Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Das Mittelalter.
deckten Hauptes zu bleiben. Man hatte aber ein Mittel gefunden,
ohne Verletzung der Heiligkeit des Hofceremoniells diese Vor-
schrift zu umgehen. Wir haben mehrfach Abbildungen von
Audienzen des Herzogs Philipp und andere Darstellungen dieser
Art. Da giebt es Herren, die tragen bei solcher Gelegenheit eine
hohe Mütze von abgestumpfter Kegelform ohne Rand, auch oben
mit einer Quaste versehen, gleich dem Fez, aber von höherer und
spitzerer Form; den geränderten Hut aber, der grade die Gestalt
und Größe hat, daß er auf diese Mütze paßt, tragen sie in der
Hand oder unter Umständen an einer Binde auf dem Rücken
hängend. Die Sitte scheint am Hofe allgemein gewesen zu sein.
Der Herzog selbst legt in solchem Falle den Hut nie ab; es war
sein Vorrecht. Weit seltner erscheinen am burgundischen Hof ne-
ben dem Hut noch andere Formen der Kopfbedeckung, wie z. B.
runde, wulstige Mützen mit Sendelbinden oder Mützen mit über-
hängendem Stoff und ähnliches. Erst gegen Ende des Jahrhun-
derts tritt der Hut vor dem Barett zurück. --

Zu der Tracht einer vornehmen Dame, wenn sie in
vollständiger Toilette erschien, gehörten noch wie früher zwei
Kleider, von denen das obere damals in Frankreich cotte-hardie
oder in besonderem Sinne Robe genannt wurde. Es war ebenso
bei den Damen des burgundischen Hofes, und nur zum fürstlichen
Ornat kommt noch der Mantel hinzu. Von dem unteren Kleid ist
wenig zu sehen, da es die Robe mit ihrer Massenhaftigkeit fast
völlig zudeckte. Nur auf der Brust wurde es sichtbar und unten
an den Füßen, wenn die Robe mit dem Arm in die Höhe genom-
men war. An diesen Stellen wurde es nicht vernachlässigt, denn
obwohl es nur so weit herabreichte, daß es den Fuß nicht ver-
deckte -- wodurch einer Dame die Möglichkeit gegeben war, den
schönen Fuß und den zierlichen gespitzten Schuh zu zeigen --,
hatte es hier doch einen breiten, prachtvoll gestickten Saum. Auch
an der Brust, soviel sichtbar blieb, denn die Mode verlangte starke
Decolletirung, war es ähnlich verziert. Zu größerer Enge und zu
bequemerem Anziehen hatte es von oben herab eine tiefgehende
Oeffnung, welche durch goldene oder sonst farbige Schnürsenkel

II. Das Mittelalter.
deckten Hauptes zu bleiben. Man hatte aber ein Mittel gefunden,
ohne Verletzung der Heiligkeit des Hofceremoniells dieſe Vor-
ſchrift zu umgehen. Wir haben mehrfach Abbildungen von
Audienzen des Herzogs Philipp und andere Darſtellungen dieſer
Art. Da giebt es Herren, die tragen bei ſolcher Gelegenheit eine
hohe Mütze von abgeſtumpfter Kegelform ohne Rand, auch oben
mit einer Quaſte verſehen, gleich dem Fez, aber von höherer und
ſpitzerer Form; den geränderten Hut aber, der grade die Geſtalt
und Größe hat, daß er auf dieſe Mütze paßt, tragen ſie in der
Hand oder unter Umſtänden an einer Binde auf dem Rücken
hängend. Die Sitte ſcheint am Hofe allgemein geweſen zu ſein.
Der Herzog ſelbſt legt in ſolchem Falle den Hut nie ab; es war
ſein Vorrecht. Weit ſeltner erſcheinen am burgundiſchen Hof ne-
ben dem Hut noch andere Formen der Kopfbedeckung, wie z. B.
runde, wulſtige Mützen mit Sendelbinden oder Mützen mit über-
hängendem Stoff und ähnliches. Erſt gegen Ende des Jahrhun-
derts tritt der Hut vor dem Barett zurück. —

Zu der Tracht einer vornehmen Dame, wenn ſie in
vollſtändiger Toilette erſchien, gehörten noch wie früher zwei
Kleider, von denen das obere damals in Frankreich cotte-hardie
oder in beſonderem Sinne Robe genannt wurde. Es war ebenſo
bei den Damen des burgundiſchen Hofes, und nur zum fürſtlichen
Ornat kommt noch der Mantel hinzu. Von dem unteren Kleid iſt
wenig zu ſehen, da es die Robe mit ihrer Maſſenhaftigkeit faſt
völlig zudeckte. Nur auf der Bruſt wurde es ſichtbar und unten
an den Füßen, wenn die Robe mit dem Arm in die Höhe genom-
men war. An dieſen Stellen wurde es nicht vernachläſſigt, denn
obwohl es nur ſo weit herabreichte, daß es den Fuß nicht ver-
deckte — wodurch einer Dame die Möglichkeit gegeben war, den
ſchönen Fuß und den zierlichen geſpitzten Schuh zu zeigen —,
hatte es hier doch einen breiten, prachtvoll geſtickten Saum. Auch
an der Bruſt, ſoviel ſichtbar blieb, denn die Mode verlangte ſtarke
Decolletirung, war es ähnlich verziert. Zu größerer Enge und zu
bequemerem Anziehen hatte es von oben herab eine tiefgehende
Oeffnung, welche durch goldene oder ſonſt farbige Schnürſenkel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0288" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/>
deckten Hauptes zu bleiben. Man hatte aber ein Mittel gefunden,<lb/>
ohne Verletzung der Heiligkeit des Hofceremoniells die&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;chrift zu umgehen. Wir haben mehrfach Abbildungen von<lb/>
Audienzen des Herzogs Philipp und andere Dar&#x017F;tellungen die&#x017F;er<lb/>
Art. Da giebt es Herren, die tragen bei &#x017F;olcher Gelegenheit eine<lb/>
hohe Mütze von abge&#x017F;tumpfter Kegelform ohne Rand, auch oben<lb/>
mit einer Qua&#x017F;te ver&#x017F;ehen, gleich dem Fez, aber von höherer und<lb/>
&#x017F;pitzerer Form; den geränderten Hut aber, der grade die Ge&#x017F;talt<lb/>
und Größe hat, daß er auf die&#x017F;e Mütze paßt, tragen &#x017F;ie in der<lb/>
Hand oder unter Um&#x017F;tänden an einer Binde auf dem Rücken<lb/>
hängend. Die Sitte &#x017F;cheint am Hofe allgemein gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein.<lb/>
Der Herzog &#x017F;elb&#x017F;t legt in &#x017F;olchem Falle den Hut nie ab; es war<lb/>
&#x017F;ein Vorrecht. Weit &#x017F;eltner er&#x017F;cheinen am burgundi&#x017F;chen Hof ne-<lb/>
ben dem Hut noch andere Formen der Kopfbedeckung, wie z. B.<lb/>
runde, wul&#x017F;tige Mützen mit Sendelbinden oder Mützen mit über-<lb/>
hängendem Stoff und ähnliches. Er&#x017F;t gegen Ende des Jahrhun-<lb/>
derts tritt der Hut vor dem Barett zurück. &#x2014;</p><lb/>
              <p>Zu der <hi rendition="#g">Tracht einer vornehmen Dame</hi>, wenn &#x017F;ie in<lb/>
voll&#x017F;tändiger Toilette er&#x017F;chien, gehörten noch wie früher zwei<lb/>
Kleider, von denen das obere damals in Frankreich <hi rendition="#aq">cotte-hardie</hi><lb/>
oder in be&#x017F;onderem Sinne <hi rendition="#g">Robe</hi> genannt wurde. Es war eben&#x017F;o<lb/>
bei den Damen des burgundi&#x017F;chen Hofes, und nur zum für&#x017F;tlichen<lb/>
Ornat kommt noch der Mantel hinzu. Von dem unteren Kleid i&#x017F;t<lb/>
wenig zu &#x017F;ehen, da es die Robe mit ihrer Ma&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit fa&#x017F;t<lb/>
völlig zudeckte. Nur auf der Bru&#x017F;t wurde es &#x017F;ichtbar und unten<lb/>
an den Füßen, wenn die Robe mit dem Arm in die Höhe genom-<lb/>
men war. An die&#x017F;en Stellen wurde es nicht vernachlä&#x017F;&#x017F;igt, denn<lb/>
obwohl es nur &#x017F;o weit herabreichte, daß es den Fuß nicht ver-<lb/>
deckte &#x2014; wodurch einer Dame die Möglichkeit gegeben war, den<lb/>
&#x017F;chönen Fuß und den zierlichen ge&#x017F;pitzten Schuh zu zeigen &#x2014;,<lb/>
hatte es hier doch einen breiten, prachtvoll ge&#x017F;tickten Saum. Auch<lb/>
an der Bru&#x017F;t, &#x017F;oviel &#x017F;ichtbar blieb, denn die Mode verlangte &#x017F;tarke<lb/>
Decolletirung, war es ähnlich verziert. Zu größerer Enge und zu<lb/>
bequemerem Anziehen hatte es von oben herab eine tiefgehende<lb/>
Oeffnung, welche durch goldene oder &#x017F;on&#x017F;t farbige Schnür&#x017F;enkel<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0288] II. Das Mittelalter. deckten Hauptes zu bleiben. Man hatte aber ein Mittel gefunden, ohne Verletzung der Heiligkeit des Hofceremoniells dieſe Vor- ſchrift zu umgehen. Wir haben mehrfach Abbildungen von Audienzen des Herzogs Philipp und andere Darſtellungen dieſer Art. Da giebt es Herren, die tragen bei ſolcher Gelegenheit eine hohe Mütze von abgeſtumpfter Kegelform ohne Rand, auch oben mit einer Quaſte verſehen, gleich dem Fez, aber von höherer und ſpitzerer Form; den geränderten Hut aber, der grade die Geſtalt und Größe hat, daß er auf dieſe Mütze paßt, tragen ſie in der Hand oder unter Umſtänden an einer Binde auf dem Rücken hängend. Die Sitte ſcheint am Hofe allgemein geweſen zu ſein. Der Herzog ſelbſt legt in ſolchem Falle den Hut nie ab; es war ſein Vorrecht. Weit ſeltner erſcheinen am burgundiſchen Hof ne- ben dem Hut noch andere Formen der Kopfbedeckung, wie z. B. runde, wulſtige Mützen mit Sendelbinden oder Mützen mit über- hängendem Stoff und ähnliches. Erſt gegen Ende des Jahrhun- derts tritt der Hut vor dem Barett zurück. — Zu der Tracht einer vornehmen Dame, wenn ſie in vollſtändiger Toilette erſchien, gehörten noch wie früher zwei Kleider, von denen das obere damals in Frankreich cotte-hardie oder in beſonderem Sinne Robe genannt wurde. Es war ebenſo bei den Damen des burgundiſchen Hofes, und nur zum fürſtlichen Ornat kommt noch der Mantel hinzu. Von dem unteren Kleid iſt wenig zu ſehen, da es die Robe mit ihrer Maſſenhaftigkeit faſt völlig zudeckte. Nur auf der Bruſt wurde es ſichtbar und unten an den Füßen, wenn die Robe mit dem Arm in die Höhe genom- men war. An dieſen Stellen wurde es nicht vernachläſſigt, denn obwohl es nur ſo weit herabreichte, daß es den Fuß nicht ver- deckte — wodurch einer Dame die Möglichkeit gegeben war, den ſchönen Fuß und den zierlichen geſpitzten Schuh zu zeigen —, hatte es hier doch einen breiten, prachtvoll geſtickten Saum. Auch an der Bruſt, ſoviel ſichtbar blieb, denn die Mode verlangte ſtarke Decolletirung, war es ähnlich verziert. Zu größerer Enge und zu bequemerem Anziehen hatte es von oben herab eine tiefgehende Oeffnung, welche durch goldene oder ſonſt farbige Schnürſenkel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/288
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/288>, abgerufen am 22.11.2024.