schliffenen Gläsern funkelte von dem blendendweißen Gedeck, in silbernen Gefäßen dufteten große Blumen¬ sträuße, zwischen denen die hübschen Mädchengesichter anmuthig hervorsahen; draußen spielten die letzten Abendlichter golden auf dem Rasen und dem Flusse, der spiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio hatte sich fast unwillkührlich zu der niedlichen Ball¬ spielerin gesellt. Sie erkannte ihn sogleich wieder und saß still und schüchtern da, aber die langen furchtsamen Augenwimper hüteten nur schlecht die tiefen dunkel¬ glühenden Blicke.
Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde seinem Liebchen mit einem kleinen improvisirten Lied¬ chen zutrinken solle. Der leichte Gesang, der nur gau¬ kelnd wie ein Frühlingswind die Oberfläche des Lebens berührte, ohne es in sich selbst zu versenken, bewegte fröh¬ lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war recht innerlichst vergnügt, alle blöde Bangigkeit war von seiner Seele genommen, und er sah fast träumerisch still vor fröhlichen Gedanken zwischen den Lichtern und Blu¬ men in die wunderschöne, langsam in die Abendgluthen versinkende Landschaft vor sich hinaus. Und als nun auch an ihn die Reihe kam, seinen Trinkspruch zu sa¬ gen, hob er sein Glas in die Höh' und sang:
Jeder nennet froh die Seine, Ich nur stehe hier alleine, Denn was früge wohl die Eine: Wen der Fremdling eben meine? Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle, Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.
ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen Gedeck, in ſilbernen Gefaͤßen dufteten große Blumen¬ ſtraͤuße, zwiſchen denen die huͤbſchen Maͤdchengeſichter anmuthig hervorſahen; draußen ſpielten die letzten Abendlichter golden auf dem Raſen und dem Fluſſe, der ſpiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio hatte ſich faſt unwillkuͤhrlich zu der niedlichen Ball¬ ſpielerin geſellt. Sie erkannte ihn ſogleich wieder und ſaß ſtill und ſchuͤchtern da, aber die langen furchtſamen Augenwimper huͤteten nur ſchlecht die tiefen dunkel¬ gluͤhenden Blicke.
Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde ſeinem Liebchen mit einem kleinen improviſirten Lied¬ chen zutrinken ſolle. Der leichte Geſang, der nur gau¬ kelnd wie ein Fruͤhlingswind die Oberflaͤche des Lebens beruͤhrte, ohne es in ſich ſelbſt zu verſenken, bewegte froͤh¬ lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war recht innerlichſt vergnuͤgt, alle bloͤde Bangigkeit war von ſeiner Seele genommen, und er ſah faſt traͤumeriſch ſtill vor froͤhlichen Gedanken zwiſchen den Lichtern und Blu¬ men in die wunderſchoͤne, langſam in die Abendgluthen verſinkende Landſchaft vor ſich hinaus. Und als nun auch an ihn die Reihe kam, ſeinen Trinkſpruch zu ſa¬ gen, hob er ſein Glas in die Hoͤh' und ſang:
Jeder nennet froh die Seine, Ich nur ſtehe hier alleine, Denn was fruͤge wohl die Eine: Wen der Fremdling eben meine? Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle, Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0154"n="144"/>ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen<lb/>
Gedeck, in ſilbernen Gefaͤßen dufteten große Blumen¬<lb/>ſtraͤuße, zwiſchen denen die huͤbſchen Maͤdchengeſichter<lb/>
anmuthig hervorſahen; draußen ſpielten die letzten<lb/>
Abendlichter golden auf dem Raſen und dem Fluſſe,<lb/>
der ſpiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio<lb/>
hatte ſich faſt unwillkuͤhrlich zu der niedlichen Ball¬<lb/>ſpielerin geſellt. Sie erkannte ihn ſogleich wieder und<lb/>ſaß ſtill und ſchuͤchtern da, aber die langen furchtſamen<lb/>
Augenwimper huͤteten nur ſchlecht die tiefen dunkel¬<lb/>
gluͤhenden Blicke.</p><lb/><p>Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde<lb/>ſeinem Liebchen mit einem kleinen improviſirten Lied¬<lb/>
chen zutrinken ſolle. Der leichte Geſang, der nur gau¬<lb/>
kelnd wie ein Fruͤhlingswind die Oberflaͤche des Lebens<lb/>
beruͤhrte, ohne es in ſich ſelbſt zu verſenken, bewegte froͤh¬<lb/>
lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war<lb/>
recht innerlichſt vergnuͤgt, alle bloͤde Bangigkeit war von<lb/>ſeiner Seele genommen, und er ſah faſt traͤumeriſch ſtill<lb/>
vor froͤhlichen Gedanken zwiſchen den Lichtern und Blu¬<lb/>
men in die wunderſchoͤne, langſam in die Abendgluthen<lb/>
verſinkende Landſchaft vor ſich hinaus. Und als nun<lb/>
auch an ihn die Reihe kam, ſeinen Trinkſpruch zu ſa¬<lb/>
gen, hob er ſein Glas in die Hoͤh' und ſang:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Jeder nennet froh die Seine,</l><lb/><l>Ich nur ſtehe hier alleine,</l><lb/><l>Denn was fruͤge wohl die Eine:</l><lb/><l>Wen der Fremdling eben meine?</l><lb/><l>Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle,</l><lb/><l>Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.</l><lb/></lg></div></body></text></TEI>
[144/0154]
ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen
Gedeck, in ſilbernen Gefaͤßen dufteten große Blumen¬
ſtraͤuße, zwiſchen denen die huͤbſchen Maͤdchengeſichter
anmuthig hervorſahen; draußen ſpielten die letzten
Abendlichter golden auf dem Raſen und dem Fluſſe,
der ſpiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio
hatte ſich faſt unwillkuͤhrlich zu der niedlichen Ball¬
ſpielerin geſellt. Sie erkannte ihn ſogleich wieder und
ſaß ſtill und ſchuͤchtern da, aber die langen furchtſamen
Augenwimper huͤteten nur ſchlecht die tiefen dunkel¬
gluͤhenden Blicke.
Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde
ſeinem Liebchen mit einem kleinen improviſirten Lied¬
chen zutrinken ſolle. Der leichte Geſang, der nur gau¬
kelnd wie ein Fruͤhlingswind die Oberflaͤche des Lebens
beruͤhrte, ohne es in ſich ſelbſt zu verſenken, bewegte froͤh¬
lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war
recht innerlichſt vergnuͤgt, alle bloͤde Bangigkeit war von
ſeiner Seele genommen, und er ſah faſt traͤumeriſch ſtill
vor froͤhlichen Gedanken zwiſchen den Lichtern und Blu¬
men in die wunderſchoͤne, langſam in die Abendgluthen
verſinkende Landſchaft vor ſich hinaus. Und als nun
auch an ihn die Reihe kam, ſeinen Trinkſpruch zu ſa¬
gen, hob er ſein Glas in die Hoͤh' und ſang:
Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur ſtehe hier alleine,
Denn was fruͤge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle,
Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/154>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.