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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von äusserl. unständen im fürtrage
durch nicht für unruhe in der welt angerichtet,
sonderlich in democratischen republicken wenn
sich unbedachtsame redner dieses mittels bedie-
net, ohne die übien folgerungen dabey zu beden-
cken.

§. 6. Damit man hier desto glücklicher fort-
kommen möge, ist es nöthig, alles was man
fürbingen will, in einem fertigen gedächtnis zu
haben. Dazu sind die sogenannten mnemoni-
schen künste die schlechtesten mittel, und ma-
chen den redner mehr zu einer redenden statue,
als vernünftigen und klugen redner. Hin-
gegen ist es besser, wenn man bey reden im
gemeinen leben nichts ohne überlegung für-
bringet,a) und in öffentlichen declamationi-
bus ein ordentliches systema seiner gedancken,
nach einer iudiciösen disposition, im kopfe hat,
und bey der ausrede mehr auf die gedancken,
als worte dencken darf, als welche man durch
eine gute übung, leicht und wohl ex tempore
setzen lernet.b)

a) Dabey muß eine freymüthige und aufgeweckte
conversation das beste thun.
b) Hier sind die rednergesellschaften ein fürtrefli-
ches mittel, da man nur die ersten drey reden et-
wan, feste und wohl auswendig lernen darf und
zwar von wort zu wort, bey denen nachfolgen-
den wird man schon einige erleichterung, betref-
fend die setzung der worte spühren, und bey fort-
gesetzter übung nicht in gefahr lauffen mit vie-
len geburts schmertzen und ängstlichen mit-ar-
beiten des auditorii, seine sachen zu marckte
zu bringen, oder wohl gar darüber zu ersticken
zu verstummen und beschämt abzuziehen. Jch
von aͤuſſerl. unſtaͤnden im fuͤrtrage
durch nicht fuͤr unruhe in der welt angerichtet,
ſonderlich in democratiſchen republicken wenn
ſich unbedachtſame redner dieſes mittels bedie-
net, ohne die uͤbien folgerungen dabey zu beden-
cken.

§. 6. Damit man hier deſto gluͤcklicher fort-
kommen moͤge, iſt es noͤthig, alles was man
fuͤrbingen will, in einem fertigen gedaͤchtnis zu
haben. Dazu ſind die ſogenannten mnemoni-
ſchen kuͤnſte die ſchlechteſten mittel, und ma-
chen den redner mehr zu einer redenden ſtatue,
als vernuͤnftigen und klugen redner. Hin-
gegen iſt es beſſer, wenn man bey reden im
gemeinen leben nichts ohne uͤberlegung fuͤr-
bringet,a) und in oͤffentlichen declamationi-
bus ein ordentliches ſyſtema ſeiner gedancken,
nach einer iudicioͤſen diſpoſition, im kopfe hat,
und bey der ausrede mehr auf die gedancken,
als worte dencken darf, als welche man durch
eine gute uͤbung, leicht und wohl ex tempore
ſetzen lernet.b)

a) Dabey muß eine freymuͤthige und aufgeweckte
converſation das beſte thun.
b) Hier ſind die rednergeſellſchaften ein fuͤrtrefli-
ches mittel, da man nur die erſten drey reden et-
wan, feſte und wohl auswendig lernen darf und
zwar von wort zu wort, bey denen nachfolgen-
den wird man ſchon einige erleichterung, betref-
fend die ſetzung der worte ſpuͤhren, und bey fort-
geſetzter uͤbung nicht in gefahr lauffen mit vie-
len geburts ſchmertzen und aͤngſtlichen mit-ar-
beiten des auditorii, ſeine ſachen zu marckte
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[534/0552] von aͤuſſerl. unſtaͤnden im fuͤrtrage durch nicht fuͤr unruhe in der welt angerichtet, ſonderlich in democratiſchen republicken wenn ſich unbedachtſame redner dieſes mittels bedie- net, ohne die uͤbien folgerungen dabey zu beden- cken. §. 6. Damit man hier deſto gluͤcklicher fort- kommen moͤge, iſt es noͤthig, alles was man fuͤrbingen will, in einem fertigen gedaͤchtnis zu haben. Dazu ſind die ſogenannten mnemoni- ſchen kuͤnſte die ſchlechteſten mittel, und ma- chen den redner mehr zu einer redenden ſtatue, als vernuͤnftigen und klugen redner. Hin- gegen iſt es beſſer, wenn man bey reden im gemeinen leben nichts ohne uͤberlegung fuͤr- bringet, a⁾ und in oͤffentlichen declamationi- bus ein ordentliches ſyſtema ſeiner gedancken, nach einer iudicioͤſen diſpoſition, im kopfe hat, und bey der ausrede mehr auf die gedancken, als worte dencken darf, als welche man durch eine gute uͤbung, leicht und wohl ex tempore ſetzen lernet. b⁾ a⁾ Dabey muß eine freymuͤthige und aufgeweckte converſation das beſte thun. b⁾ Hier ſind die rednergeſellſchaften ein fuͤrtrefli- ches mittel, da man nur die erſten drey reden et- wan, feſte und wohl auswendig lernen darf und zwar von wort zu wort, bey denen nachfolgen- den wird man ſchon einige erleichterung, betref- fend die ſetzung der worte ſpuͤhren, und bey fort- geſetzter uͤbung nicht in gefahr lauffen mit vie- len geburts ſchmertzen und aͤngſtlichen mit-ar- beiten des auditorii, ſeine ſachen zu marckte zu bringen, oder wohl gar daruͤber zu erſticken zu verſtummen und beſchaͤmt abzuziehen. Jch habe

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/552>, abgerufen am 25.11.2024.