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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
stens führt der österreichische Sänger und Ritter Nithart in seinen
Gedichten immer auf's Neue Klage über den Uebermuth und
Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern
gleich thun wollen. Wenn hier ein solches Gelüste des Bauern-
standes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen ist, so ist
doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten,
vorzugsweise gesegneten Gegenden Deutschlands statt gefunden
habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau-
platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber
dürften seine Vorwürfe den deutschen Bauernstand nicht treffen.

Der eigentlichen Bauerntracht ist bereits oben Erwäh-
nung geschehen und namentlich ihre Bein- und Fußbekleidung
und Kopfbedeckung näher beschrieben worden. Die unterscheidende
Eigenthümlichkeit bestand ihrerseits in der Form ihres einzigen
Rockes, welcher, ursprünglich ein und derselbe mit dem der
höhern Stände, die Wandlungen des letzteren nicht mitgemacht
hatte. Ihm war daher sowohl die größere Weite wie Kürze ge-
blieben, und namentlich an der letzteren Eigenthümlichkeit sind
auf den Bildern die Leute niedern Standes alsogleich zu erkennen.
Denselben kurzen, kaum bis ans Knie reichenden Rock, über den
Hüften mit einem kleinen überhängenden Bausch gegürtet, tragen
auch die Geschäfts- und Gewerbsleute in den Städten. Einen
Mantel legten sie nur im Winter oder auf einer Reise an; auf
dem Lande wurde dieses Kleidungsstück für gewöhnlich schon durch
die Arbeit verboten. Bergleute und wohl noch andere, nament-
lich solche, deren Geschäft sie viel auf Reisen führte, trugen auch
um Schultern und Kopf die bereits oben beschriebene Gugel in
derselben Weise, wie sie in der Jägertracht häufig vorkommt. So
erscheinen auch die Waffenschmiede, die Knappen und die sonsti-
gen Diener im Gefolge der Ritter, und ebenfalls die vagirenden
Leute, die Schüler, die Spielleute und anderes heimathloses Volk
-- alle diejenigen, denen das Herkommen gebot, kurzgeschornes
Haar zu tragen. Die Spielleute und ihres Gleichen von dem
fahrenden Volk, leicht, eitel und phantastisch wie sie sind, schnit-
ten häufig den untern Saum ihres bunt zusammengesetzten Rockes

II. Das Mittelalter.
ſtens führt der öſterreichiſche Sänger und Ritter Nithart in ſeinen
Gedichten immer auf’s Neue Klage über den Uebermuth und
Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern
gleich thun wollen. Wenn hier ein ſolches Gelüſte des Bauern-
ſtandes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen iſt, ſo iſt
doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten,
vorzugsweiſe geſegneten Gegenden Deutſchlands ſtatt gefunden
habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau-
platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber
dürften ſeine Vorwürfe den deutſchen Bauernſtand nicht treffen.

Der eigentlichen Bauerntracht iſt bereits oben Erwäh-
nung geſchehen und namentlich ihre Bein- und Fußbekleidung
und Kopfbedeckung näher beſchrieben worden. Die unterſcheidende
Eigenthümlichkeit beſtand ihrerſeits in der Form ihres einzigen
Rockes, welcher, urſprünglich ein und derſelbe mit dem der
höhern Stände, die Wandlungen des letzteren nicht mitgemacht
hatte. Ihm war daher ſowohl die größere Weite wie Kürze ge-
blieben, und namentlich an der letzteren Eigenthümlichkeit ſind
auf den Bildern die Leute niedern Standes alſogleich zu erkennen.
Denſelben kurzen, kaum bis ans Knie reichenden Rock, über den
Hüften mit einem kleinen überhängenden Bauſch gegürtet, tragen
auch die Geſchäfts- und Gewerbsleute in den Städten. Einen
Mantel legten ſie nur im Winter oder auf einer Reiſe an; auf
dem Lande wurde dieſes Kleidungsſtück für gewöhnlich ſchon durch
die Arbeit verboten. Bergleute und wohl noch andere, nament-
lich ſolche, deren Geſchäft ſie viel auf Reiſen führte, trugen auch
um Schultern und Kopf die bereits oben beſchriebene Gugel in
derſelben Weiſe, wie ſie in der Jägertracht häufig vorkommt. So
erſcheinen auch die Waffenſchmiede, die Knappen und die ſonſti-
gen Diener im Gefolge der Ritter, und ebenfalls die vagirenden
Leute, die Schüler, die Spielleute und anderes heimathloſes Volk
— alle diejenigen, denen das Herkommen gebot, kurzgeſchornes
Haar zu tragen. Die Spielleute und ihres Gleichen von dem
fahrenden Volk, leicht, eitel und phantaſtiſch wie ſie ſind, ſchnit-
ten häufig den untern Saum ihres bunt zuſammengeſetzten Rockes

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[154/0172] II. Das Mittelalter. ſtens führt der öſterreichiſche Sänger und Ritter Nithart in ſeinen Gedichten immer auf’s Neue Klage über den Uebermuth und Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern gleich thun wollen. Wenn hier ein ſolches Gelüſte des Bauern- ſtandes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen iſt, ſo iſt doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten, vorzugsweiſe geſegneten Gegenden Deutſchlands ſtatt gefunden habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau- platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber dürften ſeine Vorwürfe den deutſchen Bauernſtand nicht treffen. Der eigentlichen Bauerntracht iſt bereits oben Erwäh- nung geſchehen und namentlich ihre Bein- und Fußbekleidung und Kopfbedeckung näher beſchrieben worden. Die unterſcheidende Eigenthümlichkeit beſtand ihrerſeits in der Form ihres einzigen Rockes, welcher, urſprünglich ein und derſelbe mit dem der höhern Stände, die Wandlungen des letzteren nicht mitgemacht hatte. Ihm war daher ſowohl die größere Weite wie Kürze ge- blieben, und namentlich an der letzteren Eigenthümlichkeit ſind auf den Bildern die Leute niedern Standes alſogleich zu erkennen. Denſelben kurzen, kaum bis ans Knie reichenden Rock, über den Hüften mit einem kleinen überhängenden Bauſch gegürtet, tragen auch die Geſchäfts- und Gewerbsleute in den Städten. Einen Mantel legten ſie nur im Winter oder auf einer Reiſe an; auf dem Lande wurde dieſes Kleidungsſtück für gewöhnlich ſchon durch die Arbeit verboten. Bergleute und wohl noch andere, nament- lich ſolche, deren Geſchäft ſie viel auf Reiſen führte, trugen auch um Schultern und Kopf die bereits oben beſchriebene Gugel in derſelben Weiſe, wie ſie in der Jägertracht häufig vorkommt. So erſcheinen auch die Waffenſchmiede, die Knappen und die ſonſti- gen Diener im Gefolge der Ritter, und ebenfalls die vagirenden Leute, die Schüler, die Spielleute und anderes heimathloſes Volk — alle diejenigen, denen das Herkommen gebot, kurzgeſchornes Haar zu tragen. Die Spielleute und ihres Gleichen von dem fahrenden Volk, leicht, eitel und phantaſtiſch wie ſie ſind, ſchnit- ten häufig den untern Saum ihres bunt zuſammengeſetzten Rockes

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/172>, abgerufen am 24.11.2024.