Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, "damit ein Unter-schied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde." Auch der Breslauer Rath hält es für nöthig, seinen Bürgerinnen den Zo- bel zu verbieten. Seb. Brant sagt schon gradezu, "der Adel habe keinen Vortheil mehr." "Es kommt daher eines Bürgers Weib Viel stolzer, denn eine Gräfin thut. Wo jetzt Geld ist, da ist Hochgemuth. Was eine Gans von der andern sicht, Darauf ohn' Unterlaß sie dicht't, Das muß man haben, es thut sonst weh. Der Adel hat keinen Vortheil meh. Man findt eines Handwerksmannes Weib Die bessers werth trägt an dem Leib Von Röck', Ring', Mänteln, Borten schmal, Denn sie im Haus hat überall." Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe sollte der Standes- 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, „damit ein Unter-ſchied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.“ Auch der Breslauer Rath hält es für nöthig, ſeinen Bürgerinnen den Zo- bel zu verbieten. Seb. Brant ſagt ſchon gradezu, „der Adel habe keinen Vortheil mehr.“ „Es kommt daher eines Bürgers Weib Viel ſtolzer, denn eine Gräfin thut. Wo jetzt Geld iſt, da iſt Hochgemuth. Was eine Gans von der andern ſicht, Darauf ohn’ Unterlaß ſie dicht’t, Das muß man haben, es thut ſonſt weh. Der Adel hat keinen Vortheil meh. Man findt eines Handwerksmannes Weib Die beſſers werth trägt an dem Leib Von Röck’, Ring’, Mänteln, Borten ſchmal, Denn ſie im Haus hat überall.“ Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe ſollte der Standes- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0311" n="293"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, „damit ein Unter-<lb/> ſchied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.“ Auch der<lb/> Breslauer Rath hält es für nöthig, ſeinen Bürgerinnen den Zo-<lb/> bel zu verbieten. Seb. Brant ſagt ſchon gradezu, „der Adel habe<lb/> keinen Vortheil mehr.“</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Es kommt daher eines Bürgers Weib</l><lb/> <l>Viel ſtolzer, denn eine Gräfin thut.</l><lb/> <l>Wo jetzt Geld iſt, da iſt Hochgemuth.</l><lb/> <l>Was eine Gans von der andern ſicht,</l><lb/> <l>Darauf ohn’ Unterlaß ſie dicht’t,</l><lb/> <l>Das muß man haben, es thut ſonſt weh.</l><lb/> <l>Der Adel hat keinen Vortheil meh.</l><lb/> <l>Man findt eines Handwerksmannes Weib</l><lb/> <l>Die beſſers werth trägt an dem Leib</l><lb/> <l>Von Röck’, Ring’, Mänteln, Borten ſchmal,</l><lb/> <l>Denn ſie im Haus hat überall.“</l> </lg><lb/> <p>Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe ſollte der Standes-<lb/> unterſchied feſtgehalten werden und wurde auch im ganzen rit-<lb/> terlichen Leben inſoweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter<lb/> und der Knappen immer um einen Grad verſchieden war. Am<lb/> höchſten in Werth und Achtung ſtand der Sammet, und darun-<lb/> ter der goldſtoffige Sammetdamaſt, d. i. ein gemuſtertes oder<lb/> figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; dieſem ſehr<lb/> nahe ſtand der carmoiſinroth gefärbte. Darauf kamen die Sei-<lb/> dendamaſtſtoffe, der figurirte und gemuſterte Atlas, dann der<lb/> einfache Atlas oder Taffet und die verſchiedenen Arten der Sei-<lb/> denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi-<lb/> ſchen Manufacturen, die zur Kleidung meiſt einfarbig waren, das<lb/> Tuch von Mecheln und Arras (Raſch), das lündiſche, von Leiden,<lb/> und ſchließlich als das billigſte die einheimiſchen Gewebe. Dane-<lb/> ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts<lb/> die feine Leinwand durch den Luxus der Bruſthemden zu ganz<lb/> außerordentlichem Anſehen. Die feinſte kam aus Holland. Von<lb/> der deutſchen Leinwand hieß es damals, daß ſie nie weiß werde,<lb/> „weil die deutſchen Frauen die Gewohnheit hätten, am Samſtag<lb/> den Faden am Rocken zu laſſen.“ Wenigſtens ſagten ihnen dies<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0311]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Marder erlaubt, den gemeinen aber verboten, „damit ein Unter-
ſchied gehalten und die Hoffart ausgereutet werde.“ Auch der
Breslauer Rath hält es für nöthig, ſeinen Bürgerinnen den Zo-
bel zu verbieten. Seb. Brant ſagt ſchon gradezu, „der Adel habe
keinen Vortheil mehr.“
„Es kommt daher eines Bürgers Weib
Viel ſtolzer, denn eine Gräfin thut.
Wo jetzt Geld iſt, da iſt Hochgemuth.
Was eine Gans von der andern ſicht,
Darauf ohn’ Unterlaß ſie dicht’t,
Das muß man haben, es thut ſonſt weh.
Der Adel hat keinen Vortheil meh.
Man findt eines Handwerksmannes Weib
Die beſſers werth trägt an dem Leib
Von Röck’, Ring’, Mänteln, Borten ſchmal,
Denn ſie im Haus hat überall.“
Auch in Bezug auf die gewebten Stoffe ſollte der Standes-
unterſchied feſtgehalten werden und wurde auch im ganzen rit-
terlichen Leben inſoweit beobachtet, als die Kleidung der Ritter
und der Knappen immer um einen Grad verſchieden war. Am
höchſten in Werth und Achtung ſtand der Sammet, und darun-
ter der goldſtoffige Sammetdamaſt, d. i. ein gemuſtertes oder
figurirtes Gewebe aus Sammet und Goldfäden; dieſem ſehr
nahe ſtand der carmoiſinroth gefärbte. Darauf kamen die Sei-
dendamaſtſtoffe, der figurirte und gemuſterte Atlas, dann der
einfache Atlas oder Taffet und die verſchiedenen Arten der Sei-
denzeuge; endlich alle Wollengewebe namentlich der niederländi-
ſchen Manufacturen, die zur Kleidung meiſt einfarbig waren, das
Tuch von Mecheln und Arras (Raſch), das lündiſche, von Leiden,
und ſchließlich als das billigſte die einheimiſchen Gewebe. Dane-
ben aber gelangte gegen das Ende des funfzehnten Jahrhunderts
die feine Leinwand durch den Luxus der Bruſthemden zu ganz
außerordentlichem Anſehen. Die feinſte kam aus Holland. Von
der deutſchen Leinwand hieß es damals, daß ſie nie weiß werde,
„weil die deutſchen Frauen die Gewohnheit hätten, am Samſtag
den Faden am Rocken zu laſſen.“ Wenigſtens ſagten ihnen dies
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