hielt mir schnell die Finger auf den Mund, faßte mich bei der Hand und führte mich dann aus dem Ge¬ sträuch ins Freie hinaus. Da erkannte ich mit Ver¬ wunderung den guten langen Studenten, der die Gui¬ tarre an einem breiten, seidenen Bande um den Hals hängen hatte. -- Ich beschrieb ihm nun in größter Geschwindigkeit, daß ich aus dem Garten hinaus wollte. Er schien aber das alles schon lange zu wissen, und führte mich auf allerlei verdeckten Umwegen zu dem untern Thore in der hohen Gartenmauer. Aber da war nun auch das Thor wieder fest verschlossen! Doch der Student hatte auch das schon vorbedacht, er zog einen großen Schlüssel hervor und schloß behutsam auf.
Als wir nun in den Wald hinaustraten und ich ihn eben noch um den besten Weg zur nächsten Stadt fragen wollte, stürzte er plötzlich vor mir auf ein Knie nieder, hob die eine Hand hoch in die Höh, und fing an zu fluchen und an zu schwören, daß es entsetzlich anzuhören war. Ich wußte gar nicht, was er wollte, ich hörte nur immerfort: Idio und cuore und amore und furore! Als er aber am Ende gar anfing, auf beiden Knien schnell und immer näher auf mich zuzu¬ rutschen, da wurde mir auf einmal ganz grauslich, ich merkte wohl, daß er verrückt war, und rannte, ohne mich umzusehen, in den dicksten Wald hinein.
Ich hörte nun den Studenten wie rasend hinter mir drein schreien. Bald darauf gab noch eine andere grobe Stimme vom Schlosse her Antwort. Ich dachte mir nun wohl, daß sie mich aufsuchen würden. Der
hielt mir ſchnell die Finger auf den Mund‚ faßte mich bei der Hand und fuͤhrte mich dann aus dem Ge¬ ſtraͤuch ins Freie hinaus. Da erkannte ich mit Ver¬ wunderung den guten langen Studenten‚ der die Gui¬ tarre an einem breiten, ſeidenen Bande um den Hals haͤngen hatte. — Ich beſchrieb ihm nun in groͤßter Geſchwindigkeit, daß ich aus dem Garten hinaus wollte. Er ſchien aber das alles ſchon lange zu wiſſen, und fuͤhrte mich auf allerlei verdeckten Umwegen zu dem untern Thore in der hohen Gartenmauer. Aber da war nun auch das Thor wieder feſt verſchloſſen! Doch der Student hatte auch das ſchon vorbedacht, er zog einen großen Schluͤſſel hervor und ſchloß behutſam auf.
Als wir nun in den Wald hinaustraten und ich ihn eben noch um den beſten Weg zur naͤchſten Stadt fragen wollte, ſtuͤrzte er ploͤtzlich vor mir auf ein Knie nieder, hob die eine Hand hoch in die Hoͤh, und fing an zu fluchen und an zu ſchwoͤren, daß es entſetzlich anzuhoͤren war. Ich wußte gar nicht, was er wollte, ich hoͤrte nur immerfort: Idio und cuore und amore und furore! Als er aber am Ende gar anfing, auf beiden Knien ſchnell und immer naͤher auf mich zuzu¬ rutſchen, da wurde mir auf einmal ganz grauslich, ich merkte wohl, daß er verruͤckt war, und rannte, ohne mich umzuſehen, in den dickſten Wald hinein.
Ich hoͤrte nun den Studenten wie raſend hinter mir drein ſchreien. Bald darauf gab noch eine andere grobe Stimme vom Schloſſe her Antwort. Ich dachte mir nun wohl, daß ſie mich aufſuchen wuͤrden. Der
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hielt mir ſchnell die Finger auf den Mund‚ faßte mich
bei der Hand und fuͤhrte mich dann aus dem Ge¬
ſtraͤuch ins Freie hinaus. Da erkannte ich mit Ver¬
wunderung den guten langen Studenten‚ der die Gui¬
tarre an einem breiten, ſeidenen Bande um den Hals
haͤngen hatte. — Ich beſchrieb ihm nun in groͤßter
Geſchwindigkeit, daß ich aus dem Garten hinaus wollte.
Er ſchien aber das alles ſchon lange zu wiſſen, und
fuͤhrte mich auf allerlei verdeckten Umwegen zu dem
untern Thore in der hohen Gartenmauer. Aber da
war nun auch das Thor wieder feſt verſchloſſen! Doch
der Student hatte auch das ſchon vorbedacht, er zog
einen großen Schluͤſſel hervor und ſchloß behutſam auf.
Als wir nun in den Wald hinaustraten und ich
ihn eben noch um den beſten Weg zur naͤchſten Stadt
fragen wollte, ſtuͤrzte er ploͤtzlich vor mir auf ein Knie
nieder, hob die eine Hand hoch in die Hoͤh, und fing
an zu fluchen und an zu ſchwoͤren, daß es entſetzlich
anzuhoͤren war. Ich wußte gar nicht, was er wollte,
ich hoͤrte nur immerfort: Idio und cuore und amore
und furore! Als er aber am Ende gar anfing, auf
beiden Knien ſchnell und immer naͤher auf mich zuzu¬
rutſchen, da wurde mir auf einmal ganz grauslich, ich
merkte wohl, daß er verruͤckt war, und rannte, ohne
mich umzuſehen, in den dickſten Wald hinein.
Ich hoͤrte nun den Studenten wie raſend hinter
mir drein ſchreien. Bald darauf gab noch eine andere
grobe Stimme vom Schloſſe her Antwort. Ich dachte
mir nun wohl, daß ſie mich aufſuchen wuͤrden. Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/89>, abgerufen am 23.07.2024.
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