Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Arme gelegt, über dem Schwirren und Summen der
Gläser, Teller und Reden am Tische eingeschlafen war.

So war es unter den munteren Gesprächen fast
völlig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen
erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hause
trat. Das ist heut ein wahrer Wundermorgen! rief
er lachend aus, denkt euch, da schreibt mir eben unser
Rechtsfreund aus der Stadt, ich möchte ihm kollegia¬
lisch beistehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬
schaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten
Tante entflohen und deren Spur zwischen unsern Ber¬
gen verloren gegangen seyn soll. -- Kurios, sagte der
Amtmann, ja, wilde Wasser lieben die Berge. --
Was! -- rief der Förster, der eben eine neue Pfeife
gestopft und nur halb hingehört hatte -- eine alte
wilde Tante ist im Wasser verloren gegangen? -- Ja,
fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer
Kammerjungfer entflohen. -- Walter hatte Mühe, die
Konfusion zu berichtigen. Ein angesehener Mann, fuhr
er dann fort, verfolgt nun die Flüchtlinge im Auftrag
der Tante und hat in der Stadt amtliche Hülfe in An¬
spruch genommen. Da bist du uns eben zur rechten
Stunde gekommen, Fortunat. -- Ich? wie so? fragte
dieser betroffen. -- Ich meine, als Dichter in solchen
romantischen Fällen. -- Ach theurer Freund, entgeg¬
nete Fortunat, ich wollte, die Romantik wäre lieber
gar nicht erfunden worden! Solche romantische Ver¬

Arme gelegt, uͤber dem Schwirren und Summen der
Glaͤſer, Teller und Reden am Tiſche eingeſchlafen war.

So war es unter den munteren Geſpraͤchen faſt
voͤllig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen
erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hauſe
trat. Das iſt heut ein wahrer Wundermorgen! rief
er lachend aus, denkt euch, da ſchreibt mir eben unſer
Rechtsfreund aus der Stadt, ich moͤchte ihm kollegia¬
liſch beiſtehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬
ſchaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten
Tante entflohen und deren Spur zwiſchen unſern Ber¬
gen verloren gegangen ſeyn ſoll. — Kurios, ſagte der
Amtmann, ja, wilde Waſſer lieben die Berge. —
Was! — rief der Foͤrſter, der eben eine neue Pfeife
geſtopft und nur halb hingehoͤrt hatte — eine alte
wilde Tante iſt im Waſſer verloren gegangen? — Ja,
fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer
Kammerjungfer entflohen. — Walter hatte Muͤhe, die
Konfuſion zu berichtigen. Ein angeſehener Mann, fuhr
er dann fort, verfolgt nun die Fluͤchtlinge im Auftrag
der Tante und hat in der Stadt amtliche Huͤlfe in An¬
ſpruch genommen. Da biſt du uns eben zur rechten
Stunde gekommen, Fortunat. — Ich? wie ſo? fragte
dieſer betroffen. — Ich meine, als Dichter in ſolchen
romantiſchen Faͤllen. — Ach theurer Freund, entgeg¬
nete Fortunat, ich wollte, die Romantik waͤre lieber
gar nicht erfunden worden! Solche romantiſche Ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0350" n="343"/>
Arme gelegt, u&#x0364;ber dem Schwirren und Summen der<lb/>
Gla&#x0364;&#x017F;er, Teller und Reden am Ti&#x017F;che einge&#x017F;chlafen war.</p><lb/>
          <p>So war es unter den munteren Ge&#x017F;pra&#x0364;chen fa&#x017F;t<lb/>
vo&#x0364;llig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen<lb/>
erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hau&#x017F;e<lb/>
trat. Das i&#x017F;t heut ein wahrer Wundermorgen! rief<lb/>
er lachend aus, denkt euch, da &#x017F;chreibt mir eben un&#x017F;er<lb/>
Rechtsfreund aus der Stadt, ich mo&#x0364;chte ihm kollegia¬<lb/>
li&#x017F;ch bei&#x017F;tehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬<lb/>
&#x017F;chaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten<lb/>
Tante entflohen und deren Spur zwi&#x017F;chen un&#x017F;ern Ber¬<lb/>
gen verloren gegangen &#x017F;eyn &#x017F;oll. &#x2014; Kurios, &#x017F;agte der<lb/>
Amtmann, ja, wilde Wa&#x017F;&#x017F;er lieben die Berge. &#x2014;<lb/>
Was! &#x2014; rief der Fo&#x0364;r&#x017F;ter, der eben eine neue Pfeife<lb/>
ge&#x017F;topft und nur halb hingeho&#x0364;rt hatte &#x2014; eine alte<lb/>
wilde Tante i&#x017F;t im Wa&#x017F;&#x017F;er verloren gegangen? &#x2014; Ja,<lb/>
fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer<lb/>
Kammerjungfer entflohen. &#x2014; Walter hatte Mu&#x0364;he, die<lb/>
Konfu&#x017F;ion zu berichtigen. Ein ange&#x017F;ehener Mann, fuhr<lb/>
er dann fort, verfolgt nun die Flu&#x0364;chtlinge im Auftrag<lb/>
der Tante und hat in der Stadt amtliche Hu&#x0364;lfe in An¬<lb/>
&#x017F;pruch genommen. Da bi&#x017F;t du uns eben zur rechten<lb/>
Stunde gekommen, Fortunat. &#x2014; Ich? wie &#x017F;o? fragte<lb/>
die&#x017F;er betroffen. &#x2014; Ich meine, als Dichter in &#x017F;olchen<lb/>
romanti&#x017F;chen Fa&#x0364;llen. &#x2014; Ach theurer Freund, entgeg¬<lb/>
nete Fortunat, ich wollte, die Romantik wa&#x0364;re lieber<lb/>
gar nicht erfunden worden! Solche romanti&#x017F;che Ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0350] Arme gelegt, uͤber dem Schwirren und Summen der Glaͤſer, Teller und Reden am Tiſche eingeſchlafen war. So war es unter den munteren Geſpraͤchen faſt voͤllig Tag geworden, als auf einmal Walter, einen erbrochenen Brief in der Hand, eilig aus dem Hauſe trat. Das iſt heut ein wahrer Wundermorgen! rief er lachend aus, denkt euch, da ſchreibt mir eben unſer Rechtsfreund aus der Stadt, ich moͤchte ihm kollegia¬ liſch beiſtehen, eine junge adeliche Dame auszukund¬ ſchaften, die mit ihrer Kammerjungfer ihrer alten Tante entflohen und deren Spur zwiſchen unſern Ber¬ gen verloren gegangen ſeyn ſoll. — Kurios, ſagte der Amtmann, ja, wilde Waſſer lieben die Berge. — Was! — rief der Foͤrſter, der eben eine neue Pfeife geſtopft und nur halb hingehoͤrt hatte — eine alte wilde Tante iſt im Waſſer verloren gegangen? — Ja, fiel Fortunat ein, und der Rechtsfreund mit ihrer Kammerjungfer entflohen. — Walter hatte Muͤhe, die Konfuſion zu berichtigen. Ein angeſehener Mann, fuhr er dann fort, verfolgt nun die Fluͤchtlinge im Auftrag der Tante und hat in der Stadt amtliche Huͤlfe in An¬ ſpruch genommen. Da biſt du uns eben zur rechten Stunde gekommen, Fortunat. — Ich? wie ſo? fragte dieſer betroffen. — Ich meine, als Dichter in ſolchen romantiſchen Faͤllen. — Ach theurer Freund, entgeg¬ nete Fortunat, ich wollte, die Romantik waͤre lieber gar nicht erfunden worden! Solche romantiſche Ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/350
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/350>, abgerufen am 23.11.2024.