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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758.

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von den verbrechen u. deren sprüchw.
roem. CII. Dergleichen anzeigen müssen auch die
goldschmidte tun.

§ 6260

Ein ieder mag seinen schaden verschweigen,
wenn er will. Denn verbrechen anzuzeigen, ist
nimand verbunden. Wenn aber die oberkeit über
ein verbrechen iemanden fraget, darf er solches nicht
verschweigen. Jmmittels saget man: eine frage
stehet frei, nur über kein verbrechen.

§ 6261

Wenn man mit leugnen vom galgen kommen
könnte, würde nimand gehenket; iedoch wird aus-
ser Sachsen jeweilen einer hingerichtet, wenn er
schon die tat leugnet, z. e. es wird einer des dib-
stales beschuldiget. Man trift die gestolene sache
bei ihm an, er gestehet aussergerichtlich, daß er sie
gestolen habe, er wird über die dibes-gesellen gefol-
tert, leugnet aber alles; so wird er dennoch gehen-
ket. Also haben wir vor kurzen einer wirtin zu
Bockenhagen, welche unter zweimaliger folter die
ermordung eines gastes gestanden, aber bei der ur-
gicht widerrufte, den kopf abgesprochen. Bei ge-
ringeren verbrechen brauchet es keines geständnisses
zur strafe, wo starke anzeigen vorhanden sind.

§ 6262

Ferner saget man: es ist besser stelen, als zei-
hen, das ist, öfters hat wohl einer was verbrochen,
man kan es ihm aber nicht wahrmachen.

§ 6263

Der argwohn ist ein schalk und zwar so arg,
daß er vilmal die unschuldigen in grose gefar und
schaden bringet. Doch ist kein argwohn das so
genannte baar-recht, das ist, wenn man den verdäch-
tigen zum entleibten körper bringet, und diser zu
bluten anfänget. Besold unter: baar-recht, Pe-

ter
R r r 2

von den verbrechen u. deren ſpruͤchw.
roem. CII. Dergleichen anzeigen muͤſſen auch die
goldſchmidte tun.

§ 6260

Ein ieder mag ſeinen ſchaden verſchweigen,
wenn er will. Denn verbrechen anzuzeigen, iſt
nimand verbunden. Wenn aber die oberkeit uͤber
ein verbrechen iemanden fraget, darf er ſolches nicht
verſchweigen. Jmmittels ſaget man: eine frage
ſtehet frei, nur uͤber kein verbrechen.

§ 6261

Wenn man mit leugnen vom galgen kommen
koͤnnte, wuͤrde nimand gehenket; iedoch wird auſ-
ſer Sachſen jeweilen einer hingerichtet, wenn er
ſchon die tat leugnet, z. e. es wird einer des dib-
ſtales beſchuldiget. Man trift die geſtolene ſache
bei ihm an, er geſtehet auſſergerichtlich, daß er ſie
geſtolen habe, er wird uͤber die dibes-geſellen gefol-
tert, leugnet aber alles; ſo wird er dennoch gehen-
ket. Alſo haben wir vor kurzen einer wirtin zu
Bockenhagen, welche unter zweimaliger folter die
ermordung eines gaſtes geſtanden, aber bei der ur-
gicht widerrufte, den kopf abgeſprochen. Bei ge-
ringeren verbrechen brauchet es keines geſtaͤndniſſes
zur ſtrafe, wo ſtarke anzeigen vorhanden ſind.

§ 6262

Ferner ſaget man: es iſt beſſer ſtelen, als zei-
hen, das iſt, oͤfters hat wohl einer was verbrochen,
man kan es ihm aber nicht wahrmachen.

§ 6263

Der argwohn iſt ein ſchalk und zwar ſo arg,
daß er vilmal die unſchuldigen in groſe gefar und
ſchaden bringet. Doch iſt kein argwohn das ſo
genannte baar-recht, das iſt, wenn man den verdaͤch-
tigen zum entleibten koͤrper bringet, und diſer zu
bluten anfaͤnget. Beſold unter: baar-recht, Pe-

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[995/1043] von den verbrechen u. deren ſpruͤchw. roem. CII. Dergleichen anzeigen muͤſſen auch die goldſchmidte tun. § 6260 Ein ieder mag ſeinen ſchaden verſchweigen, wenn er will. Denn verbrechen anzuzeigen, iſt nimand verbunden. Wenn aber die oberkeit uͤber ein verbrechen iemanden fraget, darf er ſolches nicht verſchweigen. Jmmittels ſaget man: eine frage ſtehet frei, nur uͤber kein verbrechen. § 6261 Wenn man mit leugnen vom galgen kommen koͤnnte, wuͤrde nimand gehenket; iedoch wird auſ- ſer Sachſen jeweilen einer hingerichtet, wenn er ſchon die tat leugnet, z. e. es wird einer des dib- ſtales beſchuldiget. Man trift die geſtolene ſache bei ihm an, er geſtehet auſſergerichtlich, daß er ſie geſtolen habe, er wird uͤber die dibes-geſellen gefol- tert, leugnet aber alles; ſo wird er dennoch gehen- ket. Alſo haben wir vor kurzen einer wirtin zu Bockenhagen, welche unter zweimaliger folter die ermordung eines gaſtes geſtanden, aber bei der ur- gicht widerrufte, den kopf abgeſprochen. Bei ge- ringeren verbrechen brauchet es keines geſtaͤndniſſes zur ſtrafe, wo ſtarke anzeigen vorhanden ſind. § 6262 Ferner ſaget man: es iſt beſſer ſtelen, als zei- hen, das iſt, oͤfters hat wohl einer was verbrochen, man kan es ihm aber nicht wahrmachen. § 6263 Der argwohn iſt ein ſchalk und zwar ſo arg, daß er vilmal die unſchuldigen in groſe gefar und ſchaden bringet. Doch iſt kein argwohn das ſo genannte baar-recht, das iſt, wenn man den verdaͤch- tigen zum entleibten koͤrper bringet, und diſer zu bluten anfaͤnget. Beſold unter: baar-recht, Pe- ter R r r 2

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758, S. 995. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit02_1758/1043>, abgerufen am 22.11.2024.