Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmierstiefeln und Hemdsärmeln, Heu und Hecksel
in den Haaren, und fährt in der Eile in seinem alten
Flauschrock mit der Faust zum Ellbogen heraus, ein
Kernwirth, sonst ein guter Kerl. Wir gingen nun
mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kräften.
-- Ihr erzählt alles so konfus, sagte der Bursch wie¬
der, Ihr fragtet zuerst, was in der Stadt der Spieß
Lerchen koste, die draußen so hübsch sängen? -- Kann
seyn! -- Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und,
einmal als Philosoph gesprochen, sagtet Ihr dann,
was braucht ein fühlendes Herz mehr: ein ländliches
Schloß mit wacklichten Mansarden, ein sanfter, unter
dreijährigen Dünger gesetzter Hügel daneben, ein
schlängelnder Bach aus dem Kuhstall nach der lachen¬
den Wiese -- Halt das Maul, fuhr ihn Dryander
an. Ich stand in der Hausthür, mit tiefer Wehmuth
überblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das stille
Gärtchen und Trudchens Gestalt -- dann wandt' ich
mich -- Hier konnte der Bursche das Lachen nicht
halten. -- Was hast du? fragten die Andern. -- Mit
Erlaubniß, sagte er, und als der Herr so von dem
schlängelnden Bach sprach, erwischte ihn der Herr
Lieutenant am Flügel und schmiß ihn zum Hause her¬
aus, daß er mir bald in den Korb gefallen wäre. --
Nun, wenn Ihr's besser wißt, so ist mir's auch recht,
entgegnete der Doctor, ergriff eine Flasche und wollte
fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite

Schmierſtiefeln und Hemdsaͤrmeln, Heu und Heckſel
in den Haaren, und faͤhrt in der Eile in ſeinem alten
Flauſchrock mit der Fauſt zum Ellbogen heraus, ein
Kernwirth, ſonſt ein guter Kerl. Wir gingen nun
mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kraͤften.
— Ihr erzaͤhlt alles ſo konfus, ſagte der Burſch wie¬
der, Ihr fragtet zuerſt, was in der Stadt der Spieß
Lerchen koſte, die draußen ſo huͤbſch ſaͤngen? — Kann
ſeyn! — Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und,
einmal als Philoſoph geſprochen, ſagtet Ihr dann,
was braucht ein fuͤhlendes Herz mehr: ein laͤndliches
Schloß mit wacklichten Manſarden, ein ſanfter, unter
dreijaͤhrigen Duͤnger geſetzter Huͤgel daneben, ein
ſchlaͤngelnder Bach aus dem Kuhſtall nach der lachen¬
den Wieſe — Halt das Maul, fuhr ihn Dryander
an. Ich ſtand in der Hausthuͤr, mit tiefer Wehmuth
uͤberblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das ſtille
Gaͤrtchen und Trudchens Geſtalt — dann wandt' ich
mich — Hier konnte der Burſche das Lachen nicht
halten. — Was haſt du? fragten die Andern. — Mit
Erlaubniß, ſagte er, und als der Herr ſo von dem
ſchlaͤngelnden Bach ſprach, erwiſchte ihn der Herr
Lieutenant am Fluͤgel und ſchmiß ihn zum Hauſe her¬
aus, daß er mir bald in den Korb gefallen waͤre. —
Nun, wenn Ihr's beſſer wißt, ſo iſt mir's auch recht,
entgegnete der Doctor, ergriff eine Flaſche und wollte
fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0379" n="372"/>
Schmier&#x017F;tiefeln und Hemdsa&#x0364;rmeln, Heu und Heck&#x017F;el<lb/>
in den Haaren, und fa&#x0364;hrt in der Eile in &#x017F;einem alten<lb/>
Flau&#x017F;chrock mit der Fau&#x017F;t zum Ellbogen heraus, ein<lb/>
Kernwirth, &#x017F;on&#x017F;t ein guter Kerl. Wir gingen nun<lb/>
mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kra&#x0364;ften.<lb/>
&#x2014; Ihr erza&#x0364;hlt alles &#x017F;o konfus, &#x017F;agte der Bur&#x017F;ch wie¬<lb/>
der, Ihr fragtet zuer&#x017F;t, was in der Stadt der Spieß<lb/>
Lerchen ko&#x017F;te, die draußen &#x017F;o hu&#x0364;b&#x017F;ch &#x017F;a&#x0364;ngen? &#x2014; Kann<lb/>
&#x017F;eyn! &#x2014; Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und,<lb/>
einmal als Philo&#x017F;oph ge&#x017F;prochen, &#x017F;agtet Ihr dann,<lb/>
was braucht ein fu&#x0364;hlendes Herz mehr: ein la&#x0364;ndliches<lb/>
Schloß mit wacklichten Man&#x017F;arden, ein &#x017F;anfter, unter<lb/>
dreija&#x0364;hrigen Du&#x0364;nger ge&#x017F;etzter Hu&#x0364;gel daneben, ein<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ngelnder Bach aus dem Kuh&#x017F;tall nach der lachen¬<lb/>
den Wie&#x017F;e &#x2014; Halt das Maul, fuhr ihn Dryander<lb/>
an. Ich &#x017F;tand in der Hausthu&#x0364;r, mit tiefer Wehmuth<lb/>
u&#x0364;berblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das &#x017F;tille<lb/>
Ga&#x0364;rtchen und Trudchens Ge&#x017F;talt &#x2014; dann wandt' ich<lb/>
mich &#x2014; Hier konnte der Bur&#x017F;che das Lachen nicht<lb/>
halten. &#x2014; Was ha&#x017F;t du? fragten die Andern. &#x2014; Mit<lb/>
Erlaubniß, &#x017F;agte er, und als der Herr &#x017F;o von dem<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ngelnden Bach &#x017F;prach, erwi&#x017F;chte ihn der Herr<lb/>
Lieutenant am Flu&#x0364;gel und &#x017F;chmiß ihn zum Hau&#x017F;e her¬<lb/>
aus, daß er mir bald in den Korb gefallen wa&#x0364;re. &#x2014;<lb/>
Nun, wenn Ihr's be&#x017F;&#x017F;er wißt, &#x017F;o i&#x017F;t mir's auch recht,<lb/>
entgegnete der Doctor, ergriff eine Fla&#x017F;che und wollte<lb/>
fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0379] Schmierſtiefeln und Hemdsaͤrmeln, Heu und Heckſel in den Haaren, und faͤhrt in der Eile in ſeinem alten Flauſchrock mit der Fauſt zum Ellbogen heraus, ein Kernwirth, ſonſt ein guter Kerl. Wir gingen nun mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kraͤften. — Ihr erzaͤhlt alles ſo konfus, ſagte der Burſch wie¬ der, Ihr fragtet zuerſt, was in der Stadt der Spieß Lerchen koſte, die draußen ſo huͤbſch ſaͤngen? — Kann ſeyn! — Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und, einmal als Philoſoph geſprochen, ſagtet Ihr dann, was braucht ein fuͤhlendes Herz mehr: ein laͤndliches Schloß mit wacklichten Manſarden, ein ſanfter, unter dreijaͤhrigen Duͤnger geſetzter Huͤgel daneben, ein ſchlaͤngelnder Bach aus dem Kuhſtall nach der lachen¬ den Wieſe — Halt das Maul, fuhr ihn Dryander an. Ich ſtand in der Hausthuͤr, mit tiefer Wehmuth uͤberblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das ſtille Gaͤrtchen und Trudchens Geſtalt — dann wandt' ich mich — Hier konnte der Burſche das Lachen nicht halten. — Was haſt du? fragten die Andern. — Mit Erlaubniß, ſagte er, und als der Herr ſo von dem ſchlaͤngelnden Bach ſprach, erwiſchte ihn der Herr Lieutenant am Fluͤgel und ſchmiß ihn zum Hauſe her¬ aus, daß er mir bald in den Korb gefallen waͤre. — Nun, wenn Ihr's beſſer wißt, ſo iſt mir's auch recht, entgegnete der Doctor, ergriff eine Flaſche und wollte fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/379
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/379>, abgerufen am 04.05.2024.