Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

alle wieder in Wagen gesetzt hatten, sagte
Eckarth zu Andreas: Andreas, Vorwitz
macht Jungfern theuer, wären wir euch nicht
zu Hülffe kommen, die Bettler würden euch
übel tractiret haben. Auf Reisen ist es sehr
närrisch gehandelt, wann man sich ohne Noth
in Gefahr geben will, man lasse einen jeden
wer er ist, man muß auff Reisen allezeit blind
und stumm seyn, nicht alles sehen, und von
niemanden weder Gutes noch Böses reden,
sondern thun als wann man die Person, von
der geredet wird nicht kennete, oder ümb dersel-
ben Thun sich nicht sonderlich bekümmerte, vor-
nehmlich sehe man nicht an, einen Bettler, ob
er es gleich nicht würdig ist, eine Gabe zu zu-
werffen, es hat ein solch Allmosen manchen so
viel genutzt, daß er durch ihre Warnungen
vielen Unglück entgangen ist. Doch ist zu
verwundern, daß die Land-und Stadt-Phy-
sici
ihre Besoldung dahin nehmen, und der-
gleichen Land und Stadt-Bettler, ob sie ge-
brechlich seyn oder nicht, nicht genau unter-
suchen. Wer weiß! wandte Gotthart ein,
ob es auch der Obrigkeit gelegen ist, daß ein
Physicus ohne ihren Befehl ihm eine solche
Gurcke heraus nehme. Eckarth replicirte.
Mein Herr Sohn, es ist ja leider anjetzo da-
hin kommen, daß ein jeder der was zu befehlen

hat,

alle wieder in Wagen geſetzt hatten, ſagte
Eckarth zu Andreas: Andreas, Vorwitz
macht Jungfern theuer, waͤren wir euch nicht
zu Huͤlffe kommen, die Bettler wuͤrden euch
uͤbel tractiret haben. Auf Reiſen iſt es ſehr
naͤrriſch gehandelt, wann man ſich ohne Noth
in Gefahr geben will, man laſſe einen jeden
wer er iſt, man muß auff Reiſen allezeit blind
und ſtumm ſeyn, nicht alles ſehen, und von
niemanden weder Gutes noch Boͤſes reden,
ſondern thun als wann man die Perſon, von
der geredet wird nicht kennete, oder uͤmb derſel-
ben Thun ſich nicht ſonderlich bekuͤmmerte, vor-
nehmlich ſehe man nicht an, einen Bettler, ob
er es gleich nicht wuͤrdig iſt, eine Gabe zu zu-
werffen, es hat ein ſolch Allmoſen manchen ſo
viel genutzt, daß er durch ihre Warnungen
vielen Ungluͤck entgangen iſt. Doch iſt zu
verwundern, daß die Land-und Stadt-Phy-
ſici
ihre Beſoldung dahin nehmen, und der-
gleichen Land und Stadt-Bettler, ob ſie ge-
brechlich ſeyn oder nicht, nicht genau unter-
ſuchen. Wer weiß! wandte Gotthart ein,
ob es auch der Obrigkeit gelegen iſt, daß ein
Phyſicus ohne ihren Befehl ihm eine ſolche
Gurcke heraus nehme. Eckarth replicirte.
Mein Herr Sohn, es iſt ja leider anjetzo da-
hin kommen, daß ein jeder der was zu befehlen

hat,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0322" n="306"/>
alle wieder in Wagen ge&#x017F;etzt hatten, &#x017F;agte<lb/>
Eckarth zu Andreas: Andreas, Vorwitz<lb/>
macht Jungfern theuer, wa&#x0364;ren wir euch nicht<lb/>
zu Hu&#x0364;lffe kommen, die Bettler wu&#x0364;rden euch<lb/>
u&#x0364;bel tractiret haben. Auf Rei&#x017F;en i&#x017F;t es &#x017F;ehr<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;ch gehandelt, wann man &#x017F;ich ohne Noth<lb/>
in Gefahr geben will, man la&#x017F;&#x017F;e einen jeden<lb/>
wer er i&#x017F;t, man muß auff Rei&#x017F;en allezeit blind<lb/>
und &#x017F;tumm &#x017F;eyn, nicht alles &#x017F;ehen, und von<lb/>
niemanden weder Gutes noch Bo&#x0364;&#x017F;es reden,<lb/>
&#x017F;ondern thun als wann man die Per&#x017F;on, von<lb/>
der geredet wird nicht kennete, oder u&#x0364;mb der&#x017F;el-<lb/>
ben Thun &#x017F;ich nicht &#x017F;onderlich beku&#x0364;mmerte, vor-<lb/>
nehmlich &#x017F;ehe man nicht an, einen Bettler, ob<lb/>
er es gleich nicht wu&#x0364;rdig i&#x017F;t, eine Gabe zu zu-<lb/>
werffen, es hat ein &#x017F;olch Allmo&#x017F;en manchen &#x017F;o<lb/>
viel genutzt, daß er durch ihre Warnungen<lb/>
vielen Unglu&#x0364;ck entgangen i&#x017F;t. Doch i&#x017F;t zu<lb/>
verwundern, daß die Land-und Stadt-<hi rendition="#aq">Phy-<lb/>
&#x017F;ici</hi> ihre Be&#x017F;oldung dahin nehmen, und der-<lb/>
gleichen Land und Stadt-Bettler, ob &#x017F;ie ge-<lb/>
brechlich &#x017F;eyn oder nicht, nicht genau unter-<lb/>
&#x017F;uchen. Wer weiß! wandte Gotthart ein,<lb/>
ob es auch der Obrigkeit gelegen i&#x017F;t, daß ein<lb/><hi rendition="#aq">Phy&#x017F;icus</hi> ohne ihren Befehl ihm eine &#x017F;olche<lb/>
Gurcke heraus nehme. Eckarth <hi rendition="#aq">replici</hi>rte.<lb/>
Mein Herr Sohn, es i&#x017F;t ja leider anjetzo da-<lb/>
hin kommen, daß ein jeder der was zu befehlen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0322] alle wieder in Wagen geſetzt hatten, ſagte Eckarth zu Andreas: Andreas, Vorwitz macht Jungfern theuer, waͤren wir euch nicht zu Huͤlffe kommen, die Bettler wuͤrden euch uͤbel tractiret haben. Auf Reiſen iſt es ſehr naͤrriſch gehandelt, wann man ſich ohne Noth in Gefahr geben will, man laſſe einen jeden wer er iſt, man muß auff Reiſen allezeit blind und ſtumm ſeyn, nicht alles ſehen, und von niemanden weder Gutes noch Boͤſes reden, ſondern thun als wann man die Perſon, von der geredet wird nicht kennete, oder uͤmb derſel- ben Thun ſich nicht ſonderlich bekuͤmmerte, vor- nehmlich ſehe man nicht an, einen Bettler, ob er es gleich nicht wuͤrdig iſt, eine Gabe zu zu- werffen, es hat ein ſolch Allmoſen manchen ſo viel genutzt, daß er durch ihre Warnungen vielen Ungluͤck entgangen iſt. Doch iſt zu verwundern, daß die Land-und Stadt-Phy- ſici ihre Beſoldung dahin nehmen, und der- gleichen Land und Stadt-Bettler, ob ſie ge- brechlich ſeyn oder nicht, nicht genau unter- ſuchen. Wer weiß! wandte Gotthart ein, ob es auch der Obrigkeit gelegen iſt, daß ein Phyſicus ohne ihren Befehl ihm eine ſolche Gurcke heraus nehme. Eckarth replicirte. Mein Herr Sohn, es iſt ja leider anjetzo da- hin kommen, daß ein jeder der was zu befehlen hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/322
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/322>, abgerufen am 25.11.2024.