Entstehung oder ihr Uebergang nach Deutschland am Ende des zwölften Jahrhunderts statt gefunden haben. Die Frauen bei Rüdeger in Pechlaren
"Trugen auf den Häuptern von Golde lichtes Band, Das waren Schapel reiche, daß ihnen ihr schönes Haar Zerzauseten nicht die Winde."
Und als Chriemhild die Brunhilde und ihr Gesinde empfängt,
"Sah man die Schapel rücken mit weißen Händen dann, Da sie sich küßten beide."
Ein ander Mal, da Chriemhild den König Etzel begrüßt und ihn küßt, muß sie das "Gebende" hinaufrücken, weil es im Wege steht. Wie anderswo beide Ausdrücke mit einander verwechselt werden, so scheinen auch in der zweiten und dritten der angeführ- ten Stellen Schapel und Gebende dasselbe zu bezeichnen. Die ursprüngliche und gewöhnliche Form dieser letztern Kopftracht war ein steifes Band, etwa von der Breite einer Damenhand, welches wie ein Reif oder, wenn oben geschlossen, wie ein flaches Barett das Haupt umschloß; befestigt war es durch ein anderes Band, welches, unten schmäler werdend, sich um Wangen und Kinn herum legte. In der Zeit der Manessischen Handschrift (um 1300) hat das Gebende oben einen welligen Rand erhalten, den man für feine Pelzverbrämung halten könnte. Die Farbe ist am häu- figsten weiß, doch erscheinen daneben Roth, Grün u. a. Auch die Frauenstatuen im Naumburger Dom tragen dieses Gebende, aber von einem edelsteinbesetzten Goldreif umzogen. Im drei- zehnten Jahrhundert und im Anfang des vierzehnten stellte sich das Gebende im ritterlichen Stande im Allgemeinen als die Tracht der verheiratheten Frauen dem Schapel, als den Jung- frauen angehörig, entgegen. Beide tragen sonst das ungebundene Lockenhaar. Ein seltner Fall dürfte es sein, wenn eine Frau das Gebende über dem in ein Goldnetz gefaßten Haar trägt, wie ein derartiges Beispiel Hefner (I, 49) mittheilt. In der Manessischen Handschrift findet sich nur ein paar Mal das Haar unter einer Netzhaube zusammengefaßt, welche in ihrer Form einem breiten Hute gleicht. In Heinrichs von Friberg Tristan trägt die blonde
II. Das Mittelalter.
Entſtehung oder ihr Uebergang nach Deutſchland am Ende des zwölften Jahrhunderts ſtatt gefunden haben. Die Frauen bei Rüdeger in Pechlaren
„Trugen auf den Häuptern von Golde lichtes Band, Das waren Schapel reiche, daß ihnen ihr ſchönes Haar Zerzauſeten nicht die Winde.“
Und als Chriemhild die Brunhilde und ihr Geſinde empfängt,
„Sah man die Schapel rücken mit weißen Händen dann, Da ſie ſich küßten beide.“
Ein ander Mal, da Chriemhild den König Etzel begrüßt und ihn küßt, muß ſie das „Gebende“ hinaufrücken, weil es im Wege ſteht. Wie anderswo beide Ausdrücke mit einander verwechſelt werden, ſo ſcheinen auch in der zweiten und dritten der angeführ- ten Stellen Schapel und Gebende daſſelbe zu bezeichnen. Die urſprüngliche und gewöhnliche Form dieſer letztern Kopftracht war ein ſteifes Band, etwa von der Breite einer Damenhand, welches wie ein Reif oder, wenn oben geſchloſſen, wie ein flaches Barett das Haupt umſchloß; befeſtigt war es durch ein anderes Band, welches, unten ſchmäler werdend, ſich um Wangen und Kinn herum legte. In der Zeit der Maneſſiſchen Handſchrift (um 1300) hat das Gebende oben einen welligen Rand erhalten, den man für feine Pelzverbrämung halten könnte. Die Farbe iſt am häu- figſten weiß, doch erſcheinen daneben Roth, Grün u. a. Auch die Frauenſtatuen im Naumburger Dom tragen dieſes Gebende, aber von einem edelſteinbeſetzten Goldreif umzogen. Im drei- zehnten Jahrhundert und im Anfang des vierzehnten ſtellte ſich das Gebende im ritterlichen Stande im Allgemeinen als die Tracht der verheiratheten Frauen dem Schapel, als den Jung- frauen angehörig, entgegen. Beide tragen ſonſt das ungebundene Lockenhaar. Ein ſeltner Fall dürfte es ſein, wenn eine Frau das Gebende über dem in ein Goldnetz gefaßten Haar trägt, wie ein derartiges Beiſpiel Hefner (I, 49) mittheilt. In der Maneſſiſchen Handſchrift findet ſich nur ein paar Mal das Haar unter einer Netzhaube zuſammengefaßt, welche in ihrer Form einem breiten Hute gleicht. In Heinrichs von Friberg Triſtan trägt die blonde
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II. Das Mittelalter.
Entſtehung oder ihr Uebergang nach Deutſchland am Ende des
zwölften Jahrhunderts ſtatt gefunden haben. Die Frauen bei
Rüdeger in Pechlaren
„Trugen auf den Häuptern von Golde lichtes Band,
Das waren Schapel reiche, daß ihnen ihr ſchönes Haar
Zerzauſeten nicht die Winde.“
Und als Chriemhild die Brunhilde und ihr Geſinde empfängt,
„Sah man die Schapel rücken mit weißen Händen dann,
Da ſie ſich küßten beide.“
Ein ander Mal, da Chriemhild den König Etzel begrüßt und ihn
küßt, muß ſie das „Gebende“ hinaufrücken, weil es im Wege
ſteht. Wie anderswo beide Ausdrücke mit einander verwechſelt
werden, ſo ſcheinen auch in der zweiten und dritten der angeführ-
ten Stellen Schapel und Gebende daſſelbe zu bezeichnen. Die
urſprüngliche und gewöhnliche Form dieſer letztern Kopftracht war
ein ſteifes Band, etwa von der Breite einer Damenhand, welches
wie ein Reif oder, wenn oben geſchloſſen, wie ein flaches Barett
das Haupt umſchloß; befeſtigt war es durch ein anderes Band,
welches, unten ſchmäler werdend, ſich um Wangen und Kinn
herum legte. In der Zeit der Maneſſiſchen Handſchrift (um 1300)
hat das Gebende oben einen welligen Rand erhalten, den man
für feine Pelzverbrämung halten könnte. Die Farbe iſt am häu-
figſten weiß, doch erſcheinen daneben Roth, Grün u. a. Auch
die Frauenſtatuen im Naumburger Dom tragen dieſes Gebende,
aber von einem edelſteinbeſetzten Goldreif umzogen. Im drei-
zehnten Jahrhundert und im Anfang des vierzehnten ſtellte ſich
das Gebende im ritterlichen Stande im Allgemeinen als die
Tracht der verheiratheten Frauen dem Schapel, als den Jung-
frauen angehörig, entgegen. Beide tragen ſonſt das ungebundene
Lockenhaar. Ein ſeltner Fall dürfte es ſein, wenn eine Frau das
Gebende über dem in ein Goldnetz gefaßten Haar trägt, wie ein
derartiges Beiſpiel Hefner (I, 49) mittheilt. In der Maneſſiſchen
Handſchrift findet ſich nur ein paar Mal das Haar unter einer
Netzhaube zuſammengefaßt, welche in ihrer Form einem breiten
Hute gleicht. In Heinrichs von Friberg Triſtan trägt die blonde
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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