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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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dem schreiben und ausreden.
habe in diesem stück dem ehmaligen Prof. Eloqu.
in Helmstädt Hln D. Böhmer und dem Hln D.
Schmiden in Leipzig viele verbindlichkeit, da
beyde als meine Hochgeehrtesten Lehrer, iener in
einer Societate parentatoria, dieser in der obener-
wehnten Societate oratoria mir deßfalls die schön-
ste gelegenheit zur übung gegeben. Dieienigen
welche ihre reden herlesen, dürfen ihres ge-
dächtnisses wegen in keiner gefahr stehen, aber
es fällt auch sonst viel annehmlichkeit dabey
weg.

§. 7. Bey der sprache muß man zwischen
der geschwindigkeit und langsamkeit, zwischen
der stärcke und schwäche, zwischen der erhebung
und erniedrigung derselben, allezeit die mittel-
strasse halten, damit man nach belieben diesel-
be verändern könne, in keine verdrießliche mo-
notonie falle, kein gräßliches geschrey und ler-
men, dabey die stimme überschnappt, mache,
nicht pfeiffe oder brülle, und unversehens von
einem extremo ins andere gerathe,a) sondern
ohne zwang die argumenta, zumahl die pathe-
tica, wo die rechte neben-idee des affects ist,
durch den accent wohl unterscheiden möge.b) Jn gesellschaft und in reden gegen höhere, muß
die stimme, so viel sich thun läst, moderiret
werden.

a) Z. e. ein gewisser prediger hatte auf der schule
im chor, durch die fistel den discant gesungen,
nachdem er ins amt gekommen redete er ordent-
lich den baß, aber in predigten wechselte baß und
und discant gar seltsam miteinander ah. Also
wann man gantz gelinde geredet hat, und fähret
aus einmahl mit grossem geschrey und gepolter
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dem ſchreiben und ausreden.
habe in dieſem ſtuͤck dem ehmaligen Prof. Eloqu.
in Helmſtaͤdt Hln D. Boͤhmer und dem Hln D.
Schmiden in Leipzig viele verbindlichkeit, da
beyde als meine Hochgeehrteſten Lehrer, iener in
einer Societate parentatoria, dieſer in der obener-
wehnten Societate oratoria mir deßfalls die ſchoͤn-
ſte gelegenheit zur uͤbung gegeben. Dieienigen
welche ihre reden herleſen, duͤrfen ihres ge-
daͤchtniſſes wegen in keiner gefahr ſtehen, aber
es faͤllt auch ſonſt viel annehmlichkeit dabey
weg.

§. 7. Bey der ſprache muß man zwiſchen
der geſchwindigkeit und langſamkeit, zwiſchen
der ſtaͤrcke und ſchwaͤche, zwiſchen der erhebung
und erniedrigung derſelben, allezeit die mittel-
ſtraſſe halten, damit man nach belieben dieſel-
be veraͤndern koͤnne, in keine verdrießliche mo-
notonie falle, kein graͤßliches geſchrey und ler-
men, dabey die ſtimme uͤberſchnappt, mache,
nicht pfeiffe oder bruͤlle, und unverſehens von
einem extremo ins andere gerathe,a) ſondern
ohne zwang die argumenta, zumahl die pathe-
tica, wo die rechte neben-idee des affects iſt,
durch den accent wohl unterſcheiden moͤge.b) Jn geſellſchaft und in reden gegen hoͤhere, muß
die ſtimme, ſo viel ſich thun laͤſt, moderiret
werden.

a) Z. e. ein gewiſſer prediger hatte auf der ſchule
im chor, durch die fiſtel den diſcant geſungen,
nachdem er ins amt gekommen redete er ordent-
lich den baß, aber in predigten wechſelte baß und
und diſcant gar ſeltſam miteinander ah. Alſo
wann man gantz gelinde geredet hat, und faͤhret
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[535/0553] dem ſchreiben und ausreden. b⁾ habe in dieſem ſtuͤck dem ehmaligen Prof. Eloqu. in Helmſtaͤdt Hln D. Boͤhmer und dem Hln D. Schmiden in Leipzig viele verbindlichkeit, da beyde als meine Hochgeehrteſten Lehrer, iener in einer Societate parentatoria, dieſer in der obener- wehnten Societate oratoria mir deßfalls die ſchoͤn- ſte gelegenheit zur uͤbung gegeben. Dieienigen welche ihre reden herleſen, duͤrfen ihres ge- daͤchtniſſes wegen in keiner gefahr ſtehen, aber es faͤllt auch ſonſt viel annehmlichkeit dabey weg. §. 7. Bey der ſprache muß man zwiſchen der geſchwindigkeit und langſamkeit, zwiſchen der ſtaͤrcke und ſchwaͤche, zwiſchen der erhebung und erniedrigung derſelben, allezeit die mittel- ſtraſſe halten, damit man nach belieben dieſel- be veraͤndern koͤnne, in keine verdrießliche mo- notonie falle, kein graͤßliches geſchrey und ler- men, dabey die ſtimme uͤberſchnappt, mache, nicht pfeiffe oder bruͤlle, und unverſehens von einem extremo ins andere gerathe, a⁾ ſondern ohne zwang die argumenta, zumahl die pathe- tica, wo die rechte neben-idee des affects iſt, durch den accent wohl unterſcheiden moͤge. b⁾ Jn geſellſchaft und in reden gegen hoͤhere, muß die ſtimme, ſo viel ſich thun laͤſt, moderiret werden. a⁾ Z. e. ein gewiſſer prediger hatte auf der ſchule im chor, durch die fiſtel den diſcant geſungen, nachdem er ins amt gekommen redete er ordent- lich den baß, aber in predigten wechſelte baß und und diſcant gar ſeltſam miteinander ah. Alſo wann man gantz gelinde geredet hat, und faͤhret auſ einmahl mit groſſem geſchrey und gepolter her- L l 4

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/553>, abgerufen am 22.11.2024.