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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von äusserl. umständen im fürtrage
heraus, solches ist gewiß sehr unangenehm, und
man wird von keiner noth dazu gezwungen.
b) Dieses ist das gröste kunst-stück der ausrede, daß
man den accent recht zu setzen, und den ausdruck
am gehörigen ort emphatisch zu machen wisse.
Z. e. in dem spruch: Rommt her zu mir, alle
die ihr mühseelig und beladen seyd,
steckt der
gröste nachdruck in den wörtern mir und ich,
wer
ihn da nicht durch den accent erhöhet, re-
det ihn nicht recht aus. Hingegen bey den
allegationibus z. e. der biblischen sprüche, ist
kein nachdruck durch den accent anzudeuten, und
wer das capitel und den verß mit einer noch so
pathetischen ausrede beehrete, würde damit
nichts kluges ausrichten. Da ist es recht unan-
genehm, wann man in der ausrede einen confu-
sen accent führet.

§. 8. Das gesicht muß von dem inwendi-
gen affect des redners am meisten zeugen, da-
mit auch der zuhörer gemüth, welche dem red-
ner gemeiniglich ins gesicht sehen, dadurch ge-
rühret werde. Man muß also seine augen so
wenden, daß nichts flatterhaftiges noch starres
darinn wahrgenommen werde, und doch ein
ieder von den zuhörern sagen könne, daß man
ihn angesehen, und also mit ihm geredet habe.
Die mine, welche man mehrentheils von natur
hat, muß durch ein ungezwungenes air, nach
beschaffenheit des obiecti, eingerichtet werden,
und von einer freymüthigen sittsamkeit zeugen.

§. 9. Die bewegungen der hände und füs-
se, ja des gantzen leibes, müssen sich nach be-
schaffenheit der sache und der statur des red-

ners
von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
heraus, ſolches iſt gewiß ſehr unangenehm, und
man wird von keiner noth dazu gezwungen.
b) Dieſes iſt das groͤſte kunſt-ſtuͤck der ausrede, daß
man den accent recht zu ſetzen, und den ausdruck
am gehoͤrigen ort emphatiſch zu machen wiſſe.
Z. e. in dem ſpruch: Rommt her zu mir, alle
die ihr muͤhſeelig und beladen ſeyd,
ſteckt der
groͤſte nachdruck in den woͤrtern mir und ich,
wer
ihn da nicht durch den accent erhoͤhet, re-
det ihn nicht recht aus. Hingegen bey den
allegationibus z. e. der bibliſchen ſpruͤche, iſt
kein nachdruck durch den accent anzudeuten, und
wer das capitel und den verß mit einer noch ſo
pathetiſchen ausrede beehrete, wuͤrde damit
nichts kluges ausrichten. Da iſt es recht unan-
genehm, wann man in der ausrede einen confu-
ſen accent fuͤhret.

§. 8. Das geſicht muß von dem inwendi-
gen affect des redners am meiſten zeugen, da-
mit auch der zuhoͤrer gemuͤth, welche dem red-
ner gemeiniglich ins geſicht ſehen, dadurch ge-
ruͤhret werde. Man muß alſo ſeine augen ſo
wenden, daß nichts flatterhaftiges noch ſtarres
darinn wahrgenommen werde, und doch ein
ieder von den zuhoͤrern ſagen koͤnne, daß man
ihn angeſehen, und alſo mit ihm geredet habe.
Die mine, welche man mehrentheils von natur
hat, muß durch ein ungezwungenes air, nach
beſchaffenheit des obiecti, eingerichtet werden,
und von einer freymuͤthigen ſittſamkeit zeugen.

§. 9. Die bewegungen der haͤnde und fuͤſ-
ſe, ja des gantzen leibes, muͤſſen ſich nach be-
ſchaffenheit der ſache und der ſtatur des red-

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[536/0554] von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage a⁾ heraus, ſolches iſt gewiß ſehr unangenehm, und man wird von keiner noth dazu gezwungen. b⁾ Dieſes iſt das groͤſte kunſt-ſtuͤck der ausrede, daß man den accent recht zu ſetzen, und den ausdruck am gehoͤrigen ort emphatiſch zu machen wiſſe. Z. e. in dem ſpruch: Rommt her zu mir, alle die ihr muͤhſeelig und beladen ſeyd, ſteckt der groͤſte nachdruck in den woͤrtern mir und ich, wer ihn da nicht durch den accent erhoͤhet, re- det ihn nicht recht aus. Hingegen bey den allegationibus z. e. der bibliſchen ſpruͤche, iſt kein nachdruck durch den accent anzudeuten, und wer das capitel und den verß mit einer noch ſo pathetiſchen ausrede beehrete, wuͤrde damit nichts kluges ausrichten. Da iſt es recht unan- genehm, wann man in der ausrede einen confu- ſen accent fuͤhret. §. 8. Das geſicht muß von dem inwendi- gen affect des redners am meiſten zeugen, da- mit auch der zuhoͤrer gemuͤth, welche dem red- ner gemeiniglich ins geſicht ſehen, dadurch ge- ruͤhret werde. Man muß alſo ſeine augen ſo wenden, daß nichts flatterhaftiges noch ſtarres darinn wahrgenommen werde, und doch ein ieder von den zuhoͤrern ſagen koͤnne, daß man ihn angeſehen, und alſo mit ihm geredet habe. Die mine, welche man mehrentheils von natur hat, muß durch ein ungezwungenes air, nach beſchaffenheit des obiecti, eingerichtet werden, und von einer freymuͤthigen ſittſamkeit zeugen. §. 9. Die bewegungen der haͤnde und fuͤſ- ſe, ja des gantzen leibes, muͤſſen ſich nach be- ſchaffenheit der ſache und der ſtatur des red- ners

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/554>, abgerufen am 22.11.2024.