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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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kamen. Das Mondlicht fiel eben wechselnd zwischen
den Bäumen auf ihre Gestalt. Da kam es ihm auch
vor, als sey sie nun größer, schlanker und edler, als
vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.

Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬
tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur
manchmal hörte man noch eine Stimme in der Ferne
verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend
still und feierlich im prächtigen Mondschein. Auf ei¬
ner Wiese, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere
Pferde und Menschen, in dem Dämmerlichte halb¬
kenntlich durch einander wirrend.

Hier blieb seine Begleiterin plötzlich stehen. "Es
wird mich freuen," sagte sie, "Euch einmal in meinem
Hause zu sehen. Unser Freund wird Euch hingelei¬
ten. -- Lebt wohl!" -- Bei diesen Worten schlug sie
den Schleier zurück, und Florio fuhr erschrocken zu¬
sammen. -- Es war die wunderbare Schöne, deren
Gesang er in jenem mittagschwülen Garten belauscht. --
Aber ihr Gesicht, das der Mond hell beschien, kam ihm
bleich und regungslos vor, fast wie damals das Mar¬
morbild am Weiher.

Er sah nun, wie sie über die Wiese dahinging,
von mehreren reichgeschmückten Dienern empfangen
wurde, und in einem schnell umgeworfenen schimmern¬
den Jagdkleide einen schneeweißen Zelter bestieg. Wie
festgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen
Grauen, das ihn innerlichst überschlich, blieb er ste¬

kamen. Das Mondlicht fiel eben wechſelnd zwiſchen
den Baͤumen auf ihre Geſtalt. Da kam es ihm auch
vor, als ſey ſie nun groͤßer, ſchlanker und edler, als
vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.

Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬
tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur
manchmal hoͤrte man noch eine Stimme in der Ferne
verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend
ſtill und feierlich im praͤchtigen Mondſchein. Auf ei¬
ner Wieſe, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere
Pferde und Menſchen, in dem Daͤmmerlichte halb¬
kenntlich durch einander wirrend.

Hier blieb ſeine Begleiterin ploͤtzlich ſtehen. „Es
wird mich freuen,“ ſagte ſie, „Euch einmal in meinem
Hauſe zu ſehen. Unſer Freund wird Euch hingelei¬
ten. — Lebt wohl!“ — Bei dieſen Worten ſchlug ſie
den Schleier zuruͤck, und Florio fuhr erſchrocken zu¬
ſammen. — Es war die wunderbare Schoͤne, deren
Geſang er in jenem mittagſchwuͤlen Garten belauſcht. —
Aber ihr Geſicht, das der Mond hell beſchien, kam ihm
bleich und regungslos vor, faſt wie damals das Mar¬
morbild am Weiher.

Er ſah nun, wie ſie uͤber die Wieſe dahinging,
von mehreren reichgeſchmuͤckten Dienern empfangen
wurde, und in einem ſchnell umgeworfenen ſchimmern¬
den Jagdkleide einen ſchneeweißen Zelter beſtieg. Wie
feſtgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen
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[175/0185] kamen. Das Mondlicht fiel eben wechſelnd zwiſchen den Baͤumen auf ihre Geſtalt. Da kam es ihm auch vor, als ſey ſie nun groͤßer, ſchlanker und edler, als vorhin beim Tanze und am Springbrunnen. Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬ tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur manchmal hoͤrte man noch eine Stimme in der Ferne verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend ſtill und feierlich im praͤchtigen Mondſchein. Auf ei¬ ner Wieſe, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere Pferde und Menſchen, in dem Daͤmmerlichte halb¬ kenntlich durch einander wirrend. Hier blieb ſeine Begleiterin ploͤtzlich ſtehen. „Es wird mich freuen,“ ſagte ſie, „Euch einmal in meinem Hauſe zu ſehen. Unſer Freund wird Euch hingelei¬ ten. — Lebt wohl!“ — Bei dieſen Worten ſchlug ſie den Schleier zuruͤck, und Florio fuhr erſchrocken zu¬ ſammen. — Es war die wunderbare Schoͤne, deren Geſang er in jenem mittagſchwuͤlen Garten belauſcht. — Aber ihr Geſicht, das der Mond hell beſchien, kam ihm bleich und regungslos vor, faſt wie damals das Mar¬ morbild am Weiher. Er ſah nun, wie ſie uͤber die Wieſe dahinging, von mehreren reichgeſchmuͤckten Dienern empfangen wurde, und in einem ſchnell umgeworfenen ſchimmern¬ den Jagdkleide einen ſchneeweißen Zelter beſtieg. Wie feſtgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen Grauen, das ihn innerlichſt uͤberſchlich, blieb er ſte¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/185>, abgerufen am 23.11.2024.