Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

vorwärts; aber vergeblich; je emsiger er suchte, je un¬
bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.

Lange war er so umhergeirrt. Die Vögel schwie¬
gen schon, der Kreis der Hügel wurde nach und nach
immer stiller, die Strahlen der Mittagssonne schiller¬
ten segnend über der ganzen Gegend draußen, die wie
unter einem Schleier von Schwüle zu schlummern und
zu träumen schien. Da kam er unerwartet an ein
Thor von Eisengittern, zwischen dessen zierlich vergol¬
deten Stäben hindurch man in einen weiten prächti¬
gen Lustgarten hineinsehen konnte. Ein Strom von
Kühle und Duft wehte den Ermüdeten erquickend dar¬
aus an. Das Thor war nicht verschlossen, er öffnete
es leise und trat hinein.

Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren
feierlichen Schatten, zwischen denen goldene Vögel wie
abgewehte Blüthen hin und wieder flatterten, während
große seltsame Blumen, wie sie Florio niemals gese¬
hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken
in dem leisen Winde hin und her schwankten. Unzäh¬
lige Springbrunnen plätscherten, mit vergoldeten Ku¬
geln spielend, einförmig in der großen Einsamkeit.
Zwischen den Bäumen hindurch sah man in der Ferne
einen prächtigen Palast mit hohen schlanken Säulen
hereinschimmern. Kein Mensch war ringsum zu sehen,
tiefe Stille herrschte überall. Nur hin und wieder er¬
wachte manchmal eine Nachtigall und sang wie im
Schlummer fast schluchzend. Florio betrachtete ver¬
wundert Bäume, Brunnen und Blumen, denn es war

vorwaͤrts; aber vergeblich; je emſiger er ſuchte, je un¬
bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.

Lange war er ſo umhergeirrt. Die Voͤgel ſchwie¬
gen ſchon, der Kreis der Huͤgel wurde nach und nach
immer ſtiller, die Strahlen der Mittagsſonne ſchiller¬
ten ſegnend uͤber der ganzen Gegend draußen, die wie
unter einem Schleier von Schwuͤle zu ſchlummern und
zu traͤumen ſchien. Da kam er unerwartet an ein
Thor von Eiſengittern, zwiſchen deſſen zierlich vergol¬
deten Staͤben hindurch man in einen weiten praͤchti¬
gen Luſtgarten hineinſehen konnte. Ein Strom von
Kuͤhle und Duft wehte den Ermuͤdeten erquickend dar¬
aus an. Das Thor war nicht verſchloſſen, er oͤffnete
es leiſe und trat hinein.

Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren
feierlichen Schatten, zwiſchen denen goldene Voͤgel wie
abgewehte Bluͤthen hin und wieder flatterten, waͤhrend
große ſeltſame Blumen, wie ſie Florio niemals geſe¬
hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken
in dem leiſen Winde hin und her ſchwankten. Unzaͤh¬
lige Springbrunnen plaͤtſcherten, mit vergoldeten Ku¬
geln ſpielend, einfoͤrmig in der großen Einſamkeit.
Zwiſchen den Baͤumen hindurch ſah man in der Ferne
einen praͤchtigen Palaſt mit hohen ſchlanken Saͤulen
hereinſchimmern. Kein Menſch war ringsum zu ſehen,
tiefe Stille herrſchte uͤberall. Nur hin und wieder er¬
wachte manchmal eine Nachtigall und ſang wie im
Schlummer faſt ſchluchzend. Florio betrachtete ver¬
wundert Baͤume, Brunnen und Blumen, denn es war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="160"/>
vorwa&#x0364;rts; aber vergeblich; je em&#x017F;iger er &#x017F;uchte, je un¬<lb/>
bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.</p><lb/>
        <p>Lange war er &#x017F;o umhergeirrt. Die Vo&#x0364;gel &#x017F;chwie¬<lb/>
gen &#x017F;chon, der Kreis der Hu&#x0364;gel wurde nach und nach<lb/>
immer &#x017F;tiller, die Strahlen der Mittags&#x017F;onne &#x017F;chiller¬<lb/>
ten &#x017F;egnend u&#x0364;ber der ganzen Gegend draußen, die wie<lb/>
unter einem Schleier von Schwu&#x0364;le zu &#x017F;chlummern und<lb/>
zu tra&#x0364;umen &#x017F;chien. Da kam er unerwartet an ein<lb/>
Thor von Ei&#x017F;engittern, zwi&#x017F;chen de&#x017F;&#x017F;en zierlich vergol¬<lb/>
deten Sta&#x0364;ben hindurch man in einen weiten pra&#x0364;chti¬<lb/>
gen Lu&#x017F;tgarten hinein&#x017F;ehen konnte. Ein Strom von<lb/>
Ku&#x0364;hle und Duft wehte den Ermu&#x0364;deten erquickend dar¬<lb/>
aus an. Das Thor war nicht ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, er o&#x0364;ffnete<lb/>
es lei&#x017F;e und trat hinein.</p><lb/>
        <p>Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren<lb/>
feierlichen Schatten, zwi&#x017F;chen denen goldene Vo&#x0364;gel wie<lb/>
abgewehte Blu&#x0364;then hin und wieder flatterten, wa&#x0364;hrend<lb/>
große &#x017F;elt&#x017F;ame Blumen, wie &#x017F;ie Florio niemals ge&#x017F;<lb/>
hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken<lb/>
in dem lei&#x017F;en Winde hin und her &#x017F;chwankten. Unza&#x0364;<lb/>
lige Springbrunnen pla&#x0364;t&#x017F;cherten, mit vergoldeten Ku¬<lb/>
geln &#x017F;pielend, einfo&#x0364;rmig in der großen Ein&#x017F;amkeit.<lb/>
Zwi&#x017F;chen den Ba&#x0364;umen hindurch &#x017F;ah man in der Ferne<lb/>
einen pra&#x0364;chtigen Pala&#x017F;t mit hohen &#x017F;chlanken Sa&#x0364;ulen<lb/>
herein&#x017F;chimmern. Kein Men&#x017F;ch war ringsum zu &#x017F;ehen,<lb/>
tiefe Stille herr&#x017F;chte u&#x0364;berall. Nur hin und wieder er¬<lb/>
wachte manchmal eine Nachtigall und &#x017F;ang wie im<lb/>
Schlummer fa&#x017F;t &#x017F;chluchzend. Florio betrachtete ver¬<lb/>
wundert Ba&#x0364;ume, Brunnen und Blumen, denn es war<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0170] vorwaͤrts; aber vergeblich; je emſiger er ſuchte, je un¬ bekannter und ganz anders kam ihm alles vor. Lange war er ſo umhergeirrt. Die Voͤgel ſchwie¬ gen ſchon, der Kreis der Huͤgel wurde nach und nach immer ſtiller, die Strahlen der Mittagsſonne ſchiller¬ ten ſegnend uͤber der ganzen Gegend draußen, die wie unter einem Schleier von Schwuͤle zu ſchlummern und zu traͤumen ſchien. Da kam er unerwartet an ein Thor von Eiſengittern, zwiſchen deſſen zierlich vergol¬ deten Staͤben hindurch man in einen weiten praͤchti¬ gen Luſtgarten hineinſehen konnte. Ein Strom von Kuͤhle und Duft wehte den Ermuͤdeten erquickend dar¬ aus an. Das Thor war nicht verſchloſſen, er oͤffnete es leiſe und trat hinein. Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren feierlichen Schatten, zwiſchen denen goldene Voͤgel wie abgewehte Bluͤthen hin und wieder flatterten, waͤhrend große ſeltſame Blumen, wie ſie Florio niemals geſe¬ hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken in dem leiſen Winde hin und her ſchwankten. Unzaͤh¬ lige Springbrunnen plaͤtſcherten, mit vergoldeten Ku¬ geln ſpielend, einfoͤrmig in der großen Einſamkeit. Zwiſchen den Baͤumen hindurch ſah man in der Ferne einen praͤchtigen Palaſt mit hohen ſchlanken Saͤulen hereinſchimmern. Kein Menſch war ringsum zu ſehen, tiefe Stille herrſchte uͤberall. Nur hin und wieder er¬ wachte manchmal eine Nachtigall und ſang wie im Schlummer faſt ſchluchzend. Florio betrachtete ver¬ wundert Baͤume, Brunnen und Blumen, denn es war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/170
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/170>, abgerufen am 27.04.2024.