Arme gelegt, über dem Schwirren und Summen der Gläser, Teller und Reden am Tische eingeschlafen war.
So war es unter den munteren Gesprächen fast völlig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hause trat. Das ist heut ein wahrer Wundermorgen! rief er lachend aus, denkt euch, da schreibt mir eben unser Rechtsfreund aus der Stadt, ich möchte ihm kollegia¬ lisch beistehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬ schaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten Tante entflohen und deren Spur zwischen unsern Ber¬ gen verloren gegangen seyn soll. -- Kurios, sagte der Amtmann, ja, wilde Wasser lieben die Berge. -- Was! -- rief der Förster, der eben eine neue Pfeife gestopft und nur halb hingehört hatte -- eine alte wilde Tante ist im Wasser verloren gegangen? -- Ja, fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer Kammerjungfer entflohen. -- Walter hatte Mühe, die Konfusion zu berichtigen. Ein angesehener Mann, fuhr er dann fort, verfolgt nun die Flüchtlinge im Auftrag der Tante und hat in der Stadt amtliche Hülfe in An¬ spruch genommen. Da bist du uns eben zur rechten Stunde gekommen, Fortunat. -- Ich? wie so? fragte dieser betroffen. -- Ich meine, als Dichter in solchen romantischen Fällen. -- Ach theurer Freund, entgeg¬ nete Fortunat, ich wollte, die Romantik wäre lieber gar nicht erfunden worden! Solche romantische Ver¬
Arme gelegt, uͤber dem Schwirren und Summen der Glaͤſer, Teller und Reden am Tiſche eingeſchlafen war.
So war es unter den munteren Geſpraͤchen faſt voͤllig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hauſe trat. Das iſt heut ein wahrer Wundermorgen! rief er lachend aus, denkt euch, da ſchreibt mir eben unſer Rechtsfreund aus der Stadt, ich moͤchte ihm kollegia¬ liſch beiſtehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬ ſchaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten Tante entflohen und deren Spur zwiſchen unſern Ber¬ gen verloren gegangen ſeyn ſoll. — Kurios, ſagte der Amtmann, ja, wilde Waſſer lieben die Berge. — Was! — rief der Foͤrſter, der eben eine neue Pfeife geſtopft und nur halb hingehoͤrt hatte — eine alte wilde Tante iſt im Waſſer verloren gegangen? — Ja, fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer Kammerjungfer entflohen. — Walter hatte Muͤhe, die Konfuſion zu berichtigen. Ein angeſehener Mann, fuhr er dann fort, verfolgt nun die Fluͤchtlinge im Auftrag der Tante und hat in der Stadt amtliche Huͤlfe in An¬ ſpruch genommen. Da biſt du uns eben zur rechten Stunde gekommen, Fortunat. — Ich? wie ſo? fragte dieſer betroffen. — Ich meine, als Dichter in ſolchen romantiſchen Faͤllen. — Ach theurer Freund, entgeg¬ nete Fortunat, ich wollte, die Romantik waͤre lieber gar nicht erfunden worden! Solche romantiſche Ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0350"n="343"/>
Arme gelegt, uͤber dem Schwirren und Summen der<lb/>
Glaͤſer, Teller und Reden am Tiſche eingeſchlafen war.</p><lb/><p>So war es unter den munteren Geſpraͤchen faſt<lb/>
voͤllig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen<lb/>
erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hauſe<lb/>
trat. Das iſt heut ein wahrer Wundermorgen! rief<lb/>
er lachend aus, denkt euch, da ſchreibt mir eben unſer<lb/>
Rechtsfreund aus der Stadt, ich moͤchte ihm kollegia¬<lb/>
liſch beiſtehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬<lb/>ſchaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten<lb/>
Tante entflohen und deren Spur zwiſchen unſern Ber¬<lb/>
gen verloren gegangen ſeyn ſoll. — Kurios, ſagte der<lb/>
Amtmann, ja, wilde Waſſer lieben die Berge. —<lb/>
Was! — rief der Foͤrſter, der eben eine neue Pfeife<lb/>
geſtopft und nur halb hingehoͤrt hatte — eine alte<lb/>
wilde Tante iſt im Waſſer verloren gegangen? — Ja,<lb/>
fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer<lb/>
Kammerjungfer entflohen. — Walter hatte Muͤhe, die<lb/>
Konfuſion zu berichtigen. Ein angeſehener Mann, fuhr<lb/>
er dann fort, verfolgt nun die Fluͤchtlinge im Auftrag<lb/>
der Tante und hat in der Stadt amtliche Huͤlfe in An¬<lb/>ſpruch genommen. Da biſt du uns eben zur rechten<lb/>
Stunde gekommen, Fortunat. — Ich? wie ſo? fragte<lb/>
dieſer betroffen. — Ich meine, als Dichter in ſolchen<lb/>
romantiſchen Faͤllen. — Ach theurer Freund, entgeg¬<lb/>
nete Fortunat, ich wollte, die Romantik waͤre lieber<lb/>
gar nicht erfunden worden! Solche romantiſche Ver¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[343/0350]
Arme gelegt, uͤber dem Schwirren und Summen der
Glaͤſer, Teller und Reden am Tiſche eingeſchlafen war.
So war es unter den munteren Geſpraͤchen faſt
voͤllig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen
erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hauſe
trat. Das iſt heut ein wahrer Wundermorgen! rief
er lachend aus, denkt euch, da ſchreibt mir eben unſer
Rechtsfreund aus der Stadt, ich moͤchte ihm kollegia¬
liſch beiſtehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬
ſchaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten
Tante entflohen und deren Spur zwiſchen unſern Ber¬
gen verloren gegangen ſeyn ſoll. — Kurios, ſagte der
Amtmann, ja, wilde Waſſer lieben die Berge. —
Was! — rief der Foͤrſter, der eben eine neue Pfeife
geſtopft und nur halb hingehoͤrt hatte — eine alte
wilde Tante iſt im Waſſer verloren gegangen? — Ja,
fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer
Kammerjungfer entflohen. — Walter hatte Muͤhe, die
Konfuſion zu berichtigen. Ein angeſehener Mann, fuhr
er dann fort, verfolgt nun die Fluͤchtlinge im Auftrag
der Tante und hat in der Stadt amtliche Huͤlfe in An¬
ſpruch genommen. Da biſt du uns eben zur rechten
Stunde gekommen, Fortunat. — Ich? wie ſo? fragte
dieſer betroffen. — Ich meine, als Dichter in ſolchen
romantiſchen Faͤllen. — Ach theurer Freund, entgeg¬
nete Fortunat, ich wollte, die Romantik waͤre lieber
gar nicht erfunden worden! Solche romantiſche Ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/350>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.