unter den Arm, und ging eilig in die Ruine. Wahr¬ haftig, sagte Fortunat lachend, da ist Lug und Ein¬ bildung, Wahrheit und Dichtung so durcheinander ge¬ filzt und gewickelt, daß er selber nicht mehr heraus kann! ich wette, er ist nun auf acht Tage in allem Ernst wieder in seine kleine Frau verliebt!
Während dieser Gespräche war es völlig dunkel geworden. Für Fiametta hatte man unterdeß zwischen den Trümmern eine Lagerstatt von duftendem Heu be¬ reitet, und ihre müden Augen waren schon untergegan¬ gen, als der Mond über die stillen Wälder aufging. Der Einsiedler, über seinem Rosenkranze nickend, be¬ wachte sie von fern, die Andern saßen noch zusammen bis tief in die Nacht. -- Dryander aber hatte mit großer Umständlichkeit Papier, Federn, Wein und ge¬ stopfte Pfeifen in eine Zelle zusammengeschleppt, wo man ihn öfters eifrig auf und niedergehen sah. Er wollte die schöne Nacht benutzen, um ein großes Ge¬ dicht, mit dem er sich schon lange in Gedanken herum¬ trug, endlich recht mit Ruhe niederzuschreiben. Da hatte er aber lauter Störungen. Erst nickte ihn aus irgend einem Mauerloch unaufhörlich ein melankolischer Schuhu an, gegen den er sich sehr erboste, weil er es für eine üble Vorbedeutung hielt. Dann erwachte eine Nachtigall und schmetterte gerade vor seinem Fen¬ ster. Er wollte sie mit dem Schnupftuch verjagen, darüber verlor er seine beste Feder hinter'm Ohr, die
unter den Arm, und ging eilig in die Ruine. Wahr¬ haftig, ſagte Fortunat lachend, da iſt Lug und Ein¬ bildung, Wahrheit und Dichtung ſo durcheinander ge¬ filzt und gewickelt, daß er ſelber nicht mehr heraus kann! ich wette, er iſt nun auf acht Tage in allem Ernſt wieder in ſeine kleine Frau verliebt!
Waͤhrend dieſer Geſpraͤche war es voͤllig dunkel geworden. Fuͤr Fiametta hatte man unterdeß zwiſchen den Truͤmmern eine Lagerſtatt von duftendem Heu be¬ reitet, und ihre muͤden Augen waren ſchon untergegan¬ gen, als der Mond uͤber die ſtillen Waͤlder aufging. Der Einſiedler, uͤber ſeinem Roſenkranze nickend, be¬ wachte ſie von fern, die Andern ſaßen noch zuſammen bis tief in die Nacht. — Dryander aber hatte mit großer Umſtaͤndlichkeit Papier, Federn, Wein und ge¬ ſtopfte Pfeifen in eine Zelle zuſammengeſchleppt, wo man ihn oͤfters eifrig auf und niedergehen ſah. Er wollte die ſchoͤne Nacht benutzen, um ein großes Ge¬ dicht, mit dem er ſich ſchon lange in Gedanken herum¬ trug, endlich recht mit Ruhe niederzuſchreiben. Da hatte er aber lauter Stoͤrungen. Erſt nickte ihn aus irgend einem Mauerloch unaufhoͤrlich ein melankoliſcher Schuhu an, gegen den er ſich ſehr erboſte, weil er es fuͤr eine uͤble Vorbedeutung hielt. Dann erwachte eine Nachtigall und ſchmetterte gerade vor ſeinem Fen¬ ſter. Er wollte ſie mit dem Schnupftuch verjagen, daruͤber verlor er ſeine beſte Feder hinter'm Ohr, die
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unter den Arm, und ging eilig in die Ruine. Wahr¬
haftig, ſagte Fortunat lachend, da iſt Lug und Ein¬
bildung, Wahrheit und Dichtung ſo durcheinander ge¬
filzt und gewickelt, daß er ſelber nicht mehr heraus
kann! ich wette, er iſt nun auf acht Tage in allem
Ernſt wieder in ſeine kleine Frau verliebt!
Waͤhrend dieſer Geſpraͤche war es voͤllig dunkel
geworden. Fuͤr Fiametta hatte man unterdeß zwiſchen
den Truͤmmern eine Lagerſtatt von duftendem Heu be¬
reitet, und ihre muͤden Augen waren ſchon untergegan¬
gen, als der Mond uͤber die ſtillen Waͤlder aufging.
Der Einſiedler, uͤber ſeinem Roſenkranze nickend, be¬
wachte ſie von fern, die Andern ſaßen noch zuſammen
bis tief in die Nacht. — Dryander aber hatte mit
großer Umſtaͤndlichkeit Papier, Federn, Wein und ge¬
ſtopfte Pfeifen in eine Zelle zuſammengeſchleppt, wo
man ihn oͤfters eifrig auf und niedergehen ſah. Er
wollte die ſchoͤne Nacht benutzen, um ein großes Ge¬
dicht, mit dem er ſich ſchon lange in Gedanken herum¬
trug, endlich recht mit Ruhe niederzuſchreiben. Da
hatte er aber lauter Stoͤrungen. Erſt nickte ihn aus
irgend einem Mauerloch unaufhoͤrlich ein melankoliſcher
Schuhu an, gegen den er ſich ſehr erboſte, weil er es
fuͤr eine uͤble Vorbedeutung hielt. Dann erwachte
eine Nachtigall und ſchmetterte gerade vor ſeinem Fen¬
ſter. Er wollte ſie mit dem Schnupftuch verjagen,
daruͤber verlor er ſeine beſte Feder hinter'm Ohr, die
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/380>, abgerufen am 23.11.2024.
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