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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
diger: "Pfui, ihr Färberinnen und ihr Gilberinnen (die das Haar
gelb färben), wie gerne ihr zu dem Himmelreich möchtet kommen!
Ihr seid aber fremde Gäste zu dem Himmelreich. Denn ihr habt
Gottes verleugnet und davon verleugnet er eurer auch." Ein ander
Mal sagte er: "die Gemalten und die Gefärbten, die schämen sich
ihres Antlitzes, das Gott nach sich gebildet hat; so wird auch er sich
ihrer schämen und sie werfen in den Grund der Hölle." Scherz-
hafter Weise wurde diese Fehde der Geistlichen in einem gleichzei-
tigen Gedicht so aufgefaßt, als ob die Mönche, bis dahin die
ausschließlichen Besitzer der Malerei, in ihrem Privilegium durch
das Bemalen der lebendigen Gesichter Eintrag erlitten. Sie kla-
gen deßhalb vor Gottes Thron, daß die rothangestrichenen Frauen
ihre rothwangigen Heiligenbilder in der Kirche überstrahlten, und
verlangen, Gott solle ihnen das verbieten. Die Frauen meinen,
ihr Recht sei älter als die Heiligenmalerei, und sie nähmen den
Mönchen nichts, wenn sie die Runzeln verstrichen, um die Män-
ner länger am Narrenseil führen zu können. Gott ist gnädig ge-
sinnt und will den Frauen das Recht des Bemalens vom fünf-
undzwanzigsten Jahre an gerechnet noch auf fernere zwanzig zu-
gestehen. Diesem Vorschlage widersetzen sich die Mönche und wol-
len nur zehn Jahre gewähren, und auch das nur aus überflüssiger
Gnade. Durch einen Vergleich werden endlich den Frauen funf-
zehn Jahre zugestanden.

Von der Haut verlangte man neben der blanken Glätte, Rein-
heit, Weiße und linden Weichheit noch Feinheit und Durchsich-
tigkeit, daß man am Halse den rothen Wein durchschimmern sehen
konnte, wenn eine schöne Dame trank. Diese Vorzüge zu erhalten,
brauchte man als Waschmittel gekochtes und wieder abgekühltes
oder von Lilien, Bohnen und anderm abgezogenes Wasser; es
gab auch Mittel gegen Narben und Sommersprossen und sonstige
Flecken und Unreinheiten der Haut. Der Gebrauch der Bäder zu
diesem Zweck pflanzte sich durch das ganze Mittelalter fort. Jede
größere Wohnung hatte ihre im Winter geheizte Badestube, wäh-
rend die kleineren sich mit Badewannen begnügen mußten. Wer
keinen eigenen Herd hatte, besuchte die öffentlichen Badestuben

1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
diger: „Pfui, ihr Färberinnen und ihr Gilberinnen (die das Haar
gelb färben), wie gerne ihr zu dem Himmelreich möchtet kommen!
Ihr ſeid aber fremde Gäſte zu dem Himmelreich. Denn ihr habt
Gottes verleugnet und davon verleugnet er eurer auch.“ Ein ander
Mal ſagte er: „die Gemalten und die Gefärbten, die ſchämen ſich
ihres Antlitzes, das Gott nach ſich gebildet hat; ſo wird auch er ſich
ihrer ſchämen und ſie werfen in den Grund der Hölle.“ Scherz-
hafter Weiſe wurde dieſe Fehde der Geiſtlichen in einem gleichzei-
tigen Gedicht ſo aufgefaßt, als ob die Mönche, bis dahin die
ausſchließlichen Beſitzer der Malerei, in ihrem Privilegium durch
das Bemalen der lebendigen Geſichter Eintrag erlitten. Sie kla-
gen deßhalb vor Gottes Thron, daß die rothangeſtrichenen Frauen
ihre rothwangigen Heiligenbilder in der Kirche überſtrahlten, und
verlangen, Gott ſolle ihnen das verbieten. Die Frauen meinen,
ihr Recht ſei älter als die Heiligenmalerei, und ſie nähmen den
Mönchen nichts, wenn ſie die Runzeln verſtrichen, um die Män-
ner länger am Narrenſeil führen zu können. Gott iſt gnädig ge-
ſinnt und will den Frauen das Recht des Bemalens vom fünf-
undzwanzigſten Jahre an gerechnet noch auf fernere zwanzig zu-
geſtehen. Dieſem Vorſchlage widerſetzen ſich die Mönche und wol-
len nur zehn Jahre gewähren, und auch das nur aus überflüſſiger
Gnade. Durch einen Vergleich werden endlich den Frauen funf-
zehn Jahre zugeſtanden.

Von der Haut verlangte man neben der blanken Glätte, Rein-
heit, Weiße und linden Weichheit noch Feinheit und Durchſich-
tigkeit, daß man am Halſe den rothen Wein durchſchimmern ſehen
konnte, wenn eine ſchöne Dame trank. Dieſe Vorzüge zu erhalten,
brauchte man als Waſchmittel gekochtes und wieder abgekühltes
oder von Lilien, Bohnen und anderm abgezogenes Waſſer; es
gab auch Mittel gegen Narben und Sommerſproſſen und ſonſtige
Flecken und Unreinheiten der Haut. Der Gebrauch der Bäder zu
dieſem Zweck pflanzte ſich durch das ganze Mittelalter fort. Jede
größere Wohnung hatte ihre im Winter geheizte Badeſtube, wäh-
rend die kleineren ſich mit Badewannen begnügen mußten. Wer
keinen eigenen Herd hatte, beſuchte die öffentlichen Badeſtuben

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[87/0105] 1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. diger: „Pfui, ihr Färberinnen und ihr Gilberinnen (die das Haar gelb färben), wie gerne ihr zu dem Himmelreich möchtet kommen! Ihr ſeid aber fremde Gäſte zu dem Himmelreich. Denn ihr habt Gottes verleugnet und davon verleugnet er eurer auch.“ Ein ander Mal ſagte er: „die Gemalten und die Gefärbten, die ſchämen ſich ihres Antlitzes, das Gott nach ſich gebildet hat; ſo wird auch er ſich ihrer ſchämen und ſie werfen in den Grund der Hölle.“ Scherz- hafter Weiſe wurde dieſe Fehde der Geiſtlichen in einem gleichzei- tigen Gedicht ſo aufgefaßt, als ob die Mönche, bis dahin die ausſchließlichen Beſitzer der Malerei, in ihrem Privilegium durch das Bemalen der lebendigen Geſichter Eintrag erlitten. Sie kla- gen deßhalb vor Gottes Thron, daß die rothangeſtrichenen Frauen ihre rothwangigen Heiligenbilder in der Kirche überſtrahlten, und verlangen, Gott ſolle ihnen das verbieten. Die Frauen meinen, ihr Recht ſei älter als die Heiligenmalerei, und ſie nähmen den Mönchen nichts, wenn ſie die Runzeln verſtrichen, um die Män- ner länger am Narrenſeil führen zu können. Gott iſt gnädig ge- ſinnt und will den Frauen das Recht des Bemalens vom fünf- undzwanzigſten Jahre an gerechnet noch auf fernere zwanzig zu- geſtehen. Dieſem Vorſchlage widerſetzen ſich die Mönche und wol- len nur zehn Jahre gewähren, und auch das nur aus überflüſſiger Gnade. Durch einen Vergleich werden endlich den Frauen funf- zehn Jahre zugeſtanden. Von der Haut verlangte man neben der blanken Glätte, Rein- heit, Weiße und linden Weichheit noch Feinheit und Durchſich- tigkeit, daß man am Halſe den rothen Wein durchſchimmern ſehen konnte, wenn eine ſchöne Dame trank. Dieſe Vorzüge zu erhalten, brauchte man als Waſchmittel gekochtes und wieder abgekühltes oder von Lilien, Bohnen und anderm abgezogenes Waſſer; es gab auch Mittel gegen Narben und Sommerſproſſen und ſonſtige Flecken und Unreinheiten der Haut. Der Gebrauch der Bäder zu dieſem Zweck pflanzte ſich durch das ganze Mittelalter fort. Jede größere Wohnung hatte ihre im Winter geheizte Badeſtube, wäh- rend die kleineren ſich mit Badewannen begnügen mußten. Wer keinen eigenen Herd hatte, beſuchte die öffentlichen Badeſtuben

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/105>, abgerufen am 25.04.2024.