Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, "damit ein Unter-
schied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde." Auch der
Breslauer Rath hält es für nöthig, seinen Bürgerinnen den Zo-
bel zu verbieten. Seb. Brant sagt schon gradezu, "der Adel habe
keinen Vortheil mehr."

"Es kommt daher eines Bürgers Weib
Viel stolzer, denn eine Gräfin thut.
Wo jetzt Geld ist, da ist Hochgemuth.
Was eine Gans von der andern sicht,
Darauf ohn' Unterlaß sie dicht't,
Das muß man haben, es thut sonst weh.
Der Adel hat keinen Vortheil meh.
Man findt eines Handwerksmannes Weib
Die bessers werth trägt an dem Leib
Von Röck', Ring', Mänteln, Borten schmal,
Denn sie im Haus hat überall."

Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe sollte der Standes-
unterschied festgehalten werden und wurde auch im ganzen rit-
terlichen Leben insoweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter
und der Knappen immer um einen Grad verschieden war. Am
höchsten in Werth und Achtung stand der Sammet, und darun-
ter der goldstoffige Sammetdamast, d. i. ein gemustertes oder
figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; diesem sehr
nahe stand der carmoisinroth gefärbte. Darauf kamen die Sei-
dendamaststoffe, der figurirte und gemusterte Atlas, dann der
einfache Atlas oder Taffet und die verschiedenen Arten der Sei-
denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi-
schen Manufacturen, die zur Kleidung meist einfarbig waren, das
Tuch von Mecheln und Arras (Rasch), das lündische, von Leiden,
und schließlich als das billigste die einheimischen Gewebe. Dane-
ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts
die feine Leinwand durch den Luxus der Brusthemden zu ganz
außerordentlichem Ansehen. Die feinste kam aus Holland. Von
der deutschen Leinwand hieß es damals, daß sie nie weiß werde,
"weil die deutschen Frauen die Gewohnheit hätten, am Samstag
den Faden am Rocken zu lassen." Wenigstens sagten ihnen dies

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, „damit ein Unter-
ſchied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.“ Auch der
Breslauer Rath hält es für nöthig, ſeinen Bürgerinnen den Zo-
bel zu verbieten. Seb. Brant ſagt ſchon gradezu, „der Adel habe
keinen Vortheil mehr.“

„Es kommt daher eines Bürgers Weib
Viel ſtolzer, denn eine Gräfin thut.
Wo jetzt Geld iſt, da iſt Hochgemuth.
Was eine Gans von der andern ſicht,
Darauf ohn’ Unterlaß ſie dicht’t,
Das muß man haben, es thut ſonſt weh.
Der Adel hat keinen Vortheil meh.
Man findt eines Handwerksmannes Weib
Die beſſers werth trägt an dem Leib
Von Röck’, Ring’, Mänteln, Borten ſchmal,
Denn ſie im Haus hat überall.“

Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe ſollte der Standes-
unterſchied feſtgehalten werden und wurde auch im ganzen rit-
terlichen Leben inſoweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter
und der Knappen immer um einen Grad verſchieden war. Am
höchſten in Werth und Achtung ſtand der Sammet, und darun-
ter der goldſtoffige Sammetdamaſt, d. i. ein gemuſtertes oder
figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; dieſem ſehr
nahe ſtand der carmoiſinroth gefärbte. Darauf kamen die Sei-
dendamaſtſtoffe, der figurirte und gemuſterte Atlas, dann der
einfache Atlas oder Taffet und die verſchiedenen Arten der Sei-
denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi-
ſchen Manufacturen, die zur Kleidung meiſt einfarbig waren, das
Tuch von Mecheln und Arras (Raſch), das lündiſche, von Leiden,
und ſchließlich als das billigſte die einheimiſchen Gewebe. Dane-
ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts
die feine Leinwand durch den Luxus der Bruſthemden zu ganz
außerordentlichem Anſehen. Die feinſte kam aus Holland. Von
der deutſchen Leinwand hieß es damals, daß ſie nie weiß werde,
„weil die deutſchen Frauen die Gewohnheit hätten, am Samſtag
den Faden am Rocken zu laſſen.“ Wenigſtens ſagten ihnen dies

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0311" n="293"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/>
Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, &#x201E;damit ein Unter-<lb/>
&#x017F;chied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.&#x201C; Auch der<lb/>
Breslauer Rath hält es für nöthig, &#x017F;einen Bürgerinnen den Zo-<lb/>
bel zu verbieten. Seb. Brant &#x017F;agt &#x017F;chon gradezu, &#x201E;der Adel habe<lb/>
keinen Vortheil mehr.&#x201C;</p><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>&#x201E;Es kommt daher eines Bürgers Weib</l><lb/>
                <l>Viel &#x017F;tolzer, denn eine Gräfin thut.</l><lb/>
                <l>Wo jetzt Geld i&#x017F;t, da i&#x017F;t Hochgemuth.</l><lb/>
                <l>Was eine Gans von der andern &#x017F;icht,</l><lb/>
                <l>Darauf ohn&#x2019; Unterlaß &#x017F;ie dicht&#x2019;t,</l><lb/>
                <l>Das muß man haben, es thut &#x017F;on&#x017F;t weh.</l><lb/>
                <l>Der Adel hat keinen Vortheil meh.</l><lb/>
                <l>Man findt eines Handwerksmannes Weib</l><lb/>
                <l>Die be&#x017F;&#x017F;ers werth trägt an dem Leib</l><lb/>
                <l>Von Röck&#x2019;, Ring&#x2019;, Mänteln, Borten &#x017F;chmal,</l><lb/>
                <l>Denn &#x017F;ie im Haus hat überall.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <p>Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe &#x017F;ollte der Standes-<lb/>
unter&#x017F;chied fe&#x017F;tgehalten werden und wurde auch im ganzen rit-<lb/>
terlichen Leben in&#x017F;oweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter<lb/>
und der Knappen immer um einen Grad ver&#x017F;chieden war. Am<lb/>
höch&#x017F;ten in Werth und Achtung &#x017F;tand der Sammet, und darun-<lb/>
ter der gold&#x017F;toffige Sammetdama&#x017F;t, d. i. ein gemu&#x017F;tertes oder<lb/>
figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; die&#x017F;em &#x017F;ehr<lb/>
nahe &#x017F;tand der carmoi&#x017F;inroth gefärbte. Darauf kamen die Sei-<lb/>
dendama&#x017F;t&#x017F;toffe, der figurirte und gemu&#x017F;terte Atlas, dann der<lb/>
einfache Atlas oder Taffet und die ver&#x017F;chiedenen Arten der Sei-<lb/>
denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi-<lb/>
&#x017F;chen Manufacturen, die zur Kleidung mei&#x017F;t einfarbig waren, das<lb/>
Tuch von Mecheln und Arras (Ra&#x017F;ch), das lündi&#x017F;che, von Leiden,<lb/>
und &#x017F;chließlich als das billig&#x017F;te die einheimi&#x017F;chen Gewebe. Dane-<lb/>
ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts<lb/>
die feine Leinwand durch den Luxus der Bru&#x017F;themden zu ganz<lb/>
außerordentlichem An&#x017F;ehen. Die fein&#x017F;te kam aus Holland. Von<lb/>
der deut&#x017F;chen Leinwand hieß es damals, daß &#x017F;ie nie weiß werde,<lb/>
&#x201E;weil die deut&#x017F;chen Frauen die Gewohnheit hätten, am Sam&#x017F;tag<lb/>
den Faden am Rocken zu la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Wenig&#x017F;tens &#x017F;agten ihnen dies<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0311] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, „damit ein Unter- ſchied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.“ Auch der Breslauer Rath hält es für nöthig, ſeinen Bürgerinnen den Zo- bel zu verbieten. Seb. Brant ſagt ſchon gradezu, „der Adel habe keinen Vortheil mehr.“ „Es kommt daher eines Bürgers Weib Viel ſtolzer, denn eine Gräfin thut. Wo jetzt Geld iſt, da iſt Hochgemuth. Was eine Gans von der andern ſicht, Darauf ohn’ Unterlaß ſie dicht’t, Das muß man haben, es thut ſonſt weh. Der Adel hat keinen Vortheil meh. Man findt eines Handwerksmannes Weib Die beſſers werth trägt an dem Leib Von Röck’, Ring’, Mänteln, Borten ſchmal, Denn ſie im Haus hat überall.“ Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe ſollte der Standes- unterſchied feſtgehalten werden und wurde auch im ganzen rit- terlichen Leben inſoweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter und der Knappen immer um einen Grad verſchieden war. Am höchſten in Werth und Achtung ſtand der Sammet, und darun- ter der goldſtoffige Sammetdamaſt, d. i. ein gemuſtertes oder figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; dieſem ſehr nahe ſtand der carmoiſinroth gefärbte. Darauf kamen die Sei- dendamaſtſtoffe, der figurirte und gemuſterte Atlas, dann der einfache Atlas oder Taffet und die verſchiedenen Arten der Sei- denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi- ſchen Manufacturen, die zur Kleidung meiſt einfarbig waren, das Tuch von Mecheln und Arras (Raſch), das lündiſche, von Leiden, und ſchließlich als das billigſte die einheimiſchen Gewebe. Dane- ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts die feine Leinwand durch den Luxus der Bruſthemden zu ganz außerordentlichem Anſehen. Die feinſte kam aus Holland. Von der deutſchen Leinwand hieß es damals, daß ſie nie weiß werde, „weil die deutſchen Frauen die Gewohnheit hätten, am Samſtag den Faden am Rocken zu laſſen.“ Wenigſtens ſagten ihnen dies

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/311
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/311>, abgerufen am 22.11.2024.