Unbefriedigt ritt Florio weiter, aber wie er so eben um die Straßenecke bog, sah er, daß sich die eine von den Damen noch einmal ihm nachblickend zwischen den Blumen hinauslehnte und dann schnell das Fenster schloß.
Am folgenden Morgen, als Florio so eben seine Traumblüthen abgeschüttelt und vergnügt aus dem Fenster über die in der Morgensonne funkelnden Thürme und Kuppeln der Stadt hinaussah, trat unerwartet der Ritter Donati in das Zimmer. Er war ganz schwarz gekleidet und sah heute ungewöhnlich verstört, hastig und beinah wild aus. Florio erschrack ordentlich vor Freude, als er ihn erblickte, denn er gedachte sogleich der schönen Frau. "Kann ich sie sehen?" rief er ihm schnell entgegen. Donati schüttelte verneinend mit dem Kopfe und sagte, traurig vor sich auf den Boden hinsehend: "Heute ist Sonntag." -- Dann fuhr er rasch fort, sich sogleich wieder ermannend: "Aber zur Jagd wollt' ich Euch abholen." -- "Zur Jagd?" -- erwiederte Flo¬ rio höchst verwundert, "heute am heiligen Tage?" -- "Nun wahrhaftig," fiel ihm der Ritter mit einem in¬ grimmigen, abscheulichen Lachen in's Wort, "Ihr wollt doch nicht etwa mit der Buhlerin unter'm Arm zur Kirche wandern und im Winkel auf dem Fußschemel knieen und andächtig Gotthelf sagen, wenn die Frau Base nießt." -- "Ich weiß nicht, wie Ihr das meint," sagte Florio, "und Ihr mögt immer über mich lachen, aber ich könnte heut nicht jagen. Wie da draußen alle
Unbefriedigt ritt Florio weiter, aber wie er ſo eben um die Straßenecke bog, ſah er, daß ſich die eine von den Damen noch einmal ihm nachblickend zwiſchen den Blumen hinauslehnte und dann ſchnell das Fenſter ſchloß.
Am folgenden Morgen, als Florio ſo eben ſeine Traumbluͤthen abgeſchuͤttelt und vergnuͤgt aus dem Fenſter uͤber die in der Morgenſonne funkelnden Thuͤrme und Kuppeln der Stadt hinausſah, trat unerwartet der Ritter Donati in das Zimmer. Er war ganz ſchwarz gekleidet und ſah heute ungewoͤhnlich verſtoͤrt, haſtig und beinah wild aus. Florio erſchrack ordentlich vor Freude, als er ihn erblickte, denn er gedachte ſogleich der ſchoͤnen Frau. „Kann ich ſie ſehen?“ rief er ihm ſchnell entgegen. Donati ſchuͤttelte verneinend mit dem Kopfe und ſagte, traurig vor ſich auf den Boden hinſehend: „Heute iſt Sonntag.“ — Dann fuhr er raſch fort, ſich ſogleich wieder ermannend: „Aber zur Jagd wollt' ich Euch abholen.“ — „Zur Jagd?“ — erwiederte Flo¬ rio hoͤchſt verwundert, „heute am heiligen Tage?“ — „Nun wahrhaftig,“ fiel ihm der Ritter mit einem in¬ grimmigen, abſcheulichen Lachen in's Wort, „Ihr wollt doch nicht etwa mit der Buhlerin unter'm Arm zur Kirche wandern und im Winkel auf dem Fußſchemel knieen und andaͤchtig Gotthelf ſagen, wenn die Frau Baſe nießt.“ — „Ich weiß nicht, wie Ihr das meint,“ ſagte Florio, „und Ihr moͤgt immer uͤber mich lachen, aber ich koͤnnte heut nicht jagen. Wie da draußen alle
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Unbefriedigt ritt Florio weiter, aber wie er ſo eben
um die Straßenecke bog, ſah er, daß ſich die eine von
den Damen noch einmal ihm nachblickend zwiſchen den
Blumen hinauslehnte und dann ſchnell das Fenſter
ſchloß.
Am folgenden Morgen, als Florio ſo eben ſeine
Traumbluͤthen abgeſchuͤttelt und vergnuͤgt aus dem
Fenſter uͤber die in der Morgenſonne funkelnden Thuͤrme
und Kuppeln der Stadt hinausſah, trat unerwartet
der Ritter Donati in das Zimmer. Er war ganz ſchwarz
gekleidet und ſah heute ungewoͤhnlich verſtoͤrt, haſtig
und beinah wild aus. Florio erſchrack ordentlich vor
Freude, als er ihn erblickte, denn er gedachte ſogleich der
ſchoͤnen Frau. „Kann ich ſie ſehen?“ rief er ihm ſchnell
entgegen. Donati ſchuͤttelte verneinend mit dem Kopfe
und ſagte, traurig vor ſich auf den Boden hinſehend:
„Heute iſt Sonntag.“ — Dann fuhr er raſch fort,
ſich ſogleich wieder ermannend: „Aber zur Jagd wollt'
ich Euch abholen.“ — „Zur Jagd?“ — erwiederte Flo¬
rio hoͤchſt verwundert, „heute am heiligen Tage?“ —
„Nun wahrhaftig,“ fiel ihm der Ritter mit einem in¬
grimmigen, abſcheulichen Lachen in's Wort, „Ihr wollt
doch nicht etwa mit der Buhlerin unter'm Arm zur
Kirche wandern und im Winkel auf dem Fußſchemel
knieen und andaͤchtig Gotthelf ſagen, wenn die Frau
Baſe nießt.“ — „Ich weiß nicht, wie Ihr das meint,“
ſagte Florio, „und Ihr moͤgt immer uͤber mich lachen,
aber ich koͤnnte heut nicht jagen. Wie da draußen alle
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/176>, abgerufen am 28.07.2024.
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