Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Bäumen die Thränen schüttelt und wogt und lärmt Florio hatte sich Fortunato'n ehedem immer so Baͤumen die Thraͤnen ſchuͤttelt und wogt und laͤrmt Florio hatte ſich Fortunato'n ehedem immer ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="157"/> Baͤumen die Thraͤnen ſchuͤttelt und wogt und laͤrmt<lb/> und ſingt. Der macht eben nicht ſonderlich viel aus<lb/> den ſanften Empfindungen, ſondern greift kuͤhl an alle<lb/> Glieder und lacht einem in's lange Geſicht, wenn man<lb/> ſo preßhaft und noch ganz wie in Mondſchein getaucht vor<lb/> ihn hinaustritt.“ — Florio ſchaͤmte ſich nun, den Saͤn¬<lb/> ger, wie er ſich anfangs vorgenommen, etwas von dem<lb/> ſchoͤnen Venusbilde zu ſagen, und ſchwieg betreten<lb/> ſtill. Sein Spaziergang in der Nacht war aber von<lb/> dem Diener an der Hausthuͤr bemerkt und wahrſchein¬<lb/> lich verrathen worden, und Fortunato fuhr lachend<lb/> fort: „Nun, wenn Ihr's nicht glaubt, verſucht es<lb/> nur einmal, und ſtellt Euch jetzt hierher und ſagt zum<lb/> Exempel: O ſchoͤne, holde Seele, o Mondſchein, du<lb/> Bluͤthenſtaub zaͤrtlicher Herzen u. ſ. w., ob das nicht<lb/> recht zum Lachen waͤre! Und doch wette ich, habt Ihr<lb/> dieſe Nacht dergleichen oft geſagt und gewiß ordent¬<lb/> lich ernſthaft dabei ausgeſehen. —“</p><lb/> <p>Florio hatte ſich Fortunato'n ehedem immer ſo<lb/> ſtill und ſanftmuͤthig vorgeſtellt, nun verwundete ihn<lb/> recht innerlichſt die kecke Luſtigkeit des geliebten Saͤn¬<lb/> gers. Er ſagte haſtig, und die Thraͤnen traten ihm<lb/> dabei in die ſeelenvollen Augen: „Ihr ſprecht da ſicher¬<lb/> lich anders, als Euch ſelber zu Muthe iſt, und das<lb/> ſolltet Ihr nimmermehr thun. Aber ich laſſe mich<lb/> von Euch nicht irre machen, es giebt noch ſanfte und<lb/> hohe Empfindungen, die wohl ſchamhaft ſind, aber<lb/> ſich nicht zu ſchaͤmen brauchen, und ein ſtilles Gluͤck,<lb/> das ſich vor dem lauten Tage verſchließt und nur dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0167]
Baͤumen die Thraͤnen ſchuͤttelt und wogt und laͤrmt
und ſingt. Der macht eben nicht ſonderlich viel aus
den ſanften Empfindungen, ſondern greift kuͤhl an alle
Glieder und lacht einem in's lange Geſicht, wenn man
ſo preßhaft und noch ganz wie in Mondſchein getaucht vor
ihn hinaustritt.“ — Florio ſchaͤmte ſich nun, den Saͤn¬
ger, wie er ſich anfangs vorgenommen, etwas von dem
ſchoͤnen Venusbilde zu ſagen, und ſchwieg betreten
ſtill. Sein Spaziergang in der Nacht war aber von
dem Diener an der Hausthuͤr bemerkt und wahrſchein¬
lich verrathen worden, und Fortunato fuhr lachend
fort: „Nun, wenn Ihr's nicht glaubt, verſucht es
nur einmal, und ſtellt Euch jetzt hierher und ſagt zum
Exempel: O ſchoͤne, holde Seele, o Mondſchein, du
Bluͤthenſtaub zaͤrtlicher Herzen u. ſ. w., ob das nicht
recht zum Lachen waͤre! Und doch wette ich, habt Ihr
dieſe Nacht dergleichen oft geſagt und gewiß ordent¬
lich ernſthaft dabei ausgeſehen. —“
Florio hatte ſich Fortunato'n ehedem immer ſo
ſtill und ſanftmuͤthig vorgeſtellt, nun verwundete ihn
recht innerlichſt die kecke Luſtigkeit des geliebten Saͤn¬
gers. Er ſagte haſtig, und die Thraͤnen traten ihm
dabei in die ſeelenvollen Augen: „Ihr ſprecht da ſicher¬
lich anders, als Euch ſelber zu Muthe iſt, und das
ſolltet Ihr nimmermehr thun. Aber ich laſſe mich
von Euch nicht irre machen, es giebt noch ſanfte und
hohe Empfindungen, die wohl ſchamhaft ſind, aber
ſich nicht zu ſchaͤmen brauchen, und ein ſtilles Gluͤck,
das ſich vor dem lauten Tage verſchließt und nur dem
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