sten Stücke durch, daß es recht fröhlich in dem einsa¬ men Walde erklang.
Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange, denn ich stolperte dabei jeden Augenblick über die fata¬ len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬ gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und die Sonne schien schon schief zwischen den Baumstäm¬ men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wiesenthal hinaus kam, das rings von Bergen eingeschlossen und voller rother und gelber Blumen war, über denen un¬ zählige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten. Hier war es so einsam, als läge die Welt wohl hun¬ dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten, und ein Hirt lag drüben im hohen Grase und blies so melancholisch auf seiner Schalmei, daß einem das Herz vor Wehmuth hätte zerspringen mögen. Ja, dachte ich bei mir, wer es so gut hätte, wie so ein Faullenzer! unser einer muß sich in der Fremde her¬ umschlagen und immer attent seyn. -- Da ein schönes klares Flüßchen zwischen uns lag, über das ich nicht herüber konnte, so rief ich ihm von weiten zu: wo hier das nächste Dorf läge? Er ließ sich aber nicht stören, sondern streckte nur den Kopf ein wenig aus dem Grase hervor, wies mit seiner Schalmei auf den andern Wald hin und blies ruhig wieder weiter.
Unterdeß marschirte ich fleißig fort, denn es fing schon an zu dämmern. Die Vögel, die alle noch ein großes Geschrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬
ſten Stuͤcke durch, daß es recht froͤhlich in dem einſa¬ men Walde erklang.
Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange, denn ich ſtolperte dabei jeden Augenblick uͤber die fata¬ len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬ gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und die Sonne ſchien ſchon ſchief zwiſchen den Baumſtaͤm¬ men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wieſenthal hinaus kam, das rings von Bergen eingeſchloſſen und voller rother und gelber Blumen war, uͤber denen un¬ zaͤhlige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten. Hier war es ſo einſam, als laͤge die Welt wohl hun¬ dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten, und ein Hirt lag druͤben im hohen Graſe und blies ſo melancholiſch auf ſeiner Schalmei, daß einem das Herz vor Wehmuth haͤtte zerſpringen moͤgen. Ja, dachte ich bei mir, wer es ſo gut haͤtte, wie ſo ein Faullenzer! unſer einer muß ſich in der Fremde her¬ umſchlagen und immer attent ſeyn. — Da ein ſchoͤnes klares Fluͤßchen zwiſchen uns lag, uͤber das ich nicht heruͤber konnte, ſo rief ich ihm von weiten zu: wo hier das naͤchſte Dorf laͤge? Er ließ ſich aber nicht ſtoͤren, ſondern ſtreckte nur den Kopf ein wenig aus dem Graſe hervor, wies mit ſeiner Schalmei auf den andern Wald hin und blies ruhig wieder weiter.
Unterdeß marſchirte ich fleißig fort, denn es fing ſchon an zu daͤmmern. Die Voͤgel, die alle noch ein großes Geſchrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬
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ſten Stuͤcke durch, daß es recht froͤhlich in dem einſa¬
men Walde erklang.
Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange,
denn ich ſtolperte dabei jeden Augenblick uͤber die fata¬
len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬
gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende
nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und
die Sonne ſchien ſchon ſchief zwiſchen den Baumſtaͤm¬
men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wieſenthal
hinaus kam, das rings von Bergen eingeſchloſſen und
voller rother und gelber Blumen war, uͤber denen un¬
zaͤhlige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten.
Hier war es ſo einſam, als laͤge die Welt wohl hun¬
dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten,
und ein Hirt lag druͤben im hohen Graſe und blies
ſo melancholiſch auf ſeiner Schalmei, daß einem das
Herz vor Wehmuth haͤtte zerſpringen moͤgen. Ja,
dachte ich bei mir, wer es ſo gut haͤtte, wie ſo ein
Faullenzer! unſer einer muß ſich in der Fremde her¬
umſchlagen und immer attent ſeyn. — Da ein ſchoͤnes
klares Fluͤßchen zwiſchen uns lag, uͤber das ich nicht
heruͤber konnte, ſo rief ich ihm von weiten zu: wo hier
das naͤchſte Dorf laͤge? Er ließ ſich aber nicht ſtoͤren,
ſondern ſtreckte nur den Kopf ein wenig aus dem Graſe
hervor, wies mit ſeiner Schalmei auf den andern Wald
hin und blies ruhig wieder weiter.
Unterdeß marſchirte ich fleißig fort, denn es fing
ſchon an zu daͤmmern. Die Voͤgel, die alle noch ein
großes Geſchrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/49>, abgerufen am 23.07.2024.
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