Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Da reckten sie alle die Köpfe in die Höh. "Bravo, Da reckten ſie alle die Koͤpfe in die Hoͤh. „Bravo, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0108" n="98"/> <p>Da reckten ſie alle die Koͤpfe in die Hoͤh. „Bravo,<lb/> braviſſimo! ein delizioͤſer Einfall!“ rief der luſtige<lb/> Kenner von den Kuͤnſten, und lief ſogleich von einem<lb/> zum andern, um ein laͤndliches Divertiſſement, wie er's<lb/> nannte, einzurichten. Er ſelbſt machte den Anfang, in¬<lb/> dem er der Dame die Hand reichte, die vorhin in der<lb/> Laube Guitarre geſpielt hatte. Er begann darauf au¬<lb/> ßerordentlich kuͤnſtlich zu tanzen, ſchrieb mit den Fu߬<lb/> ſpitzen allerlei Buchſtaben auf den Raſen, ſchlug ordent¬<lb/> liche Triller mit den Fuͤßen, und machte von Zeit zu<lb/> Zeit ganz paſſable Luftſpruͤnge. Aber er bekam es bald<lb/> ſatt, denn er war etwas korpulent. Er machte immer<lb/> kuͤrzere und ungeſchicktere Spruͤnge, bis er endlich ganz<lb/> aus dem Kreiſe heraustrat und heftig puſtete und ſich<lb/> mit ſeinem ſchneeweißen Schnupftuch unaufhoͤrlich den<lb/> Schweiß abwiſchte. Unterdeß hatte auch der junge<lb/> Menſch, der nun wieder ganz geſcheut geworden war,<lb/> aus dem Wirthshauſe Caſtagnetten herbeigeholt, und<lb/> ehe ich mich's verſah, tanzten alle unter den Baͤumen<lb/> bunt durcheinander. Die untergegangene Sonne warf<lb/> noch einige rothe Wiederſcheine zwiſchen die dunklen<lb/> Schatten und uͤber das alte Gemaͤuer und die von<lb/> Epheu wild uͤberwachſenen halb verſunkenen Saͤulen<lb/> hinten im Garten, waͤhrend man von der andern Seite<lb/> tief unter den Weinbergen die Stadt Rom in den<lb/> Abendgluthen liegen ſah. Da tanzten ſie alle lieblich<lb/> im Gruͤnen in der klaren ſtillen Luft, und mir lachte<lb/> das Herz recht im Leibe, wie die ſchlanken Maͤdchen,<lb/> und die Kammerjungfer mitten unter ihnen, ſich ſo mit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0108]
Da reckten ſie alle die Koͤpfe in die Hoͤh. „Bravo,
braviſſimo! ein delizioͤſer Einfall!“ rief der luſtige
Kenner von den Kuͤnſten, und lief ſogleich von einem
zum andern, um ein laͤndliches Divertiſſement, wie er's
nannte, einzurichten. Er ſelbſt machte den Anfang, in¬
dem er der Dame die Hand reichte, die vorhin in der
Laube Guitarre geſpielt hatte. Er begann darauf au¬
ßerordentlich kuͤnſtlich zu tanzen, ſchrieb mit den Fu߬
ſpitzen allerlei Buchſtaben auf den Raſen, ſchlug ordent¬
liche Triller mit den Fuͤßen, und machte von Zeit zu
Zeit ganz paſſable Luftſpruͤnge. Aber er bekam es bald
ſatt, denn er war etwas korpulent. Er machte immer
kuͤrzere und ungeſchicktere Spruͤnge, bis er endlich ganz
aus dem Kreiſe heraustrat und heftig puſtete und ſich
mit ſeinem ſchneeweißen Schnupftuch unaufhoͤrlich den
Schweiß abwiſchte. Unterdeß hatte auch der junge
Menſch, der nun wieder ganz geſcheut geworden war,
aus dem Wirthshauſe Caſtagnetten herbeigeholt, und
ehe ich mich's verſah, tanzten alle unter den Baͤumen
bunt durcheinander. Die untergegangene Sonne warf
noch einige rothe Wiederſcheine zwiſchen die dunklen
Schatten und uͤber das alte Gemaͤuer und die von
Epheu wild uͤberwachſenen halb verſunkenen Saͤulen
hinten im Garten, waͤhrend man von der andern Seite
tief unter den Weinbergen die Stadt Rom in den
Abendgluthen liegen ſah. Da tanzten ſie alle lieblich
im Gruͤnen in der klaren ſtillen Luft, und mir lachte
das Herz recht im Leibe, wie die ſchlanken Maͤdchen,
und die Kammerjungfer mitten unter ihnen, ſich ſo mit
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