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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758.

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XVI haubtst. von der verbindlichkeit.
an die Römische quellen, den quasi-contract, und
die varias caussarum figuras keinesweges.

§ 3550
was solche
bedeutet?

Die billigkeit nimmt der Teutsche nach befinden
in gedoppelten verstande. Einmal ist sie ihm die
milderung der strengen gerechtigkeit. Das andre
mal bedeutet sie eine leistung dessen, wozu man
aus einer unvollkommenen verbindlichkeit nur ge-
halten ist. Den spruch des Salomons: sey nicht
allzu gerecht etc. liebet der Teutsche.

Sibenzehntes haubtstück
von der verzeihung seines rechtes.
§ 3551

Es ist zwar oben von den verzichten schon gedacht
worden; allein daselbst ist nur von den erbschafts-
sachen die rede gewesen. Hier aber kömmt es über-
haubt auf das geding an, kraft dessen sich einer
seines rechtes begibet, oder demselben entsaget.

§ 3552
was die ver-
zicht ist?

Die verzicht überhaubt ist eine nachlassung sei-
nes rechtes.

§ 3553
bei den Teut-
schen kan das
eheweib iren
rechtswohl-
taten entsa-
gen.

Nach den Römischen rechten kan eine ehefrau
für iren ehemann nicht bürgen, auch der in der
authentica: si qua mulier etc. enthaltenen rechts-
wohlthat nicht absagen. Hingegen bei den Teut-
schen geschihet dieses täglich. Man hält es für
giltig, wenn nur das eheweib behörig davon ver-
ständiget worden ist. So sehr sahe der Teutsche
auf das geding, und die haltung seines wortes.

§ 3554

XVI haubtſt. von der verbindlichkeit.
an die Roͤmiſche quellen, den quaſi-contract, und
die varias cauſſarum figuras keinesweges.

§ 3550
was ſolche
bedeutet?

Die billigkeit nimmt der Teutſche nach befinden
in gedoppelten verſtande. Einmal iſt ſie ihm die
milderung der ſtrengen gerechtigkeit. Das andre
mal bedeutet ſie eine leiſtung deſſen, wozu man
aus einer unvollkommenen verbindlichkeit nur ge-
halten iſt. Den ſpruch des Salomons: ſey nicht
allzu gerecht ꝛc. liebet der Teutſche.

Sibenzehntes haubtſtuͤck
von der verzeihung ſeines rechtes.
§ 3551

Es iſt zwar oben von den verzichten ſchon gedacht
worden; allein daſelbſt iſt nur von den erbſchafts-
ſachen die rede geweſen. Hier aber koͤmmt es uͤber-
haubt auf das geding an, kraft deſſen ſich einer
ſeines rechtes begibet, oder demſelben entſaget.

§ 3552
was die ver-
zicht iſt?

Die verzicht uͤberhaubt iſt eine nachlaſſung ſei-
nes rechtes.

§ 3553
bei den Teut-
ſchen kan das
eheweib iren
rechtswohl-
taten entſa-
gen.

Nach den Roͤmiſchen rechten kan eine ehefrau
fuͤr iren ehemann nicht buͤrgen, auch der in der
authentica: ſi qua mulier ꝛc. enthaltenen rechts-
wohlthat nicht abſagen. Hingegen bei den Teut-
ſchen geſchihet dieſes taͤglich. Man haͤlt es fuͤr
giltig, wenn nur das eheweib behoͤrig davon ver-
ſtaͤndiget worden iſt. So ſehr ſahe der Teutſche
auf das geding, und die haltung ſeines wortes.

§ 3554
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[312/0360] XVI haubtſt. von der verbindlichkeit. an die Roͤmiſche quellen, den quaſi-contract, und die varias cauſſarum figuras keinesweges. § 3550 Die billigkeit nimmt der Teutſche nach befinden in gedoppelten verſtande. Einmal iſt ſie ihm die milderung der ſtrengen gerechtigkeit. Das andre mal bedeutet ſie eine leiſtung deſſen, wozu man aus einer unvollkommenen verbindlichkeit nur ge- halten iſt. Den ſpruch des Salomons: ſey nicht allzu gerecht ꝛc. liebet der Teutſche. Sibenzehntes haubtſtuͤck von der verzeihung ſeines rechtes. § 3551 Es iſt zwar oben von den verzichten ſchon gedacht worden; allein daſelbſt iſt nur von den erbſchafts- ſachen die rede geweſen. Hier aber koͤmmt es uͤber- haubt auf das geding an, kraft deſſen ſich einer ſeines rechtes begibet, oder demſelben entſaget. § 3552 Die verzicht uͤberhaubt iſt eine nachlaſſung ſei- nes rechtes. § 3553 Nach den Roͤmiſchen rechten kan eine ehefrau fuͤr iren ehemann nicht buͤrgen, auch der in der authentica: ſi qua mulier ꝛc. enthaltenen rechts- wohlthat nicht abſagen. Hingegen bei den Teut- ſchen geſchihet dieſes taͤglich. Man haͤlt es fuͤr giltig, wenn nur das eheweib behoͤrig davon ver- ſtaͤndiget worden iſt. So ſehr ſahe der Teutſche auf das geding, und die haltung ſeines wortes. § 3554

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit02_1758/360>, abgerufen am 18.05.2024.