Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.ob ich nicht schon am Zollhäuschen mit meiner Geige Als ich so voll Sorgen auf dem Bette saß, hörte Kaum war ich auf diese Art unten im Garten an¬ ob ich nicht ſchon am Zollhaͤuschen mit meiner Geige Als ich ſo voll Sorgen auf dem Bette ſaß, hoͤrte Kaum war ich auf dieſe Art unten im Garten an¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="78"/> ob ich nicht ſchon am Zollhaͤuschen mit meiner Geige<lb/> dahergeſtrichen komme, die Wolken flogen raſch uͤber<lb/> den Himmel, die Zeit verging — und ich konnte nicht<lb/> fort von hier! Ach, mir war ſo weh im Herzen, ich<lb/> wußte gar nicht mehr, was ich thun ſollte. Dabei<lb/> war mir's auch immer, wenn die Blaͤtter draußen<lb/> rauſchten, oder eine Ratte am Boden knosperte, als<lb/> waͤre die Alte durch eine verborgene Tapetenthuͤr heim¬<lb/> lich hereingetreten und lauere und ſchleiche leiſe mit<lb/> dem langen Meſſer durch's Zimmer.</p><lb/> <p>Als ich ſo voll Sorgen auf dem Bette ſaß, hoͤrte<lb/> ich auf einmal ſeit langer Zeit wieder die Nachtmuſik<lb/> unter meinen Fenſtern. Bei dem erſten Klange der<lb/> Guitarre war es mir nicht anders, als wenn mir ein<lb/> Morgenſtrahl ploͤtzlich durch die Seele fuͤhre. Ich riß<lb/> das Fenſter auf und rief leiſe herunter, daß ich wach<lb/> ſey. „Pſt, pſt!“ antwortete es von unten. Ich beſann<lb/> mich nun nicht lange, ſteckte das Briefchen und meine<lb/> Geige zu mir, ſchwang mich aus dem Fenſter, und<lb/> kletterte an der alten, zerſprungenen Mauer hinab, in¬<lb/> dem ich mich mit den Haͤnden an den Straͤuchern, die<lb/> aus den Ritzen wuchſen, anhielt. Aber einige morſche<lb/> Ziegel gaben nach, ich kam ins Rutſchen, es ging im¬<lb/> mer raſcher und raſcher mit mir, bis ich endlich mit<lb/> beiden Fuͤßen aufplumpte, daß mir's im Gehirnkaſten<lb/> kniſterte.</p><lb/> <p>Kaum war ich auf dieſe Art unten im Garten an¬<lb/> gekommen, ſo umarmte mich Jemand mit ſolcher Ve¬<lb/> hemenz, daß ich laut aufſchrie. Der gute Freund aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
ob ich nicht ſchon am Zollhaͤuschen mit meiner Geige
dahergeſtrichen komme, die Wolken flogen raſch uͤber
den Himmel, die Zeit verging — und ich konnte nicht
fort von hier! Ach, mir war ſo weh im Herzen, ich
wußte gar nicht mehr, was ich thun ſollte. Dabei
war mir's auch immer, wenn die Blaͤtter draußen
rauſchten, oder eine Ratte am Boden knosperte, als
waͤre die Alte durch eine verborgene Tapetenthuͤr heim¬
lich hereingetreten und lauere und ſchleiche leiſe mit
dem langen Meſſer durch's Zimmer.
Als ich ſo voll Sorgen auf dem Bette ſaß, hoͤrte
ich auf einmal ſeit langer Zeit wieder die Nachtmuſik
unter meinen Fenſtern. Bei dem erſten Klange der
Guitarre war es mir nicht anders, als wenn mir ein
Morgenſtrahl ploͤtzlich durch die Seele fuͤhre. Ich riß
das Fenſter auf und rief leiſe herunter, daß ich wach
ſey. „Pſt, pſt!“ antwortete es von unten. Ich beſann
mich nun nicht lange, ſteckte das Briefchen und meine
Geige zu mir, ſchwang mich aus dem Fenſter, und
kletterte an der alten, zerſprungenen Mauer hinab, in¬
dem ich mich mit den Haͤnden an den Straͤuchern, die
aus den Ritzen wuchſen, anhielt. Aber einige morſche
Ziegel gaben nach, ich kam ins Rutſchen, es ging im¬
mer raſcher und raſcher mit mir, bis ich endlich mit
beiden Fuͤßen aufplumpte, daß mir's im Gehirnkaſten
kniſterte.
Kaum war ich auf dieſe Art unten im Garten an¬
gekommen, ſo umarmte mich Jemand mit ſolcher Ve¬
hemenz, daß ich laut aufſchrie. Der gute Freund aber
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