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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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vermerckte, redete er ihn folgender Gestalt an:
Monsieur wie so traurig und in so tieffen Ge-
dancken? Rusilio antwortete: Mein Patron
das verwandelte Schicksal hat mich gleich ei-
nem Schiffe so wunderlich in den Glück-und
Unglücks-Meer herumb geworffen, daß ob ich
gleich auf gleicher Ebene stehe, dennoch als ein
Trunckener des Taumeln mich nicht enthalten
kan, wann ich die künfftige Zeit, die mir noch
tausend Abwechselungen dräuet, recht erwege.
Eckarth als er verspürte, daß der Freund den
Verlauff seines Lebens auf Begehren williglich
erzehlen würde, sagte er zu ihm: Monsieur, wir
würden vielleicht gar zu curieus genennet wer-
den, wann wir als Frembde uns erkühnten, von
dessen Wunder-würdigen Begebenheiten eini-
ge Nachricht zu hören, weiln aber die Zeit die
Streue zu machen noch allzufrüh ist, würde,
wofern der Herr uns die Gunst solcher Erzeh-
lung wolte geniessen lassen, uns von denselben
nicht eine geringe Vergnügung geschehen?
Meine Hochgeehrteste Herren antwortete Ru-
silio,
meine Abendtheuren sind nicht von grosser
Wichtigkeit, weil sie aber befehlen, und deren
geneigte Ohren mir gönnen wollen, bin ich so
bereit als willig, deren Begehren schüldigst
nachzukommen. Sie wissen demnach, daß ich
durch lange Zeit der Meynung gewesen, ich sey

eines

vermerckte, redete er ihn folgender Geſtalt an:
Monſieur wie ſo traurig und in ſo tieffen Ge-
dancken? Ruſilio antwortete: Mein Patron
das verwandelte Schickſal hat mich gleich ei-
nem Schiffe ſo wunderlich in den Gluͤck-und
Ungluͤcks-Meer herumb geworffen, daß ob ich
gleich auf gleicher Ebene ſtehe, dennoch als ein
Trunckener des Taumeln mich nicht enthalten
kan, wann ich die kuͤnfftige Zeit, die mir noch
tauſend Abwechſelungen draͤuet, recht erwege.
Eckarth als er verſpuͤrte, daß der Freund den
Verlauff ſeines Lebens auf Begehren williglich
erzehlen wuͤrde, ſagte er zu ihm: Monſieur, wir
wuͤrden vielleicht gar zu curieus genennet wer-
den, wann wir als Frembde uns erkuͤhnten, von
deſſen Wunder-wuͤrdigen Begebenheiten eini-
ge Nachricht zu hoͤren, weiln aber die Zeit die
Streue zu machen noch allzufruͤh iſt, wuͤrde,
wofern der Herr uns die Gunſt ſolcher Erzeh-
lung wolte genieſſen laſſen, uns von denſelben
nicht eine geringe Vergnuͤgung geſchehen?
Meine Hochgeehrteſte Herren antwortete Ru-
ſilio,
meine Abendtheuren ſind nicht von groſſer
Wichtigkeit, weil ſie aber befehlen, und deren
geneigte Ohren mir goͤnnen wollen, bin ich ſo
bereit als willig, deren Begehren ſchüldigſt
nachzukommen. Sie wiſſen demnach, daß ich
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[701/0717] vermerckte, redete er ihn folgender Geſtalt an: Monſieur wie ſo traurig und in ſo tieffen Ge- dancken? Ruſilio antwortete: Mein Patron das verwandelte Schickſal hat mich gleich ei- nem Schiffe ſo wunderlich in den Gluͤck-und Ungluͤcks-Meer herumb geworffen, daß ob ich gleich auf gleicher Ebene ſtehe, dennoch als ein Trunckener des Taumeln mich nicht enthalten kan, wann ich die kuͤnfftige Zeit, die mir noch tauſend Abwechſelungen draͤuet, recht erwege. Eckarth als er verſpuͤrte, daß der Freund den Verlauff ſeines Lebens auf Begehren williglich erzehlen wuͤrde, ſagte er zu ihm: Monſieur, wir wuͤrden vielleicht gar zu curieus genennet wer- den, wann wir als Frembde uns erkuͤhnten, von deſſen Wunder-wuͤrdigen Begebenheiten eini- ge Nachricht zu hoͤren, weiln aber die Zeit die Streue zu machen noch allzufruͤh iſt, wuͤrde, wofern der Herr uns die Gunſt ſolcher Erzeh- lung wolte genieſſen laſſen, uns von denſelben nicht eine geringe Vergnuͤgung geſchehen? Meine Hochgeehrteſte Herren antwortete Ru- ſilio, meine Abendtheuren ſind nicht von groſſer Wichtigkeit, weil ſie aber befehlen, und deren geneigte Ohren mir goͤnnen wollen, bin ich ſo bereit als willig, deren Begehren ſchüldigſt nachzukommen. Sie wiſſen demnach, daß ich durch lange Zeit der Meynung geweſen, ich ſey eines

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/717>, abgerufen am 11.06.2024.