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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Sie waren von Seide, gewöhnlich von anderer Farbe als das
Kleid, zuweilen mit Pelz gefüttert und mit kleinem Schmelzwerk,
mit Perlen und anderm Zierrath benäht. So sehr wurden die
Zatteln ein Liebling der Mode, daß sie selbst der Ritter in der
Rüstung nicht entbehren mochte; nicht selten sehen wir sie hell-
farbig zu allen Fugen herausdringen und bis auf den Boden hin
den Eisenmann umwallen.

Seit dem Jahr 1420 etwa bildete sich noch eine andere Art
von Hängeärmeln aus, die man Sackärmel nennen könnte. In
der That sind es vollkommene Säcke, welche von den Schultern
bis gegen den Boden herabreichen. Die Arme ruhten verborgen
in ihnen; nur oben hatten sie ein kleines farbig oder mit Pelz-
werk gefaßtes Loch, aus welchem bloß die Hände, höchstens auch
die Unterarme sich sehen ließen. Bei heftigen Bewegungen, wie
z. B. bei dem unter Männern und Frauen beliebten Ballspiel,
wurden die hängenden Säcke oben am Körper befestigt. -- Alle
drei Formen der Hängeärmel, obwohl nach einander entstanden,
wurden noch neben einander getragen.

Die Sackärmel trug der Mann nicht mehr am Scheckenrock,
denn dieser war zu derselben Zeit, in der ersten Hälfte des funf-
zehnten Jahrhunderts, unter den mannigfachen Formen des Trap-
perts eine kurze Zeit verschwunden, um in neuen Gestalten wieder
aufzuleben. Gegen das Jahr 1400 hatten sich die langen und
weiten Oberkleider wieder mehr Geltung verschafft, und wie man
einerseits sich möglichst kurz, knapp und gespannt kleidete, prunkte
man andrerseits wieder mit einer Ueberfülle von Stoff. Wenn
wir aber vom Gebrauch des Trapperts in seiner Bedeutung als
Paletot absehen, so galt die Mode mehr an Fürstenhöfen und im
Hofceremoniell, denn im gewöhnlichen Leben. Wenigstens war
es in Deutschland so. Dagegen scheint die lange Kleidung in
England namentlich unter der Regierung des weiblich schwachen
und eitlen Richard II. allgemein gewesen zu sein. Der ganze
Körper mitsammt Armen und Händen ist von einer Masse bun-
ten Stoffes in abenteuerlichem Schnitt weit umhüllt; ringsum
zackig eingeschnitten, fällt er nachschleppend auf den Boden. Am

Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 15

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Sie waren von Seide, gewöhnlich von anderer Farbe als das
Kleid, zuweilen mit Pelz gefüttert und mit kleinem Schmelzwerk,
mit Perlen und anderm Zierrath benäht. So ſehr wurden die
Zatteln ein Liebling der Mode, daß ſie ſelbſt der Ritter in der
Rüſtung nicht entbehren mochte; nicht ſelten ſehen wir ſie hell-
farbig zu allen Fugen herausdringen und bis auf den Boden hin
den Eiſenmann umwallen.

Seit dem Jahr 1420 etwa bildete ſich noch eine andere Art
von Hängeärmeln aus, die man Sackärmel nennen könnte. In
der That ſind es vollkommene Säcke, welche von den Schultern
bis gegen den Boden herabreichen. Die Arme ruhten verborgen
in ihnen; nur oben hatten ſie ein kleines farbig oder mit Pelz-
werk gefaßtes Loch, aus welchem bloß die Hände, höchſtens auch
die Unterarme ſich ſehen ließen. Bei heftigen Bewegungen, wie
z. B. bei dem unter Männern und Frauen beliebten Ballſpiel,
wurden die hängenden Säcke oben am Körper befeſtigt. — Alle
drei Formen der Hängeärmel, obwohl nach einander entſtanden,
wurden noch neben einander getragen.

Die Sackärmel trug der Mann nicht mehr am Scheckenrock,
denn dieſer war zu derſelben Zeit, in der erſten Hälfte des funf-
zehnten Jahrhunderts, unter den mannigfachen Formen des Trap-
perts eine kurze Zeit verſchwunden, um in neuen Geſtalten wieder
aufzuleben. Gegen das Jahr 1400 hatten ſich die langen und
weiten Oberkleider wieder mehr Geltung verſchafft, und wie man
einerſeits ſich möglichſt kurz, knapp und geſpannt kleidete, prunkte
man andrerſeits wieder mit einer Ueberfülle von Stoff. Wenn
wir aber vom Gebrauch des Trapperts in ſeiner Bedeutung als
Paletot abſehen, ſo galt die Mode mehr an Fürſtenhöfen und im
Hofceremoniell, denn im gewöhnlichen Leben. Wenigſtens war
es in Deutſchland ſo. Dagegen ſcheint die lange Kleidung in
England namentlich unter der Regierung des weiblich ſchwachen
und eitlen Richard II. allgemein geweſen zu ſein. Der ganze
Körper mitſammt Armen und Händen iſt von einer Maſſe bun-
ten Stoffes in abenteuerlichem Schnitt weit umhüllt; ringsum
zackig eingeſchnitten, fällt er nachſchleppend auf den Boden. Am

Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 15
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[225/0243] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Sie waren von Seide, gewöhnlich von anderer Farbe als das Kleid, zuweilen mit Pelz gefüttert und mit kleinem Schmelzwerk, mit Perlen und anderm Zierrath benäht. So ſehr wurden die Zatteln ein Liebling der Mode, daß ſie ſelbſt der Ritter in der Rüſtung nicht entbehren mochte; nicht ſelten ſehen wir ſie hell- farbig zu allen Fugen herausdringen und bis auf den Boden hin den Eiſenmann umwallen. Seit dem Jahr 1420 etwa bildete ſich noch eine andere Art von Hängeärmeln aus, die man Sackärmel nennen könnte. In der That ſind es vollkommene Säcke, welche von den Schultern bis gegen den Boden herabreichen. Die Arme ruhten verborgen in ihnen; nur oben hatten ſie ein kleines farbig oder mit Pelz- werk gefaßtes Loch, aus welchem bloß die Hände, höchſtens auch die Unterarme ſich ſehen ließen. Bei heftigen Bewegungen, wie z. B. bei dem unter Männern und Frauen beliebten Ballſpiel, wurden die hängenden Säcke oben am Körper befeſtigt. — Alle drei Formen der Hängeärmel, obwohl nach einander entſtanden, wurden noch neben einander getragen. Die Sackärmel trug der Mann nicht mehr am Scheckenrock, denn dieſer war zu derſelben Zeit, in der erſten Hälfte des funf- zehnten Jahrhunderts, unter den mannigfachen Formen des Trap- perts eine kurze Zeit verſchwunden, um in neuen Geſtalten wieder aufzuleben. Gegen das Jahr 1400 hatten ſich die langen und weiten Oberkleider wieder mehr Geltung verſchafft, und wie man einerſeits ſich möglichſt kurz, knapp und geſpannt kleidete, prunkte man andrerſeits wieder mit einer Ueberfülle von Stoff. Wenn wir aber vom Gebrauch des Trapperts in ſeiner Bedeutung als Paletot abſehen, ſo galt die Mode mehr an Fürſtenhöfen und im Hofceremoniell, denn im gewöhnlichen Leben. Wenigſtens war es in Deutſchland ſo. Dagegen ſcheint die lange Kleidung in England namentlich unter der Regierung des weiblich ſchwachen und eitlen Richard II. allgemein geweſen zu ſein. Der ganze Körper mitſammt Armen und Händen iſt von einer Maſſe bun- ten Stoffes in abenteuerlichem Schnitt weit umhüllt; ringsum zackig eingeſchnitten, fällt er nachſchleppend auf den Boden. Am Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 15

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/243>, abgerufen am 23.11.2024.