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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
"Viel manchen Ritter auserkoren,
Und viel der Helden wohlgeboren,
Die liebet er mit gebender Hand;
Gold, Silber, Roß und reich Gewand,
Giebt er mit edelicher Art."

Nach der Hofsitte gingen diese Geschenke gewöhnlich durch die
Hand der Fürstinnen und Prinzessinnen. Es veranlaßte die Aus-
gabe für dergleichen keine geringe Belastung der Hofhaltskasse,
und Dichter und Sänger mußten sich daher an kargen Höfen
nicht selten mit abgetragenen Kleidern begnügen. Wenn Jemand
selbst ein ritterliches Fest geben wollte, oder wenn er sich an-
schickte, an fremdem Herrensitze einen Besuch zu machen, so wurde
schon Wochen lang vorher eine große Schaar von Mädchen zu-
sammengebracht, um die nöthige Kleidung bis zum Tage der Ab-
reise herzustellen. Chriemhilde bot dreißig Mädchen auf, da sie
ihren Bruder und seine Genossen ausrüsten will zur Werbung
um die schöne Brunhilde, an deren Hof man glänzende Kleider
trägt. Sieben Wochen arbeitete sie mit dieser Schaar, indem sie
selber zuschnitt und die Mädchen nähten. Wie viel es zu thun
gab, sehen wir daraus, daß auf 4 Tage -- so lange sollte der
Aufenthalt dauern -- dreierlei neue Kleider kommen sollten

-- "und also gut Gewand,
Daß wir ohne Schande heimkehren aus Brunhildens Land."

Dieses Vergnügen an der äußern Erscheinung spiegelt sich in der
Poesie wieder ab. Die Dichter legen denselben Werth auf die
Eleganz und Harmonie der Kleidung wie ihre Helden und Hel-
dinnen, und sie schildern daher deren Aeußeres mit Behagen und
mit eingehender Sachkenntniß und behandeln dasselbe als eine
äußerst wichtige und der poetischen Beschreibung durchaus wür-
dige Sache.

Wenn auch die eigentliche Putzsucht, das Behängen mit
nichtigem Tand, die Ueberladung mit Kostbarkeiten, ein luxuriö-
ser Aufwand, welcher Stand und Vermögen überstieg, den vor-
nehmen und gebildeten Kreisen fern lag, so fehlt doch dergleichen
nicht ganz in dieser Zeit. Im dreizehnten Jahrhundert wenig-

1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
„Viel manchen Ritter auserkoren,
Und viel der Helden wohlgeboren,
Die liebet er mit gebender Hand;
Gold, Silber, Roß und reich Gewand,
Giebt er mit edelicher Art.“

Nach der Hofſitte gingen dieſe Geſchenke gewöhnlich durch die
Hand der Fürſtinnen und Prinzeſſinnen. Es veranlaßte die Aus-
gabe für dergleichen keine geringe Belaſtung der Hofhaltskaſſe,
und Dichter und Sänger mußten ſich daher an kargen Höfen
nicht ſelten mit abgetragenen Kleidern begnügen. Wenn Jemand
ſelbſt ein ritterliches Feſt geben wollte, oder wenn er ſich an-
ſchickte, an fremdem Herrenſitze einen Beſuch zu machen, ſo wurde
ſchon Wochen lang vorher eine große Schaar von Mädchen zu-
ſammengebracht, um die nöthige Kleidung bis zum Tage der Ab-
reiſe herzuſtellen. Chriemhilde bot dreißig Mädchen auf, da ſie
ihren Bruder und ſeine Genoſſen ausrüſten will zur Werbung
um die ſchöne Brunhilde, an deren Hof man glänzende Kleider
trägt. Sieben Wochen arbeitete ſie mit dieſer Schaar, indem ſie
ſelber zuſchnitt und die Mädchen nähten. Wie viel es zu thun
gab, ſehen wir daraus, daß auf 4 Tage — ſo lange ſollte der
Aufenthalt dauern — dreierlei neue Kleider kommen ſollten

— „und alſo gut Gewand,
Daß wir ohne Schande heimkehren aus Brunhildens Land.“

Dieſes Vergnügen an der äußern Erſcheinung ſpiegelt ſich in der
Poeſie wieder ab. Die Dichter legen denſelben Werth auf die
Eleganz und Harmonie der Kleidung wie ihre Helden und Hel-
dinnen, und ſie ſchildern daher deren Aeußeres mit Behagen und
mit eingehender Sachkenntniß und behandeln daſſelbe als eine
äußerſt wichtige und der poetiſchen Beſchreibung durchaus wür-
dige Sache.

Wenn auch die eigentliche Putzſucht, das Behängen mit
nichtigem Tand, die Ueberladung mit Koſtbarkeiten, ein luxuriö-
ſer Aufwand, welcher Stand und Vermögen überſtieg, den vor-
nehmen und gebildeten Kreiſen fern lag, ſo fehlt doch dergleichen
nicht ganz in dieſer Zeit. Im dreizehnten Jahrhundert wenig-

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[153/0171] 1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. „Viel manchen Ritter auserkoren, Und viel der Helden wohlgeboren, Die liebet er mit gebender Hand; Gold, Silber, Roß und reich Gewand, Giebt er mit edelicher Art.“ Nach der Hofſitte gingen dieſe Geſchenke gewöhnlich durch die Hand der Fürſtinnen und Prinzeſſinnen. Es veranlaßte die Aus- gabe für dergleichen keine geringe Belaſtung der Hofhaltskaſſe, und Dichter und Sänger mußten ſich daher an kargen Höfen nicht ſelten mit abgetragenen Kleidern begnügen. Wenn Jemand ſelbſt ein ritterliches Feſt geben wollte, oder wenn er ſich an- ſchickte, an fremdem Herrenſitze einen Beſuch zu machen, ſo wurde ſchon Wochen lang vorher eine große Schaar von Mädchen zu- ſammengebracht, um die nöthige Kleidung bis zum Tage der Ab- reiſe herzuſtellen. Chriemhilde bot dreißig Mädchen auf, da ſie ihren Bruder und ſeine Genoſſen ausrüſten will zur Werbung um die ſchöne Brunhilde, an deren Hof man glänzende Kleider trägt. Sieben Wochen arbeitete ſie mit dieſer Schaar, indem ſie ſelber zuſchnitt und die Mädchen nähten. Wie viel es zu thun gab, ſehen wir daraus, daß auf 4 Tage — ſo lange ſollte der Aufenthalt dauern — dreierlei neue Kleider kommen ſollten — „und alſo gut Gewand, Daß wir ohne Schande heimkehren aus Brunhildens Land.“ Dieſes Vergnügen an der äußern Erſcheinung ſpiegelt ſich in der Poeſie wieder ab. Die Dichter legen denſelben Werth auf die Eleganz und Harmonie der Kleidung wie ihre Helden und Hel- dinnen, und ſie ſchildern daher deren Aeußeres mit Behagen und mit eingehender Sachkenntniß und behandeln daſſelbe als eine äußerſt wichtige und der poetiſchen Beſchreibung durchaus wür- dige Sache. Wenn auch die eigentliche Putzſucht, das Behängen mit nichtigem Tand, die Ueberladung mit Koſtbarkeiten, ein luxuriö- ſer Aufwand, welcher Stand und Vermögen überſtieg, den vor- nehmen und gebildeten Kreiſen fern lag, ſo fehlt doch dergleichen nicht ganz in dieſer Zeit. Im dreizehnten Jahrhundert wenig-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/171>, abgerufen am 26.04.2024.