wieder zusammengezogen war. Doch erscheint das nicht als allge- meine Mode.
Aller Prunk und alle Pracht war eigentlich auf die Robe verwendet. Hier vereinigt sich Farbenglanz mit der Kostbarkeit und Schwere des Stoffs und mit der Großartigkeit der Drappi- rung. In der Taille, aber ziemlich hoch, umfaßte sie ein breiter Gürtel von Goldstoff, mit Perlen, Edelsteinen und getriebenem Golde besetzt. Vom Gürtel lief der Schnitt mit kostbarem Pelz- ausschlag über die Schultern nach hinten; abwärts fiel der Stoff massenhaft herab auf die Erde und schleppte hinten ellenlang nach. Der ganze Saum um die Füße und der Rand der Schleppe war wieder mit edelstem Rauchwerk besetzt, wenn nicht das Gesetz weniger vornehme Damen zwang, sich mit Sammet zu begnügen. Die Hauptschleppe war hinten; eine vordere, welche die Dame selbst auf dem Arm tragen mußte, war am burgundischen Hofe nicht Sitte. Man darf die Schleppe einer Fürstin in Gala von drei, vier Ellen und mehr noch annehmen. Wir haben schon ge- sehen, daß die Etiquette den Damen, die nicht fürstlichen Stan- des waren, gebot, ihre Schleppe nicht von Frauen, sondern nur von einem Junker oder einem Edelknaben tragen zu lassen. Je- nes war das höchste Vorrecht und scheint immer nur bei der ersten Dame statt gefunden zu haben. Die Hofdame, welche ihre Schleppe trug, war ebenfalls vornehmen Standes und an ihrer Robe mit einer Schleppe versehen, mußte dieselbe aber nachschlei- fen lassen. Es waren noch andere Vorschriften damit verbunden, z. B. bei Begegnungen und Begrüßungen mit hohen Personen. So erzählt die Vicomtesse von Furnes in ihren Aufzeichnungen Folgendes. Es war bei Gelegenheit, als der Dauphin von Frankreich, der nachherige Ludwig XI., vor seinem Vater flüchtig, an den Hof Philipps des Guten kam, wo er nur die Damen an- traf. "Es ist zu bemerken," sagt unsre Berichterstatterin, "daß, als die Herzogin dem Dauphin entgegen ging, eine von den Da- men oder ein Fräulein ihre Schleppe und ein Ritter oder Junker die der Frau von Charolais, ihrer Schwiegertochter (Gemahlin Karls des Kühnen), trug. Frau von Ravenstein (Herzogin von
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
wieder zuſammengezogen war. Doch erſcheint das nicht als allge- meine Mode.
Aller Prunk und alle Pracht war eigentlich auf die Robe verwendet. Hier vereinigt ſich Farbenglanz mit der Koſtbarkeit und Schwere des Stoffs und mit der Großartigkeit der Drappi- rung. In der Taille, aber ziemlich hoch, umfaßte ſie ein breiter Gürtel von Goldſtoff, mit Perlen, Edelſteinen und getriebenem Golde beſetzt. Vom Gürtel lief der Schnitt mit koſtbarem Pelz- ausſchlag über die Schultern nach hinten; abwärts fiel der Stoff maſſenhaft herab auf die Erde und ſchleppte hinten ellenlang nach. Der ganze Saum um die Füße und der Rand der Schleppe war wieder mit edelſtem Rauchwerk beſetzt, wenn nicht das Geſetz weniger vornehme Damen zwang, ſich mit Sammet zu begnügen. Die Hauptſchleppe war hinten; eine vordere, welche die Dame ſelbſt auf dem Arm tragen mußte, war am burgundiſchen Hofe nicht Sitte. Man darf die Schleppe einer Fürſtin in Gala von drei, vier Ellen und mehr noch annehmen. Wir haben ſchon ge- ſehen, daß die Etiquette den Damen, die nicht fürſtlichen Stan- des waren, gebot, ihre Schleppe nicht von Frauen, ſondern nur von einem Junker oder einem Edelknaben tragen zu laſſen. Je- nes war das höchſte Vorrecht und ſcheint immer nur bei der erſten Dame ſtatt gefunden zu haben. Die Hofdame, welche ihre Schleppe trug, war ebenfalls vornehmen Standes und an ihrer Robe mit einer Schleppe verſehen, mußte dieſelbe aber nachſchlei- fen laſſen. Es waren noch andere Vorſchriften damit verbunden, z. B. bei Begegnungen und Begrüßungen mit hohen Perſonen. So erzählt die Vicomteſſe von Furnes in ihren Aufzeichnungen Folgendes. Es war bei Gelegenheit, als der Dauphin von Frankreich, der nachherige Ludwig XI., vor ſeinem Vater flüchtig, an den Hof Philipps des Guten kam, wo er nur die Damen an- traf. „Es iſt zu bemerken,“ ſagt unſre Berichterſtatterin, „daß, als die Herzogin dem Dauphin entgegen ging, eine von den Da- men oder ein Fräulein ihre Schleppe und ein Ritter oder Junker die der Frau von Charolais, ihrer Schwiegertochter (Gemahlin Karls des Kühnen), trug. Frau von Ravenſtein (Herzogin von
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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
wieder zuſammengezogen war. Doch erſcheint das nicht als allge-
meine Mode.
Aller Prunk und alle Pracht war eigentlich auf die Robe
verwendet. Hier vereinigt ſich Farbenglanz mit der Koſtbarkeit
und Schwere des Stoffs und mit der Großartigkeit der Drappi-
rung. In der Taille, aber ziemlich hoch, umfaßte ſie ein breiter
Gürtel von Goldſtoff, mit Perlen, Edelſteinen und getriebenem
Golde beſetzt. Vom Gürtel lief der Schnitt mit koſtbarem Pelz-
ausſchlag über die Schultern nach hinten; abwärts fiel der Stoff
maſſenhaft herab auf die Erde und ſchleppte hinten ellenlang
nach. Der ganze Saum um die Füße und der Rand der Schleppe
war wieder mit edelſtem Rauchwerk beſetzt, wenn nicht das Geſetz
weniger vornehme Damen zwang, ſich mit Sammet zu begnügen.
Die Hauptſchleppe war hinten; eine vordere, welche die Dame
ſelbſt auf dem Arm tragen mußte, war am burgundiſchen Hofe
nicht Sitte. Man darf die Schleppe einer Fürſtin in Gala von
drei, vier Ellen und mehr noch annehmen. Wir haben ſchon ge-
ſehen, daß die Etiquette den Damen, die nicht fürſtlichen Stan-
des waren, gebot, ihre Schleppe nicht von Frauen, ſondern nur
von einem Junker oder einem Edelknaben tragen zu laſſen. Je-
nes war das höchſte Vorrecht und ſcheint immer nur bei der erſten
Dame ſtatt gefunden zu haben. Die Hofdame, welche ihre
Schleppe trug, war ebenfalls vornehmen Standes und an ihrer
Robe mit einer Schleppe verſehen, mußte dieſelbe aber nachſchlei-
fen laſſen. Es waren noch andere Vorſchriften damit verbunden,
z. B. bei Begegnungen und Begrüßungen mit hohen Perſonen.
So erzählt die Vicomteſſe von Furnes in ihren Aufzeichnungen
Folgendes. Es war bei Gelegenheit, als der Dauphin von
Frankreich, der nachherige Ludwig XI., vor ſeinem Vater flüchtig,
an den Hof Philipps des Guten kam, wo er nur die Damen an-
traf. „Es iſt zu bemerken,“ ſagt unſre Berichterſtatterin, „daß,
als die Herzogin dem Dauphin entgegen ging, eine von den Da-
men oder ein Fräulein ihre Schleppe und ein Ritter oder Junker
die der Frau von Charolais, ihrer Schwiegertochter (Gemahlin
Karls des Kühnen), trug. Frau von Ravenſtein (Herzogin von
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/289>, abgerufen am 01.08.2024.
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