Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.aufgehobenen Armen wie heidnische Waldnymphen Ich mochte eine ziemliche Weile so im Kreise her¬ Mir klopfte das Herz, ich wäre am liebsten gleich Da waren noch ein paar lange Stunden hin! --Ich G 2
aufgehobenen Armen wie heidniſche Waldnymphen Ich mochte eine ziemliche Weile ſo im Kreiſe her¬ Mir klopfte das Herz, ich waͤre am liebſten gleich Da waren noch ein paar lange Stunden hin! —Ich G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0109" n="99"/> aufgehobenen Armen wie heidniſche Waldnymphen<lb/> zwiſchen dem Laubwerk ſchwangen, und dabei jedesmal<lb/> in der Luft mit den Caſtagnetten luſtig dazu ſchnalzten.<lb/> Ich konnte mich nicht laͤnger halten, ich ſprang mitten<lb/> unter ſie hinein und machte, waͤhrend ich dabei immer¬<lb/> fort geigte, recht artige Figuren.</p><lb/> <p>Ich mochte eine ziemliche Weile ſo im Kreiſe her¬<lb/> um geſprungen ſeyn, und merkte gar nicht, daß die<lb/> andern unterdeß anfingen muͤde zu werden und ſich<lb/> nach und nach von dem Raſenplatze verloren. Da<lb/> zupfte mich Jemand von hinten tuͤchtig an den Rock¬<lb/> ſchoͤßen. Es war die Kammerjungfer. „Sei kein<lb/> Narr,“ ſagte ſie leiſe, „Du ſpringſt ja wie ein Zie¬<lb/> genbock! Studiere Deinen Zettel ordentlich, und komm<lb/> bald nach, die ſchoͤne junge Graͤfin wartet.“ — Und<lb/> damit ſchluͤpfte ſie in der Daͤmmerung zur Garten¬<lb/> pforte hinaus, und war bald zwiſchen den Weingaͤrten<lb/> verſchwunden.</p><lb/> <p>Mir klopfte das Herz, ich waͤre am liebſten gleich<lb/> nachgeſprungen. Zum Gluͤck zuͤndete der Kellner, da<lb/> es ſchon dunkel geworden war, in einer großen Laterne<lb/> an der Gartenthuͤr Licht an. Ich trat heran und zog<lb/> geſchwind den Zettel heraus. Da war ziemlich kritz¬<lb/> lich mit Bleifeder das Thor und die Straße beſchrie¬<lb/> ben, wie mir die Kammerjungfer vorhin geſagt hatte.<lb/> Dann ſtand: „Elf Uhr an der kleinen Thuͤre.“ —</p><lb/> <p>Da waren noch ein paar lange Stunden hin! —Ich<lb/> wollte mich demungeachtet ſogleich auf den Weg ma¬<lb/> chen, denn ich hatte keine Raſt und Ruhe mehr; aber<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0109]
aufgehobenen Armen wie heidniſche Waldnymphen
zwiſchen dem Laubwerk ſchwangen, und dabei jedesmal
in der Luft mit den Caſtagnetten luſtig dazu ſchnalzten.
Ich konnte mich nicht laͤnger halten, ich ſprang mitten
unter ſie hinein und machte, waͤhrend ich dabei immer¬
fort geigte, recht artige Figuren.
Ich mochte eine ziemliche Weile ſo im Kreiſe her¬
um geſprungen ſeyn, und merkte gar nicht, daß die
andern unterdeß anfingen muͤde zu werden und ſich
nach und nach von dem Raſenplatze verloren. Da
zupfte mich Jemand von hinten tuͤchtig an den Rock¬
ſchoͤßen. Es war die Kammerjungfer. „Sei kein
Narr,“ ſagte ſie leiſe, „Du ſpringſt ja wie ein Zie¬
genbock! Studiere Deinen Zettel ordentlich, und komm
bald nach, die ſchoͤne junge Graͤfin wartet.“ — Und
damit ſchluͤpfte ſie in der Daͤmmerung zur Garten¬
pforte hinaus, und war bald zwiſchen den Weingaͤrten
verſchwunden.
Mir klopfte das Herz, ich waͤre am liebſten gleich
nachgeſprungen. Zum Gluͤck zuͤndete der Kellner, da
es ſchon dunkel geworden war, in einer großen Laterne
an der Gartenthuͤr Licht an. Ich trat heran und zog
geſchwind den Zettel heraus. Da war ziemlich kritz¬
lich mit Bleifeder das Thor und die Straße beſchrie¬
ben, wie mir die Kammerjungfer vorhin geſagt hatte.
Dann ſtand: „Elf Uhr an der kleinen Thuͤre.“ —
Da waren noch ein paar lange Stunden hin! —Ich
wollte mich demungeachtet ſogleich auf den Weg ma¬
chen, denn ich hatte keine Raſt und Ruhe mehr; aber
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