Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Trapperte, Hoiken, alle Arten der Oberkleidung werden von ihrergriffen. Doch feierten sie ihre eigentliche Blüthezeit erst fünfzig Jahre später. Mit den Zatteln kamen auch die langen Aermel oder Flügel, auch geflügelte Aermel genannt, in Aufnahme und wuchsen mit ihnen im Uebermaß. Schon 1351 sagt die Lim- burger Chronik von dieser Tracht in Deutschland: "Herren, Ritter und Knechte, wenn sie hoffarten, so hatten sie lange Lappen an ihren Armen bis auf die Erde, gefüttert mit Kleinspalt oder mit Bunt (zwei edle Arten von Rauchwerk), als den Herren und Rit- tern zugehört und den Knechten als ihnen zugehört." Und weiter heißt es zum Jahr 1389: "Fürder trugen die Männer Aermel an Wammsen und an den Schauben und anderer Kleidung, die hat- ten Stauchen (Hängeärmel) beinahe auf die Erde. Und wer die allerlängsten trug, der war der Mann." Mit diesen Dingen ist die Zahl der Excentricitäten noch Die Kleidung der Frauen unterliegt demselben Modegesetz; Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 14
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Trapperte, Hoiken, alle Arten der Oberkleidung werden von ihrergriffen. Doch feierten ſie ihre eigentliche Blüthezeit erſt fünfzig Jahre ſpäter. Mit den Zatteln kamen auch die langen Aermel oder Flügel, auch geflügelte Aermel genannt, in Aufnahme und wuchſen mit ihnen im Uebermaß. Schon 1351 ſagt die Lim- burger Chronik von dieſer Tracht in Deutſchland: „Herren, Ritter und Knechte, wenn ſie hoffarten, ſo hatten ſie lange Lappen an ihren Armen bis auf die Erde, gefüttert mit Kleinſpalt oder mit Bunt (zwei edle Arten von Rauchwerk), als den Herren und Rit- tern zugehört und den Knechten als ihnen zugehört.“ Und weiter heißt es zum Jahr 1389: „Fürder trugen die Männer Aermel an Wammſen und an den Schauben und anderer Kleidung, die hat- ten Stauchen (Hängeärmel) beinahe auf die Erde. Und wer die allerlängſten trug, der war der Mann.“ Mit dieſen Dingen iſt die Zahl der Excentricitäten noch Die Kleidung der Frauen unterliegt demſelben Modegeſetz; Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 14
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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Trapperte, Hoiken, alle Arten der Oberkleidung werden von ihr
ergriffen. Doch feierten ſie ihre eigentliche Blüthezeit erſt fünfzig
Jahre ſpäter. Mit den Zatteln kamen auch die langen Aermel
oder Flügel, auch geflügelte Aermel genannt, in Aufnahme und
wuchſen mit ihnen im Uebermaß. Schon 1351 ſagt die Lim-
burger Chronik von dieſer Tracht in Deutſchland: „Herren, Ritter
und Knechte, wenn ſie hoffarten, ſo hatten ſie lange Lappen an
ihren Armen bis auf die Erde, gefüttert mit Kleinſpalt oder mit
Bunt (zwei edle Arten von Rauchwerk), als den Herren und Rit-
tern zugehört und den Knechten als ihnen zugehört.“ Und weiter
heißt es zum Jahr 1389: „Fürder trugen die Männer Aermel an
Wammſen und an den Schauben und anderer Kleidung, die hat-
ten Stauchen (Hängeärmel) beinahe auf die Erde. Und wer die
allerlängſten trug, der war der Mann.“
Mit dieſen Dingen iſt die Zahl der Excentricitäten noch
keineswegs erſchöpft. Die böhmiſche Chronik erzählt noch von
dem übermäßigen Knopfbeſatz, von Halsbändern und ausgeſtopf-
ten Bruſtlätzen der Männer, gleich Weiberbuſen. Auch Peter
Suchenwirt ſpricht davon als Gegenſtänden der Hoffart in dem
Gedicht von den ſieben Todſünden: „Baumwolle legſt du dir
vor,“ ſagt er, „und ziehſt dich ein in den Seiten, daß du ſchlank
biſt; du thuſt dir ſelbſt weh und biſt ein Spott, und machſt dich
anders als dich Gott nach ſeinem Bilde erſchaffen hat. Früh
und ſpät ſchmierſt du dein Antlitz ein; deine Stirn glitzert und
Salben durchziehen deine Wangen, daß du falſcher Farbe Schein
giebſt. Auch fremdes Haar bindeſt du ein und machſt deine
Zehen anders, als ſie dir Gott gegeben hat, lang, ſpitz und krumm
wie des Teufels Naſe.“ Damals fing man auch wieder an, den
Schmuck in aller Geſtalt am ganzen Körper zu tragen, an Haar,
Hals, Hand wie an den Kleidern, an Gürteln, Taſchen und
Meſſern. Dann kamen zu den ſpitzen Schuhen auch noch die
Schellen.
Die Kleidung der Frauen unterliegt demſelben Modegeſetz;
in völlig entſprechender Weiſe wie bei den Männern gehen die
Veränderungen an den alten Stücken vor ſich. „Wenn ſie zu
Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 14
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