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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
die Französinnen nach. -- In Frankreich und gewiß auch bei der
deutschen Ritterschaft -- die Gesetze deuten darauf hin -- war es
Sitte, daß, wenn der Ritter z. B. sich in Seidendamast kleidete,
der Knappe Atlas trug; hatte er aber Sammetkleidung, so
durfte der Knappe sich mit seidenem Damast zieren. Als Herzog
Philipp von Burgund im Jahr 1454 ein Fest in Lille gab, wa-
ren die Ritter, welche bei dem Banquet aufwarteten, in Damast
gekleidet, die Knappen und Edelleute in Atlas, die Knechte und
Diener aber in wollenes Tuch. Der Sammet war hier vermuth-
lich den fürstlichen Personen vorbehalten. Oefter kommen auch
Ritter in Sammet vor. So empfiehlt der König Renatus von
Sicilien in seiner Abhandlung über das Turnier für einen jeden
der aus den Rittern erwählten Turnierrichter ein langes Kleid
von Sammet, und für die beiden andern, die aus den Knappen
genommen wurden, lange Kleider von Damast. -- Matthias
von Couci erzählt in der Geschichte Karls VII. von einem Kampf,
der zwischen drei Burgundern und drei Schotten statt gefunden
habe. Auf jeder Seite seien es zwei Ritter und ein Knappe ge-
wesen, und die Ritter hätten lange Kleider von schwarzem Sam-
met getragen, mit reichem Zobel gefüttert, die Knappen aber einen
Rock von schwarzem Atlas mit einem Unterfutter, dem der an-
dern gleich. Auch die Reichsordnungen von 1497 und 1498
mühen sich ab, die kostbareren Stoffe dem Adel zu bewahren,
Sammet und Seide den Rittern und Doctoren, Goldstoff aber
den Fürsten und ihrem Haus. Wir haben oben gesehen, wie der
letztere schon früher in die Städte gedrungen war. Seide trugen
selbst die Bauern nach Seb. Brant, und den Dienstboten zu
Breslau wurde sie nebst Perlen, Sammet, Atlas und andern
Luxusartikeln "bei Strafe des Stocksitzens" verboten.

Eine andere Art von Luxus wurde mit der Farbe getrie-
ben: die üppige, phantastische Welt konnte sich nicht bunt genug
sehen. Die seltsame, verschiedenfarbige Zusammensetzung der
Kleider hatte in Beziehung auf die Austheilung der Farben eines
Wappens und in Verbindung mit dem Lehnswesen im früheren
Mittelalter einen gewissen Sinn gehabt; aus der feinen höfischen

II. Das Mittelalter.
die Franzöſinnen nach. — In Frankreich und gewiß auch bei der
deutſchen Ritterſchaft — die Geſetze deuten darauf hin — war es
Sitte, daß, wenn der Ritter z. B. ſich in Seidendamaſt kleidete,
der Knappe Atlas trug; hatte er aber Sammetkleidung, ſo
durfte der Knappe ſich mit ſeidenem Damaſt zieren. Als Herzog
Philipp von Burgund im Jahr 1454 ein Feſt in Lille gab, wa-
ren die Ritter, welche bei dem Banquet aufwarteten, in Damaſt
gekleidet, die Knappen und Edelleute in Atlas, die Knechte und
Diener aber in wollenes Tuch. Der Sammet war hier vermuth-
lich den fürſtlichen Perſonen vorbehalten. Oefter kommen auch
Ritter in Sammet vor. So empfiehlt der König Renatus von
Sicilien in ſeiner Abhandlung über das Turnier für einen jeden
der aus den Rittern erwählten Turnierrichter ein langes Kleid
von Sammet, und für die beiden andern, die aus den Knappen
genommen wurden, lange Kleider von Damaſt. — Matthias
von Couci erzählt in der Geſchichte Karls VII. von einem Kampf,
der zwiſchen drei Burgundern und drei Schotten ſtatt gefunden
habe. Auf jeder Seite ſeien es zwei Ritter und ein Knappe ge-
weſen, und die Ritter hätten lange Kleider von ſchwarzem Sam-
met getragen, mit reichem Zobel gefüttert, die Knappen aber einen
Rock von ſchwarzem Atlas mit einem Unterfutter, dem der an-
dern gleich. Auch die Reichsordnungen von 1497 und 1498
mühen ſich ab, die koſtbareren Stoffe dem Adel zu bewahren,
Sammet und Seide den Rittern und Doctoren, Goldſtoff aber
den Fürſten und ihrem Haus. Wir haben oben geſehen, wie der
letztere ſchon früher in die Städte gedrungen war. Seide trugen
ſelbſt die Bauern nach Seb. Brant, und den Dienſtboten zu
Breslau wurde ſie nebſt Perlen, Sammet, Atlas und andern
Luxusartikeln „bei Strafe des Stockſitzens“ verboten.

Eine andere Art von Luxus wurde mit der Farbe getrie-
ben: die üppige, phantaſtiſche Welt konnte ſich nicht bunt genug
ſehen. Die ſeltſame, verſchiedenfarbige Zuſammenſetzung der
Kleider hatte in Beziehung auf die Austheilung der Farben eines
Wappens und in Verbindung mit dem Lehnsweſen im früheren
Mittelalter einen gewiſſen Sinn gehabt; aus der feinen höfiſchen

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[294/0312] II. Das Mittelalter. die Franzöſinnen nach. — In Frankreich und gewiß auch bei der deutſchen Ritterſchaft — die Geſetze deuten darauf hin — war es Sitte, daß, wenn der Ritter z. B. ſich in Seidendamaſt kleidete, der Knappe Atlas trug; hatte er aber Sammetkleidung, ſo durfte der Knappe ſich mit ſeidenem Damaſt zieren. Als Herzog Philipp von Burgund im Jahr 1454 ein Feſt in Lille gab, wa- ren die Ritter, welche bei dem Banquet aufwarteten, in Damaſt gekleidet, die Knappen und Edelleute in Atlas, die Knechte und Diener aber in wollenes Tuch. Der Sammet war hier vermuth- lich den fürſtlichen Perſonen vorbehalten. Oefter kommen auch Ritter in Sammet vor. So empfiehlt der König Renatus von Sicilien in ſeiner Abhandlung über das Turnier für einen jeden der aus den Rittern erwählten Turnierrichter ein langes Kleid von Sammet, und für die beiden andern, die aus den Knappen genommen wurden, lange Kleider von Damaſt. — Matthias von Couci erzählt in der Geſchichte Karls VII. von einem Kampf, der zwiſchen drei Burgundern und drei Schotten ſtatt gefunden habe. Auf jeder Seite ſeien es zwei Ritter und ein Knappe ge- weſen, und die Ritter hätten lange Kleider von ſchwarzem Sam- met getragen, mit reichem Zobel gefüttert, die Knappen aber einen Rock von ſchwarzem Atlas mit einem Unterfutter, dem der an- dern gleich. Auch die Reichsordnungen von 1497 und 1498 mühen ſich ab, die koſtbareren Stoffe dem Adel zu bewahren, Sammet und Seide den Rittern und Doctoren, Goldſtoff aber den Fürſten und ihrem Haus. Wir haben oben geſehen, wie der letztere ſchon früher in die Städte gedrungen war. Seide trugen ſelbſt die Bauern nach Seb. Brant, und den Dienſtboten zu Breslau wurde ſie nebſt Perlen, Sammet, Atlas und andern Luxusartikeln „bei Strafe des Stockſitzens“ verboten. Eine andere Art von Luxus wurde mit der Farbe getrie- ben: die üppige, phantaſtiſche Welt konnte ſich nicht bunt genug ſehen. Die ſeltſame, verſchiedenfarbige Zuſammenſetzung der Kleider hatte in Beziehung auf die Austheilung der Farben eines Wappens und in Verbindung mit dem Lehnsweſen im früheren Mittelalter einen gewiſſen Sinn gehabt; aus der feinen höfiſchen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/312>, abgerufen am 26.04.2024.