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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
Hof und Tänzen gingen," sagt die Limburger Chronik von ihnen
in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, "dann trugen sie zwei
Kleider und das Unterkleid mit engen Aermeln." Gerade so war
es im dreizehnten Jahrhundert. Nach einem Göttinger Gesetz
durften nur die Frauen, welche der höchsten Vermögensclasse an-
gehörten, die volle Kleidung tragen, und dazu gehörten ein Ober-
kleid, ein Unterkleid und ein langer Mantel. Wenn wir noch
das Hemd hinzurechnen, so haben wir damit die Hauptbestand-
theile der weiblichen Kleidung.

"Das oberste Kleid," so erzählt die Limburger Chronik weiter,
"hieß ein Sorkett und war bei den Seiten von unten herauf-
geschlissen und gefüttert, im Winter mit Buntwerk oder im Som-
mer mit Sendel, das da ziemlich einem jeglichen Weib war."
Diese Aufschlitzung ist eine neue Mode, die aber zu den vorüber-
gehenden Erscheinungen gehört; sie sollte mehr Gelegenheit geben
für die kostbare Pelzverbrämung und zugleich das untere Kleid
sichtbar machen. Die Mäntel hielten sich in der alten Form
mit der Schnur auf der Brust, welche die beiden Enden zusam-
menhielt, bei den Frauen häufiger noch als bei den Männern,
namentlich im bürgerlichen Stande, doch kommen daneben auch
für jene die Hoiken und Trapperte in Gebrauch, von denen
die letzteren, eine Umwandlung des Oberkleides, ein wenig später
eintraten. Beide waren kürzer als die gewöhnlichen Mäntel,
und diese Eigenschaft wahrscheinlich machte sie beliebt. Selbst
den Mantel wollten die Damen kürzen und thaten es so sehr, daß
der Rath von Straßburg ihnen verbot, ihn kürzer zu tragen denn
1/4 Elle über den Knieen; auch den Gebrauch der Knabenmäntel
untersagte er ihnen, wie schon früher der von Speier den Gebrauch
der Männermäntel ihnen verboten hatte. Beides kann sich nur
auf die beliebte Kürze beziehen.

Im Uebrigen machte sich gerade das Bestreben zu langen
Kleidern, oder vielmehr zu Schleppen geltend, welche damals
in Mode kamen und noch heute nicht außer allen Gebrauch
gekommen sind, sondern zu Zeiten, wie bekannt, Hofdienste
zu verrichten haben. Die Schleppe ist ein Erzeugniß des extra-

II. Das Mittelalter.
Hof und Tänzen gingen,“ ſagt die Limburger Chronik von ihnen
in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, „dann trugen ſie zwei
Kleider und das Unterkleid mit engen Aermeln.“ Gerade ſo war
es im dreizehnten Jahrhundert. Nach einem Göttinger Geſetz
durften nur die Frauen, welche der höchſten Vermögensclaſſe an-
gehörten, die volle Kleidung tragen, und dazu gehörten ein Ober-
kleid, ein Unterkleid und ein langer Mantel. Wenn wir noch
das Hemd hinzurechnen, ſo haben wir damit die Hauptbeſtand-
theile der weiblichen Kleidung.

„Das oberſte Kleid,“ ſo erzählt die Limburger Chronik weiter,
„hieß ein Sorkett und war bei den Seiten von unten herauf-
geſchliſſen und gefüttert, im Winter mit Buntwerk oder im Som-
mer mit Sendel, das da ziemlich einem jeglichen Weib war.“
Dieſe Aufſchlitzung iſt eine neue Mode, die aber zu den vorüber-
gehenden Erſcheinungen gehört; ſie ſollte mehr Gelegenheit geben
für die koſtbare Pelzverbrämung und zugleich das untere Kleid
ſichtbar machen. Die Mäntel hielten ſich in der alten Form
mit der Schnur auf der Bruſt, welche die beiden Enden zuſam-
menhielt, bei den Frauen häufiger noch als bei den Männern,
namentlich im bürgerlichen Stande, doch kommen daneben auch
für jene die Hoiken und Trapperte in Gebrauch, von denen
die letzteren, eine Umwandlung des Oberkleides, ein wenig ſpäter
eintraten. Beide waren kürzer als die gewöhnlichen Mäntel,
und dieſe Eigenſchaft wahrſcheinlich machte ſie beliebt. Selbſt
den Mantel wollten die Damen kürzen und thaten es ſo ſehr, daß
der Rath von Straßburg ihnen verbot, ihn kürzer zu tragen denn
¼ Elle über den Knieen; auch den Gebrauch der Knabenmäntel
unterſagte er ihnen, wie ſchon früher der von Speier den Gebrauch
der Männermäntel ihnen verboten hatte. Beides kann ſich nur
auf die beliebte Kürze beziehen.

Im Uebrigen machte ſich gerade das Beſtreben zu langen
Kleidern, oder vielmehr zu Schleppen geltend, welche damals
in Mode kamen und noch heute nicht außer allen Gebrauch
gekommen ſind, ſondern zu Zeiten, wie bekannt, Hofdienſte
zu verrichten haben. Die Schleppe iſt ein Erzeugniß des extra-

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[210/0228] II. Das Mittelalter. Hof und Tänzen gingen,“ ſagt die Limburger Chronik von ihnen in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, „dann trugen ſie zwei Kleider und das Unterkleid mit engen Aermeln.“ Gerade ſo war es im dreizehnten Jahrhundert. Nach einem Göttinger Geſetz durften nur die Frauen, welche der höchſten Vermögensclaſſe an- gehörten, die volle Kleidung tragen, und dazu gehörten ein Ober- kleid, ein Unterkleid und ein langer Mantel. Wenn wir noch das Hemd hinzurechnen, ſo haben wir damit die Hauptbeſtand- theile der weiblichen Kleidung. „Das oberſte Kleid,“ ſo erzählt die Limburger Chronik weiter, „hieß ein Sorkett und war bei den Seiten von unten herauf- geſchliſſen und gefüttert, im Winter mit Buntwerk oder im Som- mer mit Sendel, das da ziemlich einem jeglichen Weib war.“ Dieſe Aufſchlitzung iſt eine neue Mode, die aber zu den vorüber- gehenden Erſcheinungen gehört; ſie ſollte mehr Gelegenheit geben für die koſtbare Pelzverbrämung und zugleich das untere Kleid ſichtbar machen. Die Mäntel hielten ſich in der alten Form mit der Schnur auf der Bruſt, welche die beiden Enden zuſam- menhielt, bei den Frauen häufiger noch als bei den Männern, namentlich im bürgerlichen Stande, doch kommen daneben auch für jene die Hoiken und Trapperte in Gebrauch, von denen die letzteren, eine Umwandlung des Oberkleides, ein wenig ſpäter eintraten. Beide waren kürzer als die gewöhnlichen Mäntel, und dieſe Eigenſchaft wahrſcheinlich machte ſie beliebt. Selbſt den Mantel wollten die Damen kürzen und thaten es ſo ſehr, daß der Rath von Straßburg ihnen verbot, ihn kürzer zu tragen denn ¼ Elle über den Knieen; auch den Gebrauch der Knabenmäntel unterſagte er ihnen, wie ſchon früher der von Speier den Gebrauch der Männermäntel ihnen verboten hatte. Beides kann ſich nur auf die beliebte Kürze beziehen. Im Uebrigen machte ſich gerade das Beſtreben zu langen Kleidern, oder vielmehr zu Schleppen geltend, welche damals in Mode kamen und noch heute nicht außer allen Gebrauch gekommen ſind, ſondern zu Zeiten, wie bekannt, Hofdienſte zu verrichten haben. Die Schleppe iſt ein Erzeugniß des extra-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/228>, abgerufen am 20.04.2024.