Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. wenigstens einmal wöchentlich. Der Tannhäuser that das zwei-mal, wie er in einem Gedicht erzählt, und das nahm nebst schö- nen Weibern und leckerem Frühstück seinen Geldbeutel stark in Anspruch. Gästen, die von der Reise kamen, wurde von ihren Wirthen zuerst ein Bad bereitet. Die Bedienung geschah hier wie in den öffentlichen Badstuben von Frauenhänden. Der Badende wurde erst mit lauem Wasser gewaschen, dann übergossen, gerie- ben und geknetet. -- Den Kopf bildeten die geistlichen Künstler, die Bildhauer II. Das Mittelalter. wenigſtens einmal wöchentlich. Der Tannhäuſer that das zwei-mal, wie er in einem Gedicht erzählt, und das nahm nebſt ſchö- nen Weibern und leckerem Frühſtück ſeinen Geldbeutel ſtark in Anſpruch. Gäſten, die von der Reiſe kamen, wurde von ihren Wirthen zuerſt ein Bad bereitet. Die Bedienung geſchah hier wie in den öffentlichen Badſtuben von Frauenhänden. Der Badende wurde erſt mit lauem Waſſer gewaſchen, dann übergoſſen, gerie- ben und geknetet. — Den Kopf bildeten die geiſtlichen Künſtler, die Bildhauer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> wenigſtens einmal wöchentlich. Der Tannhäuſer that das zwei-<lb/> mal, wie er in einem Gedicht erzählt, und das nahm nebſt ſchö-<lb/> nen Weibern und leckerem Frühſtück ſeinen Geldbeutel ſtark in<lb/> Anſpruch. Gäſten, die von der Reiſe kamen, wurde von ihren<lb/> Wirthen zuerſt ein Bad bereitet. Die Bedienung geſchah hier wie<lb/> in den öffentlichen Badſtuben von Frauenhänden. Der Badende<lb/> wurde erſt mit lauem Waſſer gewaſchen, dann übergoſſen, gerie-<lb/> ben und geknetet. —</p><lb/> <p>Den <hi rendition="#g">Kopf</hi> bildeten die geiſtlichen Künſtler, die Bildhauer<lb/> ſowohl wie die Maler, welche letzteren es mit weniger geſchickter<lb/> Hand jenen gleichzuthun trachteten, im Ganzen in mehr rundli-<lb/> chen und weichen Formen, der deutſchen Natur getreu, der ſie<lb/> ſicherlich nachgearbeitet haben. Die Antike iſt völlig von der<lb/> neuen, originell auflebenden Kunſt vergeſſen. Das Oval des<lb/> Geſichts nähert ſich bedeutend dem Runden, die Stirne iſt hoch<lb/> und rund gewölbt, der Stirnknochen über dem Auge rund gear-<lb/> beitet, die Naſe, fein und nicht lang, zieht ſich nach einem Anſatz<lb/> von leiſer, ſanfter Einſenkung in grader Linie herab, die Wan-<lb/> gen ſind voll und rund, der Mund klein, doch voll, das Kinn<lb/> fein, gerundet und ſelbſtſtändig, mit gerundeter Vertiefung zwi-<lb/> ſchen ihm und der Unterlippe. Die Dichter ſtimmen mit dieſer<lb/> Bildung des Kopfes völlig überein, obwohl ſie von der Farbe<lb/> gewöhnlich mehr und poetiſcher zu reden wiſſen als von der Form.<lb/> Sie beſchreiben die <hi rendition="#g">Stirn</hi> als weiß, offen, klar und gewölbt,<lb/> die <hi rendition="#g">Naſe</hi> eher klein als lang und nicht oder ein klein wenig ge-<lb/> bogen, die <hi rendition="#g">Wangen</hi> voll, aber „zart gedrenget“ und blühend,<lb/> und das <hi rendition="#g">Kinn</hi> „wohlgeſtellet zu der Minne“, rund und weiß wie<lb/> Alabaſter, auch wohl mit einem Grübchen, wie mit dem Finger<lb/> gedrückt. Der kleine, ſchwellende, kußliche <hi rendition="#g">Mund</hi>, der jeden<lb/> Kummer vergeſſen macht, ſtand der ſchönen Hero — nach dem<lb/> mittelalterlichen Gedicht — wie ein lichter Rubin, als ob er in<lb/> Feuer entzündet wäre. Ulrichs von Liechtenſtein geliebten Frau<lb/> iſt er heiß und ſüß, röther denn eine Roſe. Glühend und bren-<lb/> nend wie ein Rubin, roſenfarben, mit Roſen beſtreut, blutroth,<lb/> feuerroth als könne man Feuer daraus ſchlagen, glühend und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0106]
II. Das Mittelalter.
wenigſtens einmal wöchentlich. Der Tannhäuſer that das zwei-
mal, wie er in einem Gedicht erzählt, und das nahm nebſt ſchö-
nen Weibern und leckerem Frühſtück ſeinen Geldbeutel ſtark in
Anſpruch. Gäſten, die von der Reiſe kamen, wurde von ihren
Wirthen zuerſt ein Bad bereitet. Die Bedienung geſchah hier wie
in den öffentlichen Badſtuben von Frauenhänden. Der Badende
wurde erſt mit lauem Waſſer gewaſchen, dann übergoſſen, gerie-
ben und geknetet. —
Den Kopf bildeten die geiſtlichen Künſtler, die Bildhauer
ſowohl wie die Maler, welche letzteren es mit weniger geſchickter
Hand jenen gleichzuthun trachteten, im Ganzen in mehr rundli-
chen und weichen Formen, der deutſchen Natur getreu, der ſie
ſicherlich nachgearbeitet haben. Die Antike iſt völlig von der
neuen, originell auflebenden Kunſt vergeſſen. Das Oval des
Geſichts nähert ſich bedeutend dem Runden, die Stirne iſt hoch
und rund gewölbt, der Stirnknochen über dem Auge rund gear-
beitet, die Naſe, fein und nicht lang, zieht ſich nach einem Anſatz
von leiſer, ſanfter Einſenkung in grader Linie herab, die Wan-
gen ſind voll und rund, der Mund klein, doch voll, das Kinn
fein, gerundet und ſelbſtſtändig, mit gerundeter Vertiefung zwi-
ſchen ihm und der Unterlippe. Die Dichter ſtimmen mit dieſer
Bildung des Kopfes völlig überein, obwohl ſie von der Farbe
gewöhnlich mehr und poetiſcher zu reden wiſſen als von der Form.
Sie beſchreiben die Stirn als weiß, offen, klar und gewölbt,
die Naſe eher klein als lang und nicht oder ein klein wenig ge-
bogen, die Wangen voll, aber „zart gedrenget“ und blühend,
und das Kinn „wohlgeſtellet zu der Minne“, rund und weiß wie
Alabaſter, auch wohl mit einem Grübchen, wie mit dem Finger
gedrückt. Der kleine, ſchwellende, kußliche Mund, der jeden
Kummer vergeſſen macht, ſtand der ſchönen Hero — nach dem
mittelalterlichen Gedicht — wie ein lichter Rubin, als ob er in
Feuer entzündet wäre. Ulrichs von Liechtenſtein geliebten Frau
iſt er heiß und ſüß, röther denn eine Roſe. Glühend und bren-
nend wie ein Rubin, roſenfarben, mit Roſen beſtreut, blutroth,
feuerroth als könne man Feuer daraus ſchlagen, glühend und
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