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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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d)

von allerhand schul-
terschiedenen zeugen zusammen gesetzet sind, der dürf-
te bey mir gar schlecht getröstet werden.

Die zeiten sind vorbey, da man der zukünftigen
vergessenheit zu gefallen fleißig war, und sich über
einer sache den kopf verderbte, welche nirgends an-
ders als auf schulen bewundert wurde. Heut zu
tage, da unter so vielen wissenschaften nicht allein die
überflüßigen von den nöthigen müssen unterschieden,
sondern auch diese letztern nach der rechten art erlernet
werden, ist alles in einem gantz andern stand gera-
then, und ich dörfte bald sagen, der gantze plunder,
aus welchem sonst die Oratorie bestehen solte, wird
itzund nur als eine zugabe bey derselben angehenckt,
und auch diese zugabe ist nichts anders als confect,
welchen man sehr mäßig gebrauchen muß, wenn sei-
ne delicatesse nicht zum eckel anlaß geben soll.

Wer meine einleitung zur Oratorie gelesen, wird
wohl wissen, wie ich denen, die mich hören und lesen
wollen, zweyerley gerne beybringen möchte, nemlich
ordnung und zierlichkeit Wenn eines von beyden
fehlen solte, wiewohl keines fehlen muß, so könte nach
meinem urtheile das letzte am ehsten wegbleiben. Die-
ses aber wird von denen, die sich in die figuren verwi-
ckeln, umgekehret: Und also darf man sich nicht wun-
dern, warum etliche, die doch sonst alles wissen wollen/
nicht allein selbst bey versäumung dieses höchst-nöthi-
gen studii in einer gantz lödlichen unwissenheit zu ste-
cken vermeinen, sondern auch andern die federn aus
den händen reissen, wenn sie dieselben zu einer klugen
und geschickten art gewöhnen wollen.

Wiewohl, es ist gar leicht zu errathen, was ihnen zu
einem so schädlichen unternehmen anlaß giebet. Pfle-
get man von den Poeten zu sagen, daß sie nicht gemacht,
sondern gebohren werden, so läst sich solches gewisser
massen auch auf die redner deuten. Wer sich dabey
zwingen will, der siehet nicht viel anders aus als
ein unhöflicher, wenn er freundlich zu thun genö-
thiget wird, oder, wie ein frauenzimm er, welchesden

Bas
d)

von allerhand ſchul-
terſchiedenen zeugen zuſammen geſetzet ſind, der duͤrf-
te bey mir gar ſchlecht getroͤſtet werden.

Die zeiten ſind vorbey, da man der zukuͤnftigen
vergeſſenheit zu gefallen fleißig war, und ſich uͤber
einer ſache den kopf verderbte, welche nirgends an-
ders als auf ſchulen bewundert wurde. Heut zu
tage, da unter ſo vielen wiſſenſchaften nicht allein die
uͤberfluͤßigen von den noͤthigen muͤſſen unterſchieden,
ſondern auch dieſe letztern nach der rechten art erlernet
werden, iſt alles in einem gantz andern ſtand gera-
then, und ich doͤrfte bald ſagen, der gantze plunder,
aus welchem ſonſt die Oratorie beſtehen ſolte, wird
itzund nur als eine zugabe bey derſelben angehenckt,
und auch dieſe zugabe iſt nichts anders als confect,
welchen man ſehr maͤßig gebrauchen muß, wenn ſei-
ne delicateſſe nicht zum eckel anlaß geben ſoll.

Wer meine einleitung zur Oratorie geleſen, wird
wohl wiſſen, wie ich denen, die mich hoͤren und leſen
wollen, zweyerley gerne beybringen moͤchte, nemlich
ordnung und zierlichkeit Wenn eines von beyden
fehlen ſolte, wiewohl keines fehlen muß, ſo koͤnte nach
meinem urtheile das letzte am ehſten wegbleiben. Die-
ſes aber wird von denen, die ſich in die figuren verwi-
ckeln, umgekehret: Und alſo darf man ſich nicht wun-
dern, warum etliche, die doch ſonſt alles wiſſen wollen/
nicht allein ſelbſt bey verſaͤumung dieſes hoͤchſt-noͤthi-
gen ſtudii in einer gantz loͤdlichen unwiſſenheit zu ſte-
cken vermeinen, ſondern auch andern die federn aus
den haͤnden reiſſen, wenn ſie dieſelben zu einer klugen
und geſchickten art gewoͤhnen wollen.

Wiewohl, es iſt gar leicht zu errathen, was ihnen zu
einem ſo ſchaͤdlichen unternehmen anlaß giebet. Pfle-
get man von den Poeten zu ſagen, daß ſie nicht gemacht,
ſondern gebohren werden, ſo laͤſt ſich ſolches gewiſſer
maſſen auch auf die redner deuten. Wer ſich dabey
zwingen will, der ſiehet nicht viel anders aus als
ein unhoͤflicher, wenn er freundlich zu thun genoͤ-
thiget wird, oder, wie ein frauenzimm er, welchesden

Bas
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[434/0452] von allerhand ſchul- d⁾ terſchiedenen zeugen zuſammen geſetzet ſind, der duͤrf- te bey mir gar ſchlecht getroͤſtet werden. Die zeiten ſind vorbey, da man der zukuͤnftigen vergeſſenheit zu gefallen fleißig war, und ſich uͤber einer ſache den kopf verderbte, welche nirgends an- ders als auf ſchulen bewundert wurde. Heut zu tage, da unter ſo vielen wiſſenſchaften nicht allein die uͤberfluͤßigen von den noͤthigen muͤſſen unterſchieden, ſondern auch dieſe letztern nach der rechten art erlernet werden, iſt alles in einem gantz andern ſtand gera- then, und ich doͤrfte bald ſagen, der gantze plunder, aus welchem ſonſt die Oratorie beſtehen ſolte, wird itzund nur als eine zugabe bey derſelben angehenckt, und auch dieſe zugabe iſt nichts anders als confect, welchen man ſehr maͤßig gebrauchen muß, wenn ſei- ne delicateſſe nicht zum eckel anlaß geben ſoll. Wer meine einleitung zur Oratorie geleſen, wird wohl wiſſen, wie ich denen, die mich hoͤren und leſen wollen, zweyerley gerne beybringen moͤchte, nemlich ordnung und zierlichkeit Wenn eines von beyden fehlen ſolte, wiewohl keines fehlen muß, ſo koͤnte nach meinem urtheile das letzte am ehſten wegbleiben. Die- ſes aber wird von denen, die ſich in die figuren verwi- ckeln, umgekehret: Und alſo darf man ſich nicht wun- dern, warum etliche, die doch ſonſt alles wiſſen wollen/ nicht allein ſelbſt bey verſaͤumung dieſes hoͤchſt-noͤthi- gen ſtudii in einer gantz loͤdlichen unwiſſenheit zu ſte- cken vermeinen, ſondern auch andern die federn aus den haͤnden reiſſen, wenn ſie dieſelben zu einer klugen und geſchickten art gewoͤhnen wollen. Wiewohl, es iſt gar leicht zu errathen, was ihnen zu einem ſo ſchaͤdlichen unternehmen anlaß giebet. Pfle- get man von den Poeten zu ſagen, daß ſie nicht gemacht, ſondern gebohren werden, ſo laͤſt ſich ſolches gewiſſer maſſen auch auf die redner deuten. Wer ſich dabey zwingen will, der ſiehet nicht viel anders aus als ein unhoͤflicher, wenn er freundlich zu thun genoͤ- thiget wird, oder, wie ein frauenzimm er, welchesden Bas

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/452>, abgerufen am 19.05.2024.