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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
Halse stößt ein hochaufgerichteter steifer Kragen unter das Kinn
und geht im Nacken hoch hinauf, in Folge dessen das Haar rings-
um über den Ohren kurz abgeschnitten ist. So trägt sich Ri-
chard II., so auch noch Heinrich V., der Sieger von Azincourt
und der Freund Falstaffs. Ein ähnliches Obergewand finden
wir in Deutschland, aber eigentlich nur als ceremonielle Fürsten-
tracht. Es ist ein weiter Oberrock oder Trappert, über den Hüf-
ten faltig gegürtet, meistens mit weiten, offenen Aermeln und
bis zu den Füßen herabreichend; an den Rändern ist er gezattelt
oder schlicht, mit Rauchwerk verbrämt oder buntgefaßt. Auf Bil-
dern dieser Zeit unterscheidet er den Herrscher von seinen Rittern.
Diese tragen über der Jacke oder dem Scheckenrock gewöhnlich
einen kürzeren Trappert bis zu den Knieen, von ziemlicher Weite
und ebenfalls über der Hüfte gegürtet. Ungezattelt und pelzver-
brämt sehen wir ihn nicht selten auf Bildern der kölner Schule.
Auf den Bildern zum Ritter von Stauffenberg (1430) hat er
einen kleinen, den Hals bedeckenden Stehkragen, mit weiten, an
den Händen geschlossenen Aermeln, über den Hüften zusammen-
geschnürt und unten mit langen, gefiederten Zatteln. Oft gleicht
er nur einem langen, pelzgefaßten Stück Tuch mit einem Haupt-
loch in der Mitte, sodaß die Seiten vorn und hinten herabfallen:
es ist der Ursprung des spätern Heroldshemdes -- ein Beispiel,
wie überhaupt Amtstrachten entstanden sind, gleich den Volks-
trachten stehen gebliebene Ueberreste einer früheren allgemeinen
Mode. Beim ehrbaren Handwerksmann ist der Trappert um das
Jahr 1430 eine weite, am Halse eng anschließende Glocke, an
den weiten Aermellöchern und am untern Rande mit Fuchspelz
verbrämt.

Eine bedeutende Veränderung ging mit der Kopftracht
vor sich, indem sich die Gugel gegen das Ende des vierzehnten
Jahrhunderts aus der nobeln Welt zurückzog und in sehr man-
nigfacher Weise ersetzt wurde. Der Mangel aller und jeder Ele-
ganz, der ihr anklebte, gleichsam als Erbtheil ihres gemeinen Ur-
sprungs, trotz bunten Schwänzen, Perlschnüren und Goldborten,
stürzte sie schon nach wenigen Jahrzehnten ihrer Herrschaft. Aber

II. Das Mittelalter.
Halſe ſtößt ein hochaufgerichteter ſteifer Kragen unter das Kinn
und geht im Nacken hoch hinauf, in Folge deſſen das Haar rings-
um über den Ohren kurz abgeſchnitten iſt. So trägt ſich Ri-
chard II., ſo auch noch Heinrich V., der Sieger von Azincourt
und der Freund Falſtaffs. Ein ähnliches Obergewand finden
wir in Deutſchland, aber eigentlich nur als ceremonielle Fürſten-
tracht. Es iſt ein weiter Oberrock oder Trappert, über den Hüf-
ten faltig gegürtet, meiſtens mit weiten, offenen Aermeln und
bis zu den Füßen herabreichend; an den Rändern iſt er gezattelt
oder ſchlicht, mit Rauchwerk verbrämt oder buntgefaßt. Auf Bil-
dern dieſer Zeit unterſcheidet er den Herrſcher von ſeinen Rittern.
Dieſe tragen über der Jacke oder dem Scheckenrock gewöhnlich
einen kürzeren Trappert bis zu den Knieen, von ziemlicher Weite
und ebenfalls über der Hüfte gegürtet. Ungezattelt und pelzver-
brämt ſehen wir ihn nicht ſelten auf Bildern der kölner Schule.
Auf den Bildern zum Ritter von Stauffenberg (1430) hat er
einen kleinen, den Hals bedeckenden Stehkragen, mit weiten, an
den Händen geſchloſſenen Aermeln, über den Hüften zuſammen-
geſchnürt und unten mit langen, gefiederten Zatteln. Oft gleicht
er nur einem langen, pelzgefaßten Stück Tuch mit einem Haupt-
loch in der Mitte, ſodaß die Seiten vorn und hinten herabfallen:
es iſt der Urſprung des ſpätern Heroldshemdes — ein Beiſpiel,
wie überhaupt Amtstrachten entſtanden ſind, gleich den Volks-
trachten ſtehen gebliebene Ueberreſte einer früheren allgemeinen
Mode. Beim ehrbaren Handwerksmann iſt der Trappert um das
Jahr 1430 eine weite, am Halſe eng anſchließende Glocke, an
den weiten Aermellöchern und am untern Rande mit Fuchspelz
verbrämt.

Eine bedeutende Veränderung ging mit der Kopftracht
vor ſich, indem ſich die Gugel gegen das Ende des vierzehnten
Jahrhunderts aus der nobeln Welt zurückzog und in ſehr man-
nigfacher Weiſe erſetzt wurde. Der Mangel aller und jeder Ele-
ganz, der ihr anklebte, gleichſam als Erbtheil ihres gemeinen Ur-
ſprungs, trotz bunten Schwänzen, Perlſchnüren und Goldborten,
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[226/0244] II. Das Mittelalter. Halſe ſtößt ein hochaufgerichteter ſteifer Kragen unter das Kinn und geht im Nacken hoch hinauf, in Folge deſſen das Haar rings- um über den Ohren kurz abgeſchnitten iſt. So trägt ſich Ri- chard II., ſo auch noch Heinrich V., der Sieger von Azincourt und der Freund Falſtaffs. Ein ähnliches Obergewand finden wir in Deutſchland, aber eigentlich nur als ceremonielle Fürſten- tracht. Es iſt ein weiter Oberrock oder Trappert, über den Hüf- ten faltig gegürtet, meiſtens mit weiten, offenen Aermeln und bis zu den Füßen herabreichend; an den Rändern iſt er gezattelt oder ſchlicht, mit Rauchwerk verbrämt oder buntgefaßt. Auf Bil- dern dieſer Zeit unterſcheidet er den Herrſcher von ſeinen Rittern. Dieſe tragen über der Jacke oder dem Scheckenrock gewöhnlich einen kürzeren Trappert bis zu den Knieen, von ziemlicher Weite und ebenfalls über der Hüfte gegürtet. Ungezattelt und pelzver- brämt ſehen wir ihn nicht ſelten auf Bildern der kölner Schule. Auf den Bildern zum Ritter von Stauffenberg (1430) hat er einen kleinen, den Hals bedeckenden Stehkragen, mit weiten, an den Händen geſchloſſenen Aermeln, über den Hüften zuſammen- geſchnürt und unten mit langen, gefiederten Zatteln. Oft gleicht er nur einem langen, pelzgefaßten Stück Tuch mit einem Haupt- loch in der Mitte, ſodaß die Seiten vorn und hinten herabfallen: es iſt der Urſprung des ſpätern Heroldshemdes — ein Beiſpiel, wie überhaupt Amtstrachten entſtanden ſind, gleich den Volks- trachten ſtehen gebliebene Ueberreſte einer früheren allgemeinen Mode. Beim ehrbaren Handwerksmann iſt der Trappert um das Jahr 1430 eine weite, am Halſe eng anſchließende Glocke, an den weiten Aermellöchern und am untern Rande mit Fuchspelz verbrämt. Eine bedeutende Veränderung ging mit der Kopftracht vor ſich, indem ſich die Gugel gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts aus der nobeln Welt zurückzog und in ſehr man- nigfacher Weiſe erſetzt wurde. Der Mangel aller und jeder Ele- ganz, der ihr anklebte, gleichſam als Erbtheil ihres gemeinen Ur- ſprungs, trotz bunten Schwänzen, Perlſchnüren und Goldborten, ſtürzte ſie ſchon nach wenigen Jahrzehnten ihrer Herrſchaft. Aber

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/244>, abgerufen am 26.04.2024.