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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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eines Fischers Sohn, und dessen Weib hätte
als eine Mutter mich an die Welt gebracht und
erzogen. Diese meine vermeynte Eltern hät-
ten nachdem ich das 14. Jahr hinter mich gele-
get hatte, gerne gesehen daß ich mich ihrer Nah-
rung beygesellet, und mit ihnen mein Stücklein
Brodt auf den Wasser verdienen helffen. Al-
leine, deren allzugrosse Mühsamkeit des Tages
mit Netz-Flicken, und des Nachts mit Fisch-
Fangen, hielt mich davon ab, daß ich sie viel-
mahls bath, sie solten mich lernen lassen, was ih-
nen gefiele, wolte ich ihnen gerne folgen, nur mit
dieser Arth künfftiger Zeit mein Brodt zu ver-
dienen, solten sie mich verschonen. Was? sagte
mein vermeynter Vater, solt du mir vorschrei-
ben, was ich mit dir vornehmen soll? Jch habe
dich nun 13. Jahr lang gefretzet, und da ich ge-
dencke, du soltest mir wieder behülflich seyn,
wilt du wo anders hinaus. Wie? sprach U-
lamia
sein Weib, will der Vogel nicht daran,
so jage ihn zum Hencker, er wird wohl wieder
kommen wann er zu Brodte gewöhnet ist, fas-
sete mich bey dem Ermel und schüpte mich zur
Thüre hinaus, sagende: Du Holuncke, suche
deinen Vater und Mutter, und laß dich zum
Juncker machen. Jch bath sie wolten mich
doch nicht so unbarmhertzig von sich stossen: Al-
leine! Mirmoldo der Fischer erfaßte einen gu-

ten

eines Fiſchers Sohn, und deſſen Weib haͤtte
als eine Mutter mich an die Welt gebracht und
erzogen. Dieſe meine vermeynte Eltern haͤt-
ten nachdem ich das 14. Jahr hinter mich gele-
get hatte, gerne geſehen daß ich mich ihrer Nah-
rung beygeſellet, und mit ihnen mein Stuͤcklein
Brodt auf den Waſſer verdienen helffen. Al-
leine, deren allzugroſſe Muͤhſamkeit des Tages
mit Netz-Flicken, und des Nachts mit Fiſch-
Fangen, hielt mich davon ab, daß ich ſie viel-
mahls bath, ſie ſolten mich lernen laſſen, was ih-
nen gefiele, wolte ich ihnen gerne folgen, nur mit
dieſer Arth kuͤnfftiger Zeit mein Brodt zu ver-
dienen, ſolten ſie mich verſchonen. Was? ſagte
mein vermeynter Vater, ſolt du mir vorſchrei-
ben, was ich mit dir vornehmen ſoll? Jch habe
dich nun 13. Jahr lang gefretzet, und da ich ge-
dencke, du ſolteſt mir wieder behuͤlflich ſeyn,
wilt du wo anders hinaus. Wie? ſprach U-
lamia
ſein Weib, will der Vogel nicht daran,
ſo jage ihn zum Hencker, er wird wohl wieder
kommen wann er zu Brodte gewoͤhnet iſt, faſ-
ſete mich bey dem Ermel und ſchuͤpte mich zur
Thuͤre hinaus, ſagende: Du Holuncke, ſuche
deinen Vater und Mutter, und laß dich zum
Juncker machen. Jch bath ſie wolten mich
doch nicht ſo unbarmhertzig von ſich ſtoſſen: Al-
leine! Mirmoldo der Fiſcher erfaßte einen gu-

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[702/0718] eines Fiſchers Sohn, und deſſen Weib haͤtte als eine Mutter mich an die Welt gebracht und erzogen. Dieſe meine vermeynte Eltern haͤt- ten nachdem ich das 14. Jahr hinter mich gele- get hatte, gerne geſehen daß ich mich ihrer Nah- rung beygeſellet, und mit ihnen mein Stuͤcklein Brodt auf den Waſſer verdienen helffen. Al- leine, deren allzugroſſe Muͤhſamkeit des Tages mit Netz-Flicken, und des Nachts mit Fiſch- Fangen, hielt mich davon ab, daß ich ſie viel- mahls bath, ſie ſolten mich lernen laſſen, was ih- nen gefiele, wolte ich ihnen gerne folgen, nur mit dieſer Arth kuͤnfftiger Zeit mein Brodt zu ver- dienen, ſolten ſie mich verſchonen. Was? ſagte mein vermeynter Vater, ſolt du mir vorſchrei- ben, was ich mit dir vornehmen ſoll? Jch habe dich nun 13. Jahr lang gefretzet, und da ich ge- dencke, du ſolteſt mir wieder behuͤlflich ſeyn, wilt du wo anders hinaus. Wie? ſprach U- lamia ſein Weib, will der Vogel nicht daran, ſo jage ihn zum Hencker, er wird wohl wieder kommen wann er zu Brodte gewoͤhnet iſt, faſ- ſete mich bey dem Ermel und ſchuͤpte mich zur Thuͤre hinaus, ſagende: Du Holuncke, ſuche deinen Vater und Mutter, und laß dich zum Juncker machen. Jch bath ſie wolten mich doch nicht ſo unbarmhertzig von ſich ſtoſſen: Al- leine! Mirmoldo der Fiſcher erfaßte einen gu- ten

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/718>, abgerufen am 11.06.2024.