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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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austreten, und die Zugvögel hoch über uns fortziehn,
daß wir gar nicht wissen, welcher Schornstein heut
für uns raucht, und gar nicht voraussehen, was uns
bis zum Abend noch für ein besonderes Glück begeg¬
nen kann." -- "Ja," sagte der Andere, "und wo wir
hinkommen und unsere Instrumente herausziehen, wird
alles fröhlich, und wenn wir dann zur Mitagsstunde
auf dem Lande in ein Herrschaftshaus treten, und im
Hausflur blasen, da tanzen die Mägde mit einander
vor der Hausthür, und die Herrschaft läßt die Saal¬
thür etwas aufmachen, damit sie die Musik drin besser
hören, und durch die Lücke kommt das Tellergeklap¬
per und der Bratenduft in den freudenreichen Schall
heraus gezogen, und die Fräuleins an der Tafel ver¬
drehen sich fast die Hälse, um die Musikanten draußen
zu sehn." -- "Wahrhaftig," rief der Waldhornist mit
leuchtenden Augen aus, "laßt die Andern nur ihre
Kompendien repetiren, wir studiren unterdeß in dem
großen Bilderbuche, daß der liebe Gott uns draußen
aufgeschlagen hat! Ja glaub' nur der Herr, aus uns
werden grade die rechten Kerls, die den Bauern dann
was zu erzählen wissen und mit der Faust auf die
Kanzel schlagen, daß den Knollfinken unten vor Er¬
bauung und Zerknirschung das Herz im Leibe bersten
möchte."

Wie sie so sprachen, wurde mir so lustig in mei¬
nem Sinn, daß ich gleich auch hätte mit studiren mö¬
gen. Ich konnte mich gar nicht satt hören, denn ich
unterhalte mich gern mit studirten Leuten, wo man et¬

austreten, und die Zugvoͤgel hoch uͤber uns fortziehn,
daß wir gar nicht wiſſen, welcher Schornſtein heut
fuͤr uns raucht, und gar nicht vorausſehen, was uns
bis zum Abend noch fuͤr ein beſonderes Gluͤck begeg¬
nen kann.“ — „Ja,“ ſagte der Andere, „und wo wir
hinkommen und unſere Inſtrumente herausziehen, wird
alles froͤhlich, und wenn wir dann zur Mitagsſtunde
auf dem Lande in ein Herrſchaftshaus treten, und im
Hausflur blaſen, da tanzen die Maͤgde mit einander
vor der Hausthuͤr, und die Herrſchaft laͤßt die Saal¬
thuͤr etwas aufmachen, damit ſie die Muſik drin beſſer
hoͤren, und durch die Luͤcke kommt das Tellergeklap¬
per und der Bratenduft in den freudenreichen Schall
heraus gezogen, und die Fraͤuleins an der Tafel ver¬
drehen ſich faſt die Haͤlſe, um die Muſikanten draußen
zu ſehn.“ — „Wahrhaftig,“ rief der Waldhorniſt mit
leuchtenden Augen aus, „laßt die Andern nur ihre
Kompendien repetiren, wir ſtudiren unterdeß in dem
großen Bilderbuche, daß der liebe Gott uns draußen
aufgeſchlagen hat! Ja glaub' nur der Herr, aus uns
werden grade die rechten Kerls, die den Bauern dann
was zu erzaͤhlen wiſſen und mit der Fauſt auf die
Kanzel ſchlagen, daß den Knollfinken unten vor Er¬
bauung und Zerknirſchung das Herz im Leibe berſten
moͤchte.“

Wie ſie ſo ſprachen, wurde mir ſo luſtig in mei¬
nem Sinn, daß ich gleich auch haͤtte mit ſtudiren moͤ¬
gen. Ich konnte mich gar nicht ſatt hoͤren, denn ich
unterhalte mich gern mit ſtudirten Leuten, wo man et¬

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[114/0124] austreten, und die Zugvoͤgel hoch uͤber uns fortziehn, daß wir gar nicht wiſſen, welcher Schornſtein heut fuͤr uns raucht, und gar nicht vorausſehen, was uns bis zum Abend noch fuͤr ein beſonderes Gluͤck begeg¬ nen kann.“ — „Ja,“ ſagte der Andere, „und wo wir hinkommen und unſere Inſtrumente herausziehen, wird alles froͤhlich, und wenn wir dann zur Mitagsſtunde auf dem Lande in ein Herrſchaftshaus treten, und im Hausflur blaſen, da tanzen die Maͤgde mit einander vor der Hausthuͤr, und die Herrſchaft laͤßt die Saal¬ thuͤr etwas aufmachen, damit ſie die Muſik drin beſſer hoͤren, und durch die Luͤcke kommt das Tellergeklap¬ per und der Bratenduft in den freudenreichen Schall heraus gezogen, und die Fraͤuleins an der Tafel ver¬ drehen ſich faſt die Haͤlſe, um die Muſikanten draußen zu ſehn.“ — „Wahrhaftig,“ rief der Waldhorniſt mit leuchtenden Augen aus, „laßt die Andern nur ihre Kompendien repetiren, wir ſtudiren unterdeß in dem großen Bilderbuche, daß der liebe Gott uns draußen aufgeſchlagen hat! Ja glaub' nur der Herr, aus uns werden grade die rechten Kerls, die den Bauern dann was zu erzaͤhlen wiſſen und mit der Fauſt auf die Kanzel ſchlagen, daß den Knollfinken unten vor Er¬ bauung und Zerknirſchung das Herz im Leibe berſten moͤchte.“ Wie ſie ſo ſprachen, wurde mir ſo luſtig in mei¬ nem Sinn, daß ich gleich auch haͤtte mit ſtudiren moͤ¬ gen. Ich konnte mich gar nicht ſatt hoͤren, denn ich unterhalte mich gern mit ſtudirten Leuten, wo man et¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/124>, abgerufen am 24.11.2024.