle wir bereits oben haben kennen
2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
die Burgunder noch völlig in altnationaler Tracht, nur der Kö- nigsſohn kann mit ſeinem weißſeidenen Mantel den fremden Ein- fluß nicht verleugnen.
Derſelbe Biſchof Sidonius beſchreibt an einer andern Stelle die Weſtgothen, wie ſie in ihrer gewöhnlichen Kleidung zur Volksverſammlung kommen, in ſchmutzigen leinenen Kleidern, über welche Pelze bis zur Wade herabfallen, mit nackten Beinen und Schuhen von Pferdeleder, die ein ärmlicher Knoten feſtbin- det. Ihre Kleidung hat alſo noch nichts Fremdes, doch iſt der leinene Rock, den Tacitus als die beſondere Tracht des Reichen kennt, allgemein geworden.
Ungefähr ein Jahrhundert ſpäter unterſcheidet ſich die Tracht der Langobarden von den urſprünglichen Grundzügen in mehrfach auffallender Weiſe. In der Zeit, als ſie nach Italien kamen, trugen ſie weiße Strümpfe, die bis zum Knie reichten. Denn als der junge Alboin, des Königs Sohn, nach der großen Schlacht auf der Asfeldheide, wo er den älteſten Sohn des Ge- pidenkönigs getödtet hatte, zu dieſem ſeinem Feinde gekommen war, um ſich von ihm, wie es der langobardiſche Brauch for- derte, als von einem fremden Fürſten die Waffen anlegen zu laſ- ſen, da ſpottete, während ſie beim Mahle ſaßen, des Erſchlagenen Bruder der Langobarden und rief: „das ſind die fruchtbarſten Stuten, denen ihr gleicht.“ Er meinte aber diejenigen Stuten, die bis zum Beine weiße Füße haben, weil die Langobarden von den Waden abwärts weiße Strümpfe trugen. — Ein wenig ſpä- ter, als jedoch die Langobarden bereits eine Zeit in Italien an- ſeſſig waren, giebt Paulus Diaconus der Unterſchiede noch meh- rere. Die Königin Theudelinde baute als Gemahlin Agilulfs im Beginn des 7. Jahrhunderts einen Palaſt zu Monza und ließ ihn mit Gegenſtänden aus der langobardiſchen Geſchichte aus- malen. Leider ſind dieſelben nicht mehr im alten Zuſtand vor- handen. „Auf dieſen Gemälden ſieht man deutlich,“ ſagt Pau- lus, „wie ſich die Langobarden zu der Zeit das Haupthaar ſcho- ren und wie ihre Tracht und ihr Ausſehen war.“ Nachdem er das Haar beſchrieben, welche Stelle wir bereits oben haben kennen
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2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
die Burgunder noch völlig in altnationaler Tracht, nur der Kö-
nigsſohn kann mit ſeinem weißſeidenen Mantel den fremden Ein-
fluß nicht verleugnen.
Derſelbe Biſchof Sidonius beſchreibt an einer andern Stelle
die Weſtgothen, wie ſie in ihrer gewöhnlichen Kleidung zur
Volksverſammlung kommen, in ſchmutzigen leinenen Kleidern,
über welche Pelze bis zur Wade herabfallen, mit nackten Beinen
und Schuhen von Pferdeleder, die ein ärmlicher Knoten feſtbin-
det. Ihre Kleidung hat alſo noch nichts Fremdes, doch iſt der
leinene Rock, den Tacitus als die beſondere Tracht des Reichen
kennt, allgemein geworden.
Ungefähr ein Jahrhundert ſpäter unterſcheidet ſich die Tracht
der Langobarden von den urſprünglichen Grundzügen in
mehrfach auffallender Weiſe. In der Zeit, als ſie nach Italien
kamen, trugen ſie weiße Strümpfe, die bis zum Knie reichten.
Denn als der junge Alboin, des Königs Sohn, nach der großen
Schlacht auf der Asfeldheide, wo er den älteſten Sohn des Ge-
pidenkönigs getödtet hatte, zu dieſem ſeinem Feinde gekommen
war, um ſich von ihm, wie es der langobardiſche Brauch for-
derte, als von einem fremden Fürſten die Waffen anlegen zu laſ-
ſen, da ſpottete, während ſie beim Mahle ſaßen, des Erſchlagenen
Bruder der Langobarden und rief: „das ſind die fruchtbarſten
Stuten, denen ihr gleicht.“ Er meinte aber diejenigen Stuten,
die bis zum Beine weiße Füße haben, weil die Langobarden von
den Waden abwärts weiße Strümpfe trugen. — Ein wenig ſpä-
ter, als jedoch die Langobarden bereits eine Zeit in Italien an-
ſeſſig waren, giebt Paulus Diaconus der Unterſchiede noch meh-
rere. Die Königin Theudelinde baute als Gemahlin Agilulfs im
Beginn des 7. Jahrhunderts einen Palaſt zu Monza und ließ
ihn mit Gegenſtänden aus der langobardiſchen Geſchichte aus-
malen. Leider ſind dieſelben nicht mehr im alten Zuſtand vor-
handen. „Auf dieſen Gemälden ſieht man deutlich,“ ſagt Pau-
lus, „wie ſich die Langobarden zu der Zeit das Haupthaar ſcho-
ren und wie ihre Tracht und ihr Ausſehen war.“ Nachdem er das
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/41>, abgerufen am 08.07.2024.
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