Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Seine schöne Nachbarin sah bei diesen Worten bei¬ So hatte ein Jeder der Glücklichen sein Liebchen Draußen war indeß die Gegend schon stiller ge¬ K
Seine ſchoͤne Nachbarin ſah bei dieſen Worten bei¬ So hatte ein Jeder der Gluͤcklichen ſein Liebchen Draußen war indeß die Gegend ſchon ſtiller ge¬ K
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Seine ſchoͤne Nachbarin ſah bei dieſen Worten bei¬
nah ſchelmiſch an ihm herauf und ſenkte ſchnell wie¬
der das Koͤpfchen, da ſie ſeinem Blicke begegnete. Aber
er hatte ſo herzlich bewegt geſungen und neigte ſich
nun mit den ſchoͤnen bittenden Augen ſo dringend her¬
uͤber, daß ſie es willig geſchehen ließ, als er ſie ſchnell
auf die rothen heißen Lippen kuͤßte. — „Bravo, Bravo!“
riefen mehrere Herren, ein muthwilliges aber argloſes
Lachen erſchallte um den Tiſch. — Florio ſtuͤrzte haſtig
und verwirrt ſein Glas hinunter, die ſchoͤne Gekuͤßte
ſchauete hochroth in den Schooß und ſah ſo unter dem
vollen Blumenkranze unbeſchreiblich reizend aus.
So hatte ein Jeder der Gluͤcklichen ſein Liebchen
in dem Kreiſe ſich heiter erkohren. Nur Fortunato
allein gehoͤrte Allen oder Keiner an und erſchien faſt
einſam in dieſer anmuthigen Verwirrung. Er war
ausgelaſſen luſtig und Mancher haͤtte ihn wohl uͤber¬
muͤthig genannt, wie er ſo wildwechſelnd in Witz,
Ernſt und Scherz ſich ganz und gar losließ, haͤtte er
dabei nicht wieder mit ſo frommklaren Augen beinah
wunderbar dreingeſchaut. Florio hatte ſich feſt vorge¬
nommen, ihm uͤber Tiſche einmal ſo recht ſeine Liebe
und Ehrfurcht, die er laͤngſt fuͤr ihn hegte, zu ſagen.
Aber es wollte heute nicht gelingen, alle leiſen Verſuche
glitten an der ſproͤden Luſtigkeit des Saͤngers ab. Er
konnte ihn gar nicht begreifen. —
Draußen war indeß die Gegend ſchon ſtiller ge¬
worden und feierlich, einzelne Sterne traten zwiſchen
den Wipfeln der dunkelnden Baͤume hervor, der Fluß
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