fältig das Schürzchen zusammenhielt, um seine Blu¬ men nicht zu verlieren. Wie sie so mit einander fort¬ gingen, wurde das schöne Kind immer vergnügter und gesprächiger. Es erzählte, es wäre gar nicht mehr so lange hin, da käme wieder Weihnachten, wo die vie¬ len Lichter in den vornehmen Häusern brennten, dann säß es in der Kammer auf seinem Bettchen am Fen¬ ster, da flimmerten draußen die Sterne so schön über dem Schnee und das Christkindlein flöge durch die Nacht über den stillen Garten hin und brächt' ihm von seinen Aeltern viele kostbare Sachen: neue rothe Schuh, und ein Mützchen. -- Wo wohnen denn deine Aeltern? fragte Otto. -- Die Kleine sah ihn erstaunt an, dann wies sie nach dem Himmel. -- Aber wo führst du mich denn jetzt hin? fragte er fast betroffen wieder. -- Nach Hause -- entgegnete das Kind. -- Ihn schauerte unwillkührlich bei dem Doppelsinn der Antwort.
Auf einmal traten sie an einem Abhange aus dem Walde heraus, Otto stand wie geblendet. Denn tief unter ihm lag plötzlich seine Heimathsgegend im stillen Abendglanze ausgebreitet: das schattige Städtchen, jenseits seiner Aeltern Garten und Haus, der vergol¬ dete Strom dann im Wiesengrund und die fernen blauen Berge dahinter -- alles wie er's in der Fremde wohl manchmal im Traume gesehen. Ganz erschöpft sank er unter dem Baume hin. O stille, alte Zeit,
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faͤltig das Schuͤrzchen zuſammenhielt, um ſeine Blu¬ men nicht zu verlieren. Wie ſie ſo mit einander fort¬ gingen, wurde das ſchoͤne Kind immer vergnuͤgter und geſpraͤchiger. Es erzaͤhlte, es waͤre gar nicht mehr ſo lange hin, da kaͤme wieder Weihnachten, wo die vie¬ len Lichter in den vornehmen Haͤuſern brennten, dann ſaͤß es in der Kammer auf ſeinem Bettchen am Fen¬ ſter, da flimmerten draußen die Sterne ſo ſchoͤn uͤber dem Schnee und das Chriſtkindlein floͤge durch die Nacht uͤber den ſtillen Garten hin und braͤcht' ihm von ſeinen Aeltern viele koſtbare Sachen: neue rothe Schuh, und ein Muͤtzchen. — Wo wohnen denn deine Aeltern? fragte Otto. — Die Kleine ſah ihn erſtaunt an, dann wies ſie nach dem Himmel. — Aber wo fuͤhrſt du mich denn jetzt hin? fragte er faſt betroffen wieder. — Nach Hauſe — entgegnete das Kind. — Ihn ſchauerte unwillkuͤhrlich bei dem Doppelſinn der Antwort.
Auf einmal traten ſie an einem Abhange aus dem Walde heraus, Otto ſtand wie geblendet. Denn tief unter ihm lag ploͤtzlich ſeine Heimathsgegend im ſtillen Abendglanze ausgebreitet: das ſchattige Staͤdtchen, jenſeits ſeiner Aeltern Garten und Haus, der vergol¬ dete Strom dann im Wieſengrund und die fernen blauen Berge dahinter — alles wie er's in der Fremde wohl manchmal im Traume geſehen. Ganz erſchoͤpft ſank er unter dem Baume hin. O ſtille, alte Zeit,
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faͤltig das Schuͤrzchen zuſammenhielt, um ſeine Blu¬
men nicht zu verlieren. Wie ſie ſo mit einander fort¬
gingen, wurde das ſchoͤne Kind immer vergnuͤgter und
geſpraͤchiger. Es erzaͤhlte, es waͤre gar nicht mehr ſo
lange hin, da kaͤme wieder Weihnachten, wo die vie¬
len Lichter in den vornehmen Haͤuſern brennten, dann
ſaͤß es in der Kammer auf ſeinem Bettchen am Fen¬
ſter, da flimmerten draußen die Sterne ſo ſchoͤn uͤber
dem Schnee und das Chriſtkindlein floͤge durch die
Nacht uͤber den ſtillen Garten hin und braͤcht' ihm
von ſeinen Aeltern viele koſtbare Sachen: neue rothe
Schuh, und ein Muͤtzchen. — Wo wohnen denn deine
Aeltern? fragte Otto. — Die Kleine ſah ihn erſtaunt
an, dann wies ſie nach dem Himmel. — Aber wo
fuͤhrſt du mich denn jetzt hin? fragte er faſt betroffen
wieder. — Nach Hauſe — entgegnete das Kind. —
Ihn ſchauerte unwillkuͤhrlich bei dem Doppelſinn der
Antwort.
Auf einmal traten ſie an einem Abhange aus dem
Walde heraus, Otto ſtand wie geblendet. Denn tief
unter ihm lag ploͤtzlich ſeine Heimathsgegend im ſtillen
Abendglanze ausgebreitet: das ſchattige Staͤdtchen,
jenſeits ſeiner Aeltern Garten und Haus, der vergol¬
dete Strom dann im Wieſengrund und die fernen
blauen Berge dahinter — alles wie er's in der Fremde
wohl manchmal im Traume geſehen. Ganz erſchoͤpft
ſank er unter dem Baume hin. O ſtille, alte Zeit,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/330>, abgerufen am 25.11.2024.
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