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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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verehrteste Mamsell," sagte ich voller Erstaunen, "wie
kommen Sie" -- "um Gotteswillen, still nur, jetzt still!"
erwiederte sie, und sprang geschwind von mir fort auf
die andere Seite des Gartens, eh' ich mich noch auf
alles recht besinnen konnte.

Unterdeß hatten die Andern ihr erstes Thema fast
ganz vergessen, zankten aber untereinander recht ver¬
gnüglich weiter, indem sie dem jungen Menschen be¬
weisen wollten, daß er eigentlich betrunken sey, was
sich für einen ehrliebenden Maler gar nicht schicke.
Der runde fixe Mann aus der Laube, der -- wie ich
nachher erfuhr -- ein großer Kenner und Freund von
Künsten war, und aus Liebe zu den Wissenschaften gern
alles mitmachte, hatte auch sein Stäbchen weggeworfen,
und flankirte mit seinem fetten Gesicht das vor Freund¬
lichkeit ordentlich glänzte, eifrig mitten in dem dicksten
Getümmel herum, um alles zu vermitteln und zu be¬
schwichtigen, während er dazwischen immer wieder die
lange Kadenz und das schöne Tableau bedauerte, das
er mit vieler Mühe zusammengebracht hatte.

Mir aber war es so sternklar im Herzen, wie da¬
mals an dem glückseligen Sonnabend, als ich am
offnen Fenster vor der Weinflasche bis tief in die Nacht
hinein auf der Geige spielte. Ich holte, da der Ru¬
mor gar kein Ende nehmen wollte, frisch meine Vio¬
line wieder hervor und spielte, ohne mich lange zu be¬
sinnen, einen welschen Tanz auf, den sie dort im Ge¬
birge tanzen, und den ich auf dem alten, einsamen
Waldschlosse gelernt hatte.

G

verehrteſte Mamſell,“ ſagte ich voller Erſtaunen, „wie
kommen Sie“ — „um Gotteswillen, ſtill nur, jetzt ſtill!“
erwiederte ſie, und ſprang geſchwind von mir fort auf
die andere Seite des Gartens, eh' ich mich noch auf
alles recht beſinnen konnte.

Unterdeß hatten die Andern ihr erſtes Thema faſt
ganz vergeſſen, zankten aber untereinander recht ver¬
gnuͤglich weiter, indem ſie dem jungen Menſchen be¬
weiſen wollten, daß er eigentlich betrunken ſey, was
ſich fuͤr einen ehrliebenden Maler gar nicht ſchicke.
Der runde fixe Mann aus der Laube, der — wie ich
nachher erfuhr — ein großer Kenner und Freund von
Kuͤnſten war, und aus Liebe zu den Wiſſenſchaften gern
alles mitmachte, hatte auch ſein Staͤbchen weggeworfen,
und flankirte mit ſeinem fetten Geſicht das vor Freund¬
lichkeit ordentlich glaͤnzte, eifrig mitten in dem dickſten
Getuͤmmel herum, um alles zu vermitteln und zu be¬
ſchwichtigen, waͤhrend er dazwiſchen immer wieder die
lange Kadenz und das ſchoͤne Tableau bedauerte, das
er mit vieler Muͤhe zuſammengebracht hatte.

Mir aber war es ſo ſternklar im Herzen, wie da¬
mals an dem gluͤckſeligen Sonnabend, als ich am
offnen Fenſter vor der Weinflaſche bis tief in die Nacht
hinein auf der Geige ſpielte. Ich holte, da der Ru¬
mor gar kein Ende nehmen wollte, friſch meine Vio¬
line wieder hervor und ſpielte, ohne mich lange zu be¬
ſinnen, einen welſchen Tanz auf, den ſie dort im Ge¬
birge tanzen, und den ich auf dem alten, einſamen
Waldſchloſſe gelernt hatte.

G
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[97/0107] verehrteſte Mamſell,“ ſagte ich voller Erſtaunen, „wie kommen Sie“ — „um Gotteswillen, ſtill nur, jetzt ſtill!“ erwiederte ſie, und ſprang geſchwind von mir fort auf die andere Seite des Gartens, eh' ich mich noch auf alles recht beſinnen konnte. Unterdeß hatten die Andern ihr erſtes Thema faſt ganz vergeſſen, zankten aber untereinander recht ver¬ gnuͤglich weiter, indem ſie dem jungen Menſchen be¬ weiſen wollten, daß er eigentlich betrunken ſey, was ſich fuͤr einen ehrliebenden Maler gar nicht ſchicke. Der runde fixe Mann aus der Laube, der — wie ich nachher erfuhr — ein großer Kenner und Freund von Kuͤnſten war, und aus Liebe zu den Wiſſenſchaften gern alles mitmachte, hatte auch ſein Staͤbchen weggeworfen, und flankirte mit ſeinem fetten Geſicht das vor Freund¬ lichkeit ordentlich glaͤnzte, eifrig mitten in dem dickſten Getuͤmmel herum, um alles zu vermitteln und zu be¬ ſchwichtigen, waͤhrend er dazwiſchen immer wieder die lange Kadenz und das ſchoͤne Tableau bedauerte, das er mit vieler Muͤhe zuſammengebracht hatte. Mir aber war es ſo ſternklar im Herzen, wie da¬ mals an dem gluͤckſeligen Sonnabend, als ich am offnen Fenſter vor der Weinflaſche bis tief in die Nacht hinein auf der Geige ſpielte. Ich holte, da der Ru¬ mor gar kein Ende nehmen wollte, friſch meine Vio¬ line wieder hervor und ſpielte, ohne mich lange zu be¬ ſinnen, einen welſchen Tanz auf, den ſie dort im Ge¬ birge tanzen, und den ich auf dem alten, einſamen Waldſchloſſe gelernt hatte. G

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/107>, abgerufen am 23.11.2024.