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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
namentlich in politischen, religiösen oder Herzensangelegenheiten.
Bernhard Rhorbach, der seiner Zeit ein "Löwe" in Frankfurt ge-
wesen zu sein scheint, hatte einst auf das rechte Bein seiner Hose
einen silbernen Skorpion gestickt und vier silberne M herum, und
auf seine Mütze ebenfalls einen silbernen Skorpion und vier V
darum, die sollten bedeuten: Mich Mühet Mannich Male Vnglück,
Vntreu Vnd Vnfall. Die Kaiserin Maria Blanca, Maxens zweite
Gemahlin, trägt auf einem Portrait in dem breiten Brustsaum
ihres Kleides ihre und ihres Gemahls Namenszüge hineingestickt.
Dergleichen sieht man öfter an fürstlichen Damen; Buchstaben
mit frommer Beziehung auch auf den Kleidern heiliger Frauen.
-- Man bestickte wohl die ganzen Kleider, vorzugsweise aber den
obern Theil des Körpers, die Hauben und Mützen, die Aermel
und die Brust; die Männer auch das Beinkleid. Symmetrie
wurde nicht gesucht, eher vermieden, indem man z. B. nur den
einen Aermel oder das eine Bein bestickte. Später, als gegen
Ende des Jahrhunderts die Jacke oder das Wamms des Mannes
den weiten Ausschnitt auf der Brust erhielt, wurde besonders das
hier eingesetzte Stück oder das Hemd bestickt.

In gleichem Maße mit dem Schmuck nahm die Menge der
Kleider zu, welche man im Vorrath hatte, sowie die Kostbarkeit
des Stoffes. Wir haben in Bezug auf das Erstere schon früher
einiges gelegentlich beigebracht. Was eine deutsche Bürgerfrau
der wohlhabenden Stände an Kleidungsgegenständen in Besitz
hatte, zeigt die Hinterlassenschaft der Nürnberger Frau Winter,
gestorben im Jahre 1485. *) Darunter befanden sich vier Mäntel
von Arras und Mechlischem Tuch, zwei davon mit Seide gefüt-
tert; an Oberkleidern sechs Röcke, eine Schaube und drei soge-
nannte Trapperte; ferner drei Unterkleider, sechs weiße Schürz-
hemden und ein schwarzes (die wohl bei der häuslichen Arbeit
umgelegt wurden), zwei weiße Baderöcke, auch Trapperte genannt,
fünf Unterhemden, zwei Halshemden, sieben Paar Aermel und
neunzehn Schleier. Zu der schon oben erwähnten Aussteuer,

*) Das Inventar darüber befindet sich im germanischen Museum.
19*

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
namentlich in politiſchen, religiöſen oder Herzensangelegenheiten.
Bernhard Rhorbach, der ſeiner Zeit ein „Löwe“ in Frankfurt ge-
weſen zu ſein ſcheint, hatte einſt auf das rechte Bein ſeiner Hoſe
einen ſilbernen Skorpion geſtickt und vier ſilberne M herum, und
auf ſeine Mütze ebenfalls einen ſilbernen Skorpion und vier V
darum, die ſollten bedeuten: Mich Mühet Mannich Male Vnglück,
Vntreu Vnd Vnfall. Die Kaiſerin Maria Blanca, Maxens zweite
Gemahlin, trägt auf einem Portrait in dem breiten Bruſtſaum
ihres Kleides ihre und ihres Gemahls Namenszüge hineingeſtickt.
Dergleichen ſieht man öfter an fürſtlichen Damen; Buchſtaben
mit frommer Beziehung auch auf den Kleidern heiliger Frauen.
— Man beſtickte wohl die ganzen Kleider, vorzugsweiſe aber den
obern Theil des Körpers, die Hauben und Mützen, die Aermel
und die Bruſt; die Männer auch das Beinkleid. Symmetrie
wurde nicht geſucht, eher vermieden, indem man z. B. nur den
einen Aermel oder das eine Bein beſtickte. Später, als gegen
Ende des Jahrhunderts die Jacke oder das Wamms des Mannes
den weiten Ausſchnitt auf der Bruſt erhielt, wurde beſonders das
hier eingeſetzte Stück oder das Hemd beſtickt.

In gleichem Maße mit dem Schmuck nahm die Menge der
Kleider zu, welche man im Vorrath hatte, ſowie die Koſtbarkeit
des Stoffes. Wir haben in Bezug auf das Erſtere ſchon früher
einiges gelegentlich beigebracht. Was eine deutſche Bürgerfrau
der wohlhabenden Stände an Kleidungsgegenſtänden in Beſitz
hatte, zeigt die Hinterlaſſenſchaft der Nürnberger Frau Winter,
geſtorben im Jahre 1485. *) Darunter befanden ſich vier Mäntel
von Arras und Mechliſchem Tuch, zwei davon mit Seide gefüt-
tert; an Oberkleidern ſechs Röcke, eine Schaube und drei ſoge-
nannte Trapperte; ferner drei Unterkleider, ſechs weiße Schürz-
hemden und ein ſchwarzes (die wohl bei der häuslichen Arbeit
umgelegt wurden), zwei weiße Baderöcke, auch Trapperte genannt,
fünf Unterhemden, zwei Halshemden, ſieben Paar Aermel und
neunzehn Schleier. Zu der ſchon oben erwähnten Ausſteuer,

*) Das Inventar darüber befindet ſich im germaniſchen Muſeum.
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[291/0309] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. namentlich in politiſchen, religiöſen oder Herzensangelegenheiten. Bernhard Rhorbach, der ſeiner Zeit ein „Löwe“ in Frankfurt ge- weſen zu ſein ſcheint, hatte einſt auf das rechte Bein ſeiner Hoſe einen ſilbernen Skorpion geſtickt und vier ſilberne M herum, und auf ſeine Mütze ebenfalls einen ſilbernen Skorpion und vier V darum, die ſollten bedeuten: Mich Mühet Mannich Male Vnglück, Vntreu Vnd Vnfall. Die Kaiſerin Maria Blanca, Maxens zweite Gemahlin, trägt auf einem Portrait in dem breiten Bruſtſaum ihres Kleides ihre und ihres Gemahls Namenszüge hineingeſtickt. Dergleichen ſieht man öfter an fürſtlichen Damen; Buchſtaben mit frommer Beziehung auch auf den Kleidern heiliger Frauen. — Man beſtickte wohl die ganzen Kleider, vorzugsweiſe aber den obern Theil des Körpers, die Hauben und Mützen, die Aermel und die Bruſt; die Männer auch das Beinkleid. Symmetrie wurde nicht geſucht, eher vermieden, indem man z. B. nur den einen Aermel oder das eine Bein beſtickte. Später, als gegen Ende des Jahrhunderts die Jacke oder das Wamms des Mannes den weiten Ausſchnitt auf der Bruſt erhielt, wurde beſonders das hier eingeſetzte Stück oder das Hemd beſtickt. In gleichem Maße mit dem Schmuck nahm die Menge der Kleider zu, welche man im Vorrath hatte, ſowie die Koſtbarkeit des Stoffes. Wir haben in Bezug auf das Erſtere ſchon früher einiges gelegentlich beigebracht. Was eine deutſche Bürgerfrau der wohlhabenden Stände an Kleidungsgegenſtänden in Beſitz hatte, zeigt die Hinterlaſſenſchaft der Nürnberger Frau Winter, geſtorben im Jahre 1485. *) Darunter befanden ſich vier Mäntel von Arras und Mechliſchem Tuch, zwei davon mit Seide gefüt- tert; an Oberkleidern ſechs Röcke, eine Schaube und drei ſoge- nannte Trapperte; ferner drei Unterkleider, ſechs weiße Schürz- hemden und ein ſchwarzes (die wohl bei der häuslichen Arbeit umgelegt wurden), zwei weiße Baderöcke, auch Trapperte genannt, fünf Unterhemden, zwei Halshemden, ſieben Paar Aermel und neunzehn Schleier. Zu der ſchon oben erwähnten Ausſteuer, *) Das Inventar darüber befindet ſich im germaniſchen Muſeum. 19*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/309>, abgerufen am 26.04.2024.