Vitalis! wo denkt Ihr hin, nicht seine Schuhriemen aufzulösen, bin ich würdig, und ich thät's ihm gern heut und allezeit, wenn er es litte! Nein, nein, der wohnt dort im ehemaligen Convente. -- Als Nacht¬ eule, sagte Dryander, um die Mäuse wegzuschnappen, die nach deinen Speckschwarten gehen. -- Still, fiel ihm der Einsiedler mit überfliegender Röthe schnell in's Wort, schnattert nicht so ungewaschen in's Zeug hin¬ ein, wenn Ihr nichts von der Geistlichkeit versteht. Contenti estote, sagte einmal ein Kapuziner in einer Komödie, die ich noch als Soldat gesehen habe, das heißt: begnügt euch mit eurem Kommißbrote, wenn ihr das Himmels-Manna nicht vertragen könnt! -- Na, seyd nur nicht gleich so grob, lachte Dryander, den der Vorwurf heimlich wurmte.
Abgemacht! rief der gutmüthige Klausner. Aber vom Herrn Vitalis muß ich Euch noch erzählen. -- Er rückte voll Eifer näher und dampfte so hastig aus der ungarischen Pfeife, daß Dryander sich an das andere Ende des Tisches setzte. -- Seht, sagte er, es war gerade eine so schöne, sternklare Sommernacht, wie Anno 1814, da wir über den Rhein rückten. Ich hatte meinen Rosenkranz eben abgebetet und stand auf und zog, wie ich alle Mitternacht zu thun pflege, die Glocke über meiner Hütte, denn den Kranken unten in den Dörfern, wenn alles schläft, ist es tröstlich, das Glöcklein von den Bergen zu hören. Auch das Wild
Vitalis! wo denkt Ihr hin, nicht ſeine Schuhriemen aufzuloͤſen, bin ich wuͤrdig, und ich thaͤt's ihm gern heut und allezeit, wenn er es litte! Nein, nein, der wohnt dort im ehemaligen Convente. — Als Nacht¬ eule, ſagte Dryander, um die Maͤuſe wegzuſchnappen, die nach deinen Speckſchwarten gehen. — Still, fiel ihm der Einſiedler mit uͤberfliegender Roͤthe ſchnell in's Wort, ſchnattert nicht ſo ungewaſchen in's Zeug hin¬ ein, wenn Ihr nichts von der Geiſtlichkeit verſteht. Contenti estote, ſagte einmal ein Kapuziner in einer Komoͤdie, die ich noch als Soldat geſehen habe, das heißt: begnuͤgt euch mit eurem Kommißbrote, wenn ihr das Himmels-Manna nicht vertragen koͤnnt! — Na, ſeyd nur nicht gleich ſo grob, lachte Dryander, den der Vorwurf heimlich wurmte.
Abgemacht! rief der gutmuͤthige Klausner. Aber vom Herrn Vitalis muß ich Euch noch erzaͤhlen. — Er ruͤckte voll Eifer naͤher und dampfte ſo haſtig aus der ungariſchen Pfeife, daß Dryander ſich an das andere Ende des Tiſches ſetzte. — Seht, ſagte er, es war gerade eine ſo ſchoͤne, ſternklare Sommernacht, wie Anno 1814, da wir uͤber den Rhein ruͤckten. Ich hatte meinen Roſenkranz eben abgebetet und ſtand auf und zog, wie ich alle Mitternacht zu thun pflege, die Glocke uͤber meiner Huͤtte, denn den Kranken unten in den Doͤrfern, wenn alles ſchlaͤft, iſt es troͤſtlich, das Gloͤcklein von den Bergen zu hoͤren. Auch das Wild
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Vitalis! wo denkt Ihr hin, nicht ſeine Schuhriemen
aufzuloͤſen, bin ich wuͤrdig, und ich thaͤt's ihm gern
heut und allezeit, wenn er es litte! Nein, nein, der
wohnt dort im ehemaligen Convente. — Als Nacht¬
eule, ſagte Dryander, um die Maͤuſe wegzuſchnappen,
die nach deinen Speckſchwarten gehen. — Still, fiel
ihm der Einſiedler mit uͤberfliegender Roͤthe ſchnell in's
Wort, ſchnattert nicht ſo ungewaſchen in's Zeug hin¬
ein, wenn Ihr nichts von der Geiſtlichkeit verſteht.
Contenti estote, ſagte einmal ein Kapuziner in einer
Komoͤdie, die ich noch als Soldat geſehen habe, das
heißt: begnuͤgt euch mit eurem Kommißbrote, wenn
ihr das Himmels-Manna nicht vertragen koͤnnt! —
Na, ſeyd nur nicht gleich ſo grob, lachte Dryander,
den der Vorwurf heimlich wurmte.
Abgemacht! rief der gutmuͤthige Klausner. Aber
vom Herrn Vitalis muß ich Euch noch erzaͤhlen. —
Er ruͤckte voll Eifer naͤher und dampfte ſo haſtig aus
der ungariſchen Pfeife, daß Dryander ſich an das
andere Ende des Tiſches ſetzte. — Seht, ſagte er, es
war gerade eine ſo ſchoͤne, ſternklare Sommernacht,
wie Anno 1814, da wir uͤber den Rhein ruͤckten. Ich
hatte meinen Roſenkranz eben abgebetet und ſtand auf
und zog, wie ich alle Mitternacht zu thun pflege, die
Glocke uͤber meiner Huͤtte, denn den Kranken unten
in den Doͤrfern, wenn alles ſchlaͤft, iſt es troͤſtlich, das
Gloͤcklein von den Bergen zu hoͤren. Auch das Wild
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/288>, abgerufen am 23.11.2024.
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