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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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wo gesehen, doch konnte er sich durchaus nicht klar
besinnen.

Sie waren unterdeß rasch fortgehend unvermerkt
an das vergoldete Gitterthor des Gartens gekommen.
Es war nicht dasselbe, durch welches Florio vorhin
eingetreten. Verwundert sah er sich in der unbekann¬
ten Gegend um; weit über die Felder weg lagen die
Thürme der Stadt im heitern Sonnenglanze. Am
Gitter stand Donati's Pferd angebunden und scharrte
schnaubend den Boden.

Schüchtern äußerte nun Florio den Wunsch, die
schöne Herrin des Gartens künftig einmal wieder zu
sehen. Donati, der bis dahin noch immer in sich ver¬
sunken war, schien sich erst hier plötzlich zu besinnen.
"Die Dame," sagte er mit der gewohnten umsichtigen
Höflichkeit, "wird sich freuen, Euch kennen zu lernen.
Heute jedoch würden wir sie stören, und auch mich
rufen dringende Geschäfte nach Hause. Vielleicht kann
ich Euch morgen abholen." -- Und hierauf nahm er
in wohlgesetzten Reden Abschied von dem Jüngling,
bestieg sein Roß und war bald zwischen den Hügeln
verschwunden.

Florio sah ihm lange nach, dann eilte er wie ein
Trunkener der Stadt zu. Dort hielt die Schwüle noch
alle lebendigen Wesen in den Häusern, hinter den dun¬
kelkühlen Jalousieen. Alle Gassen und Plätze waren
so leer, Fortunato auch noch nicht zurückgekehrt. Dem
Glücklichen wurde es hier zu enge, in trauriger Ein¬

wo geſehen, doch konnte er ſich durchaus nicht klar
beſinnen.

Sie waren unterdeß raſch fortgehend unvermerkt
an das vergoldete Gitterthor des Gartens gekommen.
Es war nicht daſſelbe, durch welches Florio vorhin
eingetreten. Verwundert ſah er ſich in der unbekann¬
ten Gegend um; weit uͤber die Felder weg lagen die
Thuͤrme der Stadt im heitern Sonnenglanze. Am
Gitter ſtand Donati's Pferd angebunden und ſcharrte
ſchnaubend den Boden.

Schuͤchtern aͤußerte nun Florio den Wunſch, die
ſchoͤne Herrin des Gartens kuͤnftig einmal wieder zu
ſehen. Donati, der bis dahin noch immer in ſich ver¬
ſunken war, ſchien ſich erſt hier ploͤtzlich zu beſinnen.
„Die Dame,“ ſagte er mit der gewohnten umſichtigen
Hoͤflichkeit, „wird ſich freuen, Euch kennen zu lernen.
Heute jedoch wuͤrden wir ſie ſtoͤren, und auch mich
rufen dringende Geſchaͤfte nach Hauſe. Vielleicht kann
ich Euch morgen abholen.“ — Und hierauf nahm er
in wohlgeſetzten Reden Abſchied von dem Juͤngling,
beſtieg ſein Roß und war bald zwiſchen den Huͤgeln
verſchwunden.

Florio ſah ihm lange nach, dann eilte er wie ein
Trunkener der Stadt zu. Dort hielt die Schwuͤle noch
alle lebendigen Weſen in den Haͤuſern, hinter den dun¬
kelkuͤhlen Jalouſieen. Alle Gaſſen und Plaͤtze waren
ſo leer, Fortunato auch noch nicht zuruͤckgekehrt. Dem
Gluͤcklichen wurde es hier zu enge, in trauriger Ein¬

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[164/0174] wo geſehen, doch konnte er ſich durchaus nicht klar beſinnen. Sie waren unterdeß raſch fortgehend unvermerkt an das vergoldete Gitterthor des Gartens gekommen. Es war nicht daſſelbe, durch welches Florio vorhin eingetreten. Verwundert ſah er ſich in der unbekann¬ ten Gegend um; weit uͤber die Felder weg lagen die Thuͤrme der Stadt im heitern Sonnenglanze. Am Gitter ſtand Donati's Pferd angebunden und ſcharrte ſchnaubend den Boden. Schuͤchtern aͤußerte nun Florio den Wunſch, die ſchoͤne Herrin des Gartens kuͤnftig einmal wieder zu ſehen. Donati, der bis dahin noch immer in ſich ver¬ ſunken war, ſchien ſich erſt hier ploͤtzlich zu beſinnen. „Die Dame,“ ſagte er mit der gewohnten umſichtigen Hoͤflichkeit, „wird ſich freuen, Euch kennen zu lernen. Heute jedoch wuͤrden wir ſie ſtoͤren, und auch mich rufen dringende Geſchaͤfte nach Hauſe. Vielleicht kann ich Euch morgen abholen.“ — Und hierauf nahm er in wohlgeſetzten Reden Abſchied von dem Juͤngling, beſtieg ſein Roß und war bald zwiſchen den Huͤgeln verſchwunden. Florio ſah ihm lange nach, dann eilte er wie ein Trunkener der Stadt zu. Dort hielt die Schwuͤle noch alle lebendigen Weſen in den Haͤuſern, hinter den dun¬ kelkuͤhlen Jalouſieen. Alle Gaſſen und Plaͤtze waren ſo leer, Fortunato auch noch nicht zuruͤckgekehrt. Dem Gluͤcklichen wurde es hier zu enge, in trauriger Ein¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/174>, abgerufen am 28.04.2024.