aufgehobenen Armen wie heidnische Waldnymphen zwischen dem Laubwerk schwangen, und dabei jedesmal in der Luft mit den Castagnetten lustig dazu schnalzten. Ich konnte mich nicht länger halten, ich sprang mitten unter sie hinein und machte, während ich dabei immer¬ fort geigte, recht artige Figuren.
Ich mochte eine ziemliche Weile so im Kreise her¬ um gesprungen seyn, und merkte gar nicht, daß die andern unterdeß anfingen müde zu werden und sich nach und nach von dem Rasenplatze verloren. Da zupfte mich Jemand von hinten tüchtig an den Rock¬ schößen. Es war die Kammerjungfer. "Sei kein Narr," sagte sie leise, "Du springst ja wie ein Zie¬ genbock! Studiere Deinen Zettel ordentlich, und komm bald nach, die schöne junge Gräfin wartet." -- Und damit schlüpfte sie in der Dämmerung zur Garten¬ pforte hinaus, und war bald zwischen den Weingärten verschwunden.
Mir klopfte das Herz, ich wäre am liebsten gleich nachgesprungen. Zum Glück zündete der Kellner, da es schon dunkel geworden war, in einer großen Laterne an der Gartenthür Licht an. Ich trat heran und zog geschwind den Zettel heraus. Da war ziemlich kritz¬ lich mit Bleifeder das Thor und die Straße beschrie¬ ben, wie mir die Kammerjungfer vorhin gesagt hatte. Dann stand: "Elf Uhr an der kleinen Thüre." --
Da waren noch ein paar lange Stunden hin! --Ich wollte mich demungeachtet sogleich auf den Weg ma¬ chen, denn ich hatte keine Rast und Ruhe mehr; aber
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aufgehobenen Armen wie heidniſche Waldnymphen zwiſchen dem Laubwerk ſchwangen, und dabei jedesmal in der Luft mit den Caſtagnetten luſtig dazu ſchnalzten. Ich konnte mich nicht laͤnger halten, ich ſprang mitten unter ſie hinein und machte, waͤhrend ich dabei immer¬ fort geigte, recht artige Figuren.
Ich mochte eine ziemliche Weile ſo im Kreiſe her¬ um geſprungen ſeyn, und merkte gar nicht, daß die andern unterdeß anfingen muͤde zu werden und ſich nach und nach von dem Raſenplatze verloren. Da zupfte mich Jemand von hinten tuͤchtig an den Rock¬ ſchoͤßen. Es war die Kammerjungfer. „Sei kein Narr,“ ſagte ſie leiſe, „Du ſpringſt ja wie ein Zie¬ genbock! Studiere Deinen Zettel ordentlich, und komm bald nach, die ſchoͤne junge Graͤfin wartet.“ — Und damit ſchluͤpfte ſie in der Daͤmmerung zur Garten¬ pforte hinaus, und war bald zwiſchen den Weingaͤrten verſchwunden.
Mir klopfte das Herz, ich waͤre am liebſten gleich nachgeſprungen. Zum Gluͤck zuͤndete der Kellner, da es ſchon dunkel geworden war, in einer großen Laterne an der Gartenthuͤr Licht an. Ich trat heran und zog geſchwind den Zettel heraus. Da war ziemlich kritz¬ lich mit Bleifeder das Thor und die Straße beſchrie¬ ben, wie mir die Kammerjungfer vorhin geſagt hatte. Dann ſtand: „Elf Uhr an der kleinen Thuͤre.“ —
Da waren noch ein paar lange Stunden hin! —Ich wollte mich demungeachtet ſogleich auf den Weg ma¬ chen, denn ich hatte keine Raſt und Ruhe mehr; aber
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aufgehobenen Armen wie heidniſche Waldnymphen
zwiſchen dem Laubwerk ſchwangen, und dabei jedesmal
in der Luft mit den Caſtagnetten luſtig dazu ſchnalzten.
Ich konnte mich nicht laͤnger halten, ich ſprang mitten
unter ſie hinein und machte, waͤhrend ich dabei immer¬
fort geigte, recht artige Figuren.
Ich mochte eine ziemliche Weile ſo im Kreiſe her¬
um geſprungen ſeyn, und merkte gar nicht, daß die
andern unterdeß anfingen muͤde zu werden und ſich
nach und nach von dem Raſenplatze verloren. Da
zupfte mich Jemand von hinten tuͤchtig an den Rock¬
ſchoͤßen. Es war die Kammerjungfer. „Sei kein
Narr,“ ſagte ſie leiſe, „Du ſpringſt ja wie ein Zie¬
genbock! Studiere Deinen Zettel ordentlich, und komm
bald nach, die ſchoͤne junge Graͤfin wartet.“ — Und
damit ſchluͤpfte ſie in der Daͤmmerung zur Garten¬
pforte hinaus, und war bald zwiſchen den Weingaͤrten
verſchwunden.
Mir klopfte das Herz, ich waͤre am liebſten gleich
nachgeſprungen. Zum Gluͤck zuͤndete der Kellner, da
es ſchon dunkel geworden war, in einer großen Laterne
an der Gartenthuͤr Licht an. Ich trat heran und zog
geſchwind den Zettel heraus. Da war ziemlich kritz¬
lich mit Bleifeder das Thor und die Straße beſchrie¬
ben, wie mir die Kammerjungfer vorhin geſagt hatte.
Dann ſtand: „Elf Uhr an der kleinen Thuͤre.“ —
Da waren noch ein paar lange Stunden hin! —Ich
wollte mich demungeachtet ſogleich auf den Weg ma¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/109>, abgerufen am 13.08.2024.
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